Tanz auf dem Zuckerhut |
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Im Goldrausch: Serra Pelada von Heitor Dhalia eröffnet die Schau des brasilianischen Films |
Von Dunja Bialas
Brasilien ist eine einzige Einladung zum Eskapismus. Salsa, Karneval, Fußballgötter, der Zuckerhut und Rio de Janeiro sind Baudelaire'sche Sprungbretter zu exotischen Träumereien. Bevor die Fußball-WM vor zwei Jahren nach Brasilien kam, war auch noch das Strandleben von Rio legendär, die Favelas auf den Hügeln ein undurchsichtiger Großstadtdschungel, in den sich kaum ein Fremder wagte und in dem fast unbemerkt von der Öffentlichkeit eine ganze Generation der Dealer und Bandenführer groß wurde. Die brasilianische Regierung ließ hier vor dem sportlichen Event gründlich aufräumen: die Strände haben ihre Lässigkeit und Freizügigkeit verloren, die Favelas wurden – unter dem extremen Widerstand der Bevölkerung – befriedet, zumindest für eine Weile, bis nach den Olympischen Sommerspielen zumindest, die im August in Rio de Janeiro stattfinden.
Seit Ende Januar tourt das 10. Brasilianische Filmfestival »Cinebrasil« durch Deutschland, und macht nach Stationen in den wichtigsten Kinostädten Leipzig und Köln und vor Freiburg, Berlin, Frankfurt, Hamburg und Bonn nun auch vier Tage Halt in München. Das Projekt der Berliner Filmproduktionsfirma »Cinema negro«, die afro-brasilianisches Kino in Deutschland im interkulturellen Sinne und im Hinblick auf die existierende afro-deutsche Kultur bekannt machen will, hat acht brasilianische Produktionen der letzten drei Jahre versammelt. Diese werden in München nun im Rahmen der 6. Brasilianische Filmschau »Mostra Brasil« vorgestellt.
Brasilien hat als letztes südamerikanische Land, erst 125 Jahre oder noch nicht einmal vier Generationen ist dies her, die Sklaverei abgeschafft. Mit deren Nachwirkungen befasst sich das Biopic O Senhor do Labirinto (Der Herr des Labyrinths) über den Brasilianischen Künstler Arthur Bispo do Rosário, der 1909 als Sohn ehemaliger afrikanischer Sklaven geboren wurde. Von Halluzinationen verfolgt, verbrachte er sein Leben in der Hölle der psychiatrischen Institutionen von Rio de Janeiro, wo er ein außergewöhnliches Werk aus urbanem Abfall schuf. O Senhor do Labirinto ist der zweite Film des brasilianischen Filmemachers Geraldo Motto und könnte als eine Art unkitischiger Gegenentwurf zu Wim Wenders Das Salz der Erde durchgehen.
Sehr zugute halten muss man »Cinebrasil«, tatsächlich Filme von brasilianischen Regisseuren zu zeigen und somit Brasilien als Filmland mit eigener Stimme vorzustellen. Das ist bei derartigen Länderfestivals leider gar nicht so selbstverständlich. So findet sich in dem Programm keine einzige europäisch-brasilianische Co-Produktion, was für die Initiatoren auch ein Risiko bedeutet, da so die für »westliche« Augen produzierten Filme ausgeschlossen bleiben. Dies macht die Reihe umso interessanter. Bekannte Namen oder gefällige Themen wird man bei der »Cinebrasil« daher kaum finden. Die höchste Popularität verspricht noch der Dokumentarfilm Cidade de Deus: 10 Anos Depois, der nachforscht, was aus den Laiendarstellern aus City of God geworden ist. Auf den Welterfolg von 2002 folgte Ernüchterung, nicht nur bei den brasilianischen Regisseuren Kátia Lund und Fernando Meirelles. Die Laiendarsteller, denen City of God ein schmutzig-verführerisches Denkmal setzte, haben ihr Leben als unauffälliges Dasein fortgesetzt – von ein paar Kleinkriminellen mal abgesehen und den wenigen, die versuchten, in der Filmbranche Fuß zu fassen. Der Film von Luciano Vidigal und Cavi Borges ist eine nüchterne, teils auch ernüchternde Bestandsaufnahme auch darüber, was Filmprojekte bewirken können. Oder auch nicht.
Brasilien und Tanz, das gehört unbedingt zusammen. Um Filme de Dança der Regisseurin Carmen Luz widmet sich der neben dem Fußball wohl wichtigsten Leidenschaft des Landes. Ihr Dokumentarfilm ist eine Hommage an die Einflüsse der Schwarzen auf die Tänze und Choreographien des Landes und zeigt eine Geschichte des schwarzen Körpers frei von europäsischen Einflüssen.
Einer der brasilianischen Träume ist es, über die Bodenschätze zu Reichtum zu gelangen. Immer wieder kommt es zum kollketiven Goldrausch, wie zuletzt 2007, als der »Spiegel« titelte: Rausch am Rio Juma: Tausende Brasilianer drängen zum Gold-Fluss im Regenwald. Serra Pelada (Bald Mountain), mit dem die Mostra Brasil beginnt, geht zurück in die 1980er Jahre, in den größten Tagebau der Neuzeit. Der Film des großen braslianischen Regisseurs Heitor Dhalia erzählt das Zerwürfnis einer Freundschaft, die über Gold, Gier und Gewalt zerbricht. (Fr., 20.02., 20:30 Uhr, Vortragssaal der Bibliothek im Gasteig.)
10. Cinebrasil / 6. Mostra Brasil, 20.-24.02.2015, München, Vortragssaal der Bibliothek im Gasteig