26.03.2009

Bier aus Kaffeetassen

John Cook
Underdoxig:
John Cook am Kaffeetisch

Zur Underdox-Halbzeit am 26.3. im Filmmuseum München

Von Dunja Bialas

»Ich dachte damals, dass Doku­men­tar­filme aussehen sollten wie Spiel­filme und Spiel­filme genauso ein Gefühl für die Realität vermit­teln müssten wie gute Doku­men­tar­filme.« – John Cook

Das seit drei Jahren in München bestehende Indie-Festival UNDERDOX, das sich Filme zwischen Dokument und Expe­ri­ment vorge­nommen hat, feiert am heutigen Donnerstag »Halbzeit«. Präsen­tiert werden zwei Filme des kanadisch-öster­rei­chi­schen Regis­seurs und Mode­fo­to­grafen John Cook, der in den 1970er Jahren als Vertreter des Free Cinema Wien unsicher gemacht hat. Beide Filme, Ich schaff’s einfach nimmer (1973) und Langsamer Sommer (1976) werden als Stücke aus dem »Lost & Found«-Fundus gezeigt, sind aus dem Bewusst­sein verloren gegangene und jetzt wieder­ent­deckte Filme. John Cook ist ein Regisseur, der gerade auch von den großen Festivals entdeckt wird; eine ihm gewidmete Werkschau lief auf der dies­jäh­rigen Berlinale.

John Cook kam als Außen­seiter in das Wien der 70er Jahre. Er war Mode­fo­to­graf, der kaum des Öster­rei­chi­schen mächtig war, und bewegte sich in einer schmelz­ti­gel­ar­tigen Mischung von Bohème und Prole­ta­riat. Seine Filme sind lebendige Zeugnisse einer Zeit, in der sich das Kino befreite. Zeit­gleich mit John Cass­avettes, Shirley Clarke, Jean Eustache oder Eric Rohmer fand auch John Cook in seinen Filmen zu neuen Erzäh­lungen und Formen­spra­chen.

Mit seinem ersten doku­men­ta­ri­schen Film Ich schaff’s einfach nimmer (1973) konnte er den damaligen Leiter des Öster­rei­chi­schen Film­mu­seum, Peter Konlechner so begeis­tern, dass er ihn zu weiteren Filmen ermutigte und die nach­fol­genden Werke als Premiere in seinem Haus aufführte. Ich schaff’s einfach nimmer doku­men­tiert das Leben eines sehr unglei­chen Paars, von Petrus, dem Möch­te­gern-Profi­boxer, und seiner doppelt so alten Frau Gisi, die sich als Haus­ber­sor­gerin in einem vornehmen Wiener Viertel verdingt. Cook, der damals noch neu und fremd in Wien war, hat in diesem Film das Leben der Menschen einge­fangen, die ihm im Alltag begegnet waren und lässt in seinem Film ein Wien der Prole­ta­rier, Lebens­künstler, Verrückten und Verzwei­felten entstehen.

Langsamer Sommer (1976) verlässt den rein doku­men­ta­ri­schen Blick auf eine vorge­funden Wirk­lich­keit und begibt sich in die doku­men­ta­ri­sche Insze­nie­rung. In einer sommer­leichten Erzählung porträ­tiert Cook den Hang-Out einer Gruppe von jungen Bohèmes, die sich in Wien mit Apho­rismen und schönen Models die Zeit vertreiben. John Cook spielt in diesem Film den Mode­fo­to­grafen John, Michael Pilz, der Produzent des Films, den Apho­rismen dich­tenden Michael. Langsamer Sommer ist ein Film, in dem die Wirk­lich­keit sich selbst spielt, und sich immer wieder neu erfindet. Sei es als Film-im-Film, sei es durch gefundene und wieder verwor­fene Leben­s­ein­sichten. Und nebenbei kann man erfühlen, wie wichtig es bisweilen sein kann, sein Bier aus einer Kaffee­tasse zu trinken.

Zwischen den Filmen trifft Olaf Möller, UNDERDOX-Kurator und Co-Heraus­geber der »John Cook«-Mongrafie*, auf Michael Pilz, einem Wegge­fährten von John Cook. Dieser hat Langsamer Sommer produ­ziert und tritt im Film als Apho­ris­men­dichter auf. Das Gespräch wird gehen über den Aufbruch zu Zeiten des Free Cinema, die Entde­ckung des Filme­ma­chens, das Scheitern, die Wieder­be­le­bung.

Dunja Bialas

* Michael Omasta, Olaf Möller (Hg.): John Cook. Viennese by Choice, Filme­ma­cher von Beruf. Film­mu­se­u­mSy­ne­maPu­bli­ka­tionen, Wien 2006

Die Autorin ist Leiterin von UNDERDOX, zusammen mit Bernd Brehmer.