28.05.2015

Ab durch die Mitte und mitten ins Herz

Subjektiv - Dokumentarfilm im 21. Jahrhundert
Roadmovie-Debüt von Peng Sanyuan mit Superstar Andy Lau: Lost and Love

Die dritten Münchner China-Filmtage: China on the road, mit Herz und Häppchen

Von Marianne Wagner

Pfings­t­ur­laub für eine ausge­dehnte China­reise zu kurz? – Nach dem Schwer­punkt »Martial Arts« im letzten Jahr entfalten die zum dritten Mal statt­fin­denden Münchner China Filmtage im Monopol Kino vom 27. bis 31. Mai 2015 ein Panorama des Reisens und Liebens im heutigen China für Zuhau­se­ge­blie­bene. Appe­tit­häpp­chen inklusive: Die Filmreihe startet mit einer kuli­na­ri­schen Doku­men­tar­reise quer durchs Land der Morgen­röte, der Serie A Bite of China (Mi., 27.05.15, 19:00 Uhr). Obwohl die China Filmtage keinen Genre­fokus im Titel tragen wie im Vorjahr, kris­tal­li­sieren sich beim Blick ins Programm gleich­wohl die um die Themen Reisen und Liebe krei­senden und sich mitunter auf unter­schied­liche Weise verbin­denden Genres heraus. Die Studenten und Dozenten des Instituts für Sinologie der LMU München in Koope­ra­tion mit dem Konfuzius-Institut haben dieses Jahr ausschließ­lich topak­tu­elle Produk­tionen aus dem chine­si­schen Film­schaffen der letzten beiden Jahre destil­liert, Werke, die zwar auf inter­na­tio­nalen Festivals gelaufen sind, jedoch noch nicht in deutschen Kinos.

Quer durch die Mitte des Reichs der Mitte, von Peking südwest­wärts nach Dali in Yunnan fährt ein frisch Geschie­dener und sein Kumpan in Ning Haos Breakup Buddies (Do., 28.05., 18:30 Uhr). Das Freun­desduo in dieser Mischung aus roman­ti­scher Komödie und Roadmovie ist das bereits bewährte Schau­spie­l­erduo aus einer anderen erfolg­rei­chen chine­si­schen Roadtrip-Komödie (Lost in Thailand, 2012). Filme dieser Art sind in China ein relativ neues Genre mit beträch­li­chem Box-Office-Potenzial. Bereits in No Man’s Land (2013), u. a. im Rennen um den Goldenen Bären auf der Berlinale 2014, verneigte sich Ning Hao vor Sergio Leone und schickte in Neo-Western-Manier einen Anwalt aus der Großstadt in die weite Wüste.

Den inter­na­tio­nalen Superstar Andy Lau kann man in einer unge­wohnten Rolle erleben, als einfachen Bauern im Debütfilm der Autorin und Regis­seurin Peng Sanyuan, Lost and Love (Do., 28.05., 21:00 Uhr), der auf einer wahren Bege­ben­heit basiert. Über ein Jahrzehnt lang suchte ein Vater auf den Straßen Chinas nach seinem einzigen Kind. Ein drama­ti­scher Roadtrip. Kindern in Not und auf der Straße (u. a. den Kindern von Wander­ar­bei­tern) widmet sich auch der mit dem Global Zoom Prize in Seattle ausge­zeich­nete, aus einzelnen Geschichten kompo­nierte Film One Day (So., 31.05., 18:30 Uhr).

Ein weiterer Debütfilm, The Continent (Fr., 29.05., 21:00 Uhr), stammt von dem Tausend­sassa und nicht zuletzt durch seine Publi­ka­tionen und Akti­vitäten als Blogger in China als enfant terrible geltenden Han Han. Ein junger Lehrer wird ans andere Ende des Landes versetzt. So verwun­dert es keines­wegs, dass Han Han – selbst Rallye­fahrer und -fanatiker – die Haupt­figur samt Freunden die Verän­de­rung (und etliche Absur­ditäten) er-fahren lässt und dabei jede Menge exis­ten­zi­elle Fragen anreißt (»Where are you going to?« – »To the next place.«), so etwa Heimat und Heimat­lo­sig­keit, Ideal versus Wirk­lich­keit, Anpassung und Aufbe­gehren. Die Haupt­rollen sind besetzt mit den Stars Chen Bolin, Feng Shaofeng und Yuan Quan. Noch dazu schreibt sich der für seine Under­ground-Filme preis­ge­krönte Jia Zhangke, der soeben mit seinem neuen Film Mountains May Depart in Cannes bril­lierte, durch sein Gastspiel ein in die Riege von Regis­seuren, die Cameo-Auftritte pfleg(t)en.

Eine intensiv die Gefühls­welt auslo­tende Reise in die jüngere Vergan­gen­heit zeigt Zhang Yimou in seinem neuesten Film Coming Home (Sa., 30.05., 21:00 Uhr), der bei den Film­fest­spielen von Cannes 2014 inter­na­tio­nale Premiere hatte. Die Verfil­mung des Romans »Der Krimi­nelle Lu Yanshi« der bekannten Autorin Yan Geling, mit der Zhan Yimou bereits mehrfach zusam­men­ar­bei­tete, nimmt unter die Lupe, was mit Bezie­hungen und einer Familie geschehen kann, wenn die äußeren Gege­ben­heiten nicht gerade einfach sind. Ein Professor (darge­stellt von Chen Daoming) flüchtet während der Kultur­re­vo­lu­tion aus einem chine­si­schen Arbeits­lager. Doch das Wieder­sehen mit Frau (gespielt von Gong Li) und Tochter läuft nicht wie erhofft.

Visuelle, narrative oder psycho­lo­gi­sche Fluchten wie die viel­fäl­tigen Begeg­nungen auf Reisen, beein­dru­ckende Land­schafts­se­quenzen und Abste­chern in die Vergan­gen­heit werden ergänzt durch das Eintau­chen in eine schwer zugäng­liche Welt. Den Blinden in dem bereits auf der Berlinale gezeigten Drama Blind Massage (So., 31.05., 21:00 Uhr) wird film­tech­nisch eindrucks­voll eine nonvi­su­elle Welt zugäng­lich und nach­fühlbar gemacht. Nicht zuletzt steht die roman­ti­sche Liebe auf dem dies­jäh­rigen Spielplan.

Zu Tränen rühren zwei Megastars des chine­si­schen Films (Gao Yuanyuan und Nicholas Tse) als Liebes­paar in But Always (Fr., 29.05., 18:30 Uhr), einer zwischen Peking 1979 und New York im Jahr 2001 aufge­spannten Geschichte über das Vermögen der Liebe, allen Widrig­keiten zu trotzen. Die China Filmtage empfehlen, ein Taschen­tuch einzu­ste­cken.

Women Who Flirt (Sa., 30.05., 18:30 Uhr) von Regisseur Pang Ho-cheung erinnert allein schon aufgrund der Ausgangs­si­tua­tion an roman­ti­sche Bezie­hungs­komö­dien wie Die Hochzeit meines besten Freundes (1997): Frau stellt erst fest, dass sie in den besten Freund verliebt ist, als eine andere Dame ins Spiel kommt. Als da wäre eine Taiwa­nesin aus dem Zug. Worauf wir uns mit der weib­li­chen Haupt­figur und anderen Shang­haier Damen in chine­si­sche Flirt­tech­niken einar­beiten. Gespannt sein darf man nicht nur auf die Leistung der Prot­ago­nistin Zhou Xun in diesem Film, die spätes­tens seit der Verfil­mung von David Mitchells Roman Cloud Atlas (2012) in der Rolle der Yoona 939 einem breiteren Publikum nicht mehr aus dem Kopf gehen dürfte.

China Filmtage – 27. bis 31. Mai 2015, Monopol Kino, Schleißheimer Str. 127, München. Eine Veran­stal­tung des Instituts für Sinologie der LMU München und des Konfuzius Instituts München.