Ab durch die Mitte und mitten ins Herz |
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Roadmovie-Debüt von Peng Sanyuan mit Superstar Andy Lau: Lost and Love |
Von Marianne Wagner
Pfingsturlaub für eine ausgedehnte Chinareise zu kurz? – Nach dem Schwerpunkt »Martial Arts« im letzten Jahr entfalten die zum dritten Mal stattfindenden Münchner China Filmtage im Monopol Kino vom 27. bis 31. Mai 2015 ein Panorama des Reisens und Liebens im heutigen China für Zuhausegebliebene. Appetithäppchen inklusive: Die Filmreihe startet mit einer kulinarischen Dokumentarreise quer durchs Land der Morgenröte, der Serie A Bite of China (Mi., 27.05.15, 19:00 Uhr). Obwohl die China Filmtage keinen Genrefokus im Titel tragen wie im Vorjahr, kristallisieren sich beim Blick ins Programm gleichwohl die um die Themen Reisen und Liebe kreisenden und sich mitunter auf unterschiedliche Weise verbindenden Genres heraus. Die Studenten und Dozenten des Instituts für Sinologie der LMU München in Kooperation mit dem Konfuzius-Institut haben dieses Jahr ausschließlich topaktuelle Produktionen aus dem chinesischen Filmschaffen der letzten beiden Jahre destilliert, Werke, die zwar auf internationalen Festivals gelaufen sind, jedoch noch nicht in deutschen Kinos.
Quer durch die Mitte des Reichs der Mitte, von Peking südwestwärts nach Dali in Yunnan fährt ein frisch Geschiedener und sein Kumpan in Ning Haos Breakup Buddies (Do., 28.05., 18:30 Uhr). Das Freundesduo in dieser Mischung aus romantischer Komödie und Roadmovie ist das bereits bewährte Schauspielerduo aus einer anderen erfolgreichen chinesischen Roadtrip-Komödie (Lost in Thailand, 2012). Filme dieser Art sind in China ein relativ neues Genre mit beträchlichem Box-Office-Potenzial. Bereits in No Man’s Land (2013), u. a. im Rennen um den Goldenen Bären auf der Berlinale 2014, verneigte sich Ning Hao vor Sergio Leone und schickte in Neo-Western-Manier einen Anwalt aus der Großstadt in die weite Wüste.
Den internationalen Superstar Andy Lau kann man in einer ungewohnten Rolle erleben, als einfachen Bauern im Debütfilm der Autorin und Regisseurin Peng Sanyuan, Lost and Love (Do., 28.05., 21:00 Uhr), der auf einer wahren Begebenheit basiert. Über ein Jahrzehnt lang suchte ein Vater auf den Straßen Chinas nach seinem einzigen Kind. Ein dramatischer Roadtrip. Kindern in Not und auf der Straße (u. a. den Kindern von Wanderarbeitern) widmet sich auch der mit dem Global Zoom Prize in Seattle ausgezeichnete, aus einzelnen Geschichten komponierte Film One Day (So., 31.05., 18:30 Uhr).
Ein weiterer Debütfilm, The Continent (Fr., 29.05., 21:00 Uhr), stammt von dem Tausendsassa und nicht zuletzt durch seine Publikationen und Aktivitäten als Blogger in China als enfant terrible geltenden Han Han. Ein junger Lehrer wird ans andere Ende des Landes versetzt. So verwundert es keineswegs, dass Han Han – selbst Rallyefahrer und -fanatiker – die Hauptfigur samt Freunden die Veränderung (und etliche Absurditäten) er-fahren lässt und dabei jede Menge existenzielle Fragen anreißt (»Where are you going to?« – »To the next place.«), so etwa Heimat und Heimatlosigkeit, Ideal versus Wirklichkeit, Anpassung und Aufbegehren. Die Hauptrollen sind besetzt mit den Stars Chen Bolin, Feng Shaofeng und Yuan Quan. Noch dazu schreibt sich der für seine Underground-Filme preisgekrönte Jia Zhangke, der soeben mit seinem neuen Film Mountains May Depart in Cannes brillierte, durch sein Gastspiel ein in die Riege von Regisseuren, die Cameo-Auftritte pfleg(t)en.
Eine intensiv die Gefühlswelt auslotende Reise in die jüngere Vergangenheit zeigt Zhang Yimou in seinem neuesten Film Coming Home (Sa., 30.05., 21:00 Uhr), der bei den Filmfestspielen von Cannes 2014 internationale Premiere hatte. Die Verfilmung des Romans »Der Kriminelle Lu Yanshi« der bekannten Autorin Yan Geling, mit der Zhan Yimou bereits mehrfach zusammenarbeitete, nimmt unter die Lupe, was mit Beziehungen und einer Familie geschehen kann, wenn die äußeren Gegebenheiten nicht gerade einfach sind. Ein Professor (dargestellt von Chen Daoming) flüchtet während der Kulturrevolution aus einem chinesischen Arbeitslager. Doch das Wiedersehen mit Frau (gespielt von Gong Li) und Tochter läuft nicht wie erhofft.
Visuelle, narrative oder psychologische Fluchten wie die vielfältigen Begegnungen auf Reisen, beeindruckende Landschaftssequenzen und Abstechern in die Vergangenheit werden ergänzt durch das Eintauchen in eine schwer zugängliche Welt. Den Blinden in dem bereits auf der Berlinale gezeigten Drama Blind Massage (So., 31.05., 21:00 Uhr) wird filmtechnisch eindrucksvoll eine nonvisuelle Welt zugänglich und nachfühlbar gemacht. Nicht zuletzt steht die romantische Liebe auf dem diesjährigen Spielplan.
Zu Tränen rühren zwei Megastars des chinesischen Films (Gao Yuanyuan und Nicholas Tse) als Liebespaar in But Always (Fr., 29.05., 18:30 Uhr), einer zwischen Peking 1979 und New York im Jahr 2001 aufgespannten Geschichte über das Vermögen der Liebe, allen Widrigkeiten zu trotzen. Die China Filmtage empfehlen, ein Taschentuch einzustecken.
Women Who Flirt (Sa., 30.05., 18:30 Uhr) von Regisseur Pang Ho-cheung erinnert allein schon aufgrund der Ausgangssituation an romantische Beziehungskomödien wie Die Hochzeit meines besten Freundes (1997): Frau stellt erst fest, dass sie in den besten Freund verliebt ist, als eine andere Dame ins Spiel kommt. Als da wäre eine Taiwanesin aus dem Zug. Worauf wir uns mit der weiblichen Hauptfigur und anderen Shanghaier Damen in chinesische Flirttechniken einarbeiten. Gespannt sein darf man nicht nur auf die Leistung der Protagonistin Zhou Xun in diesem Film, die spätestens seit der Verfilmung von David Mitchells Roman Cloud Atlas (2012) in der Rolle der Yoona 939 einem breiteren Publikum nicht mehr aus dem Kopf gehen dürfte.
China Filmtage – 27. bis 31. Mai 2015, Monopol Kino, Schleißheimer Str. 127, München. Eine Veranstaltung des Instituts für Sinologie der LMU München und des Konfuzius Instituts München.