Auf der Suche nach dem Underdox |
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»Finissage« mit ungarischem Magenbitter | ||
(Foto: privat) |
Von Nani Fux
Trotzdem: Über ein Festival schreiben, das man verpasst hat – das passt irgendwie zu Underdox, beschließe ich. Quasi: Fake Festivalberichterstattung.
Auf Spurensuche nach dem Underdoxen in der Münchner Trinkhalle. Hier hocken sie, die Festivalveteranen, trinken zum Auskehr deutschen Sekt und ein Getränk, das Unicum heißt, ein ungarischer Magenbitter ist und auch so schmeckt. Auf den Leuchttischen glühen Bierflaschen. Nimmt man mit underdox-geschärftem Blick die Realität anders wahr?
Was ist anders an Underdox, frage ich tollkühn. Gaaanz falsche Frage, sagt Dunja Biallas, Festivalkuratorin, und mit der Autorin hoffentlich noch immer befreundet. Natürlich: Alles ist anders an Underdox.
Die Frage des Abends heißt vielmehr: Who’s done it? Gemeint ist: Wer hat sich das philippinische Familienchronikdokumentarepos The Evolution of a Filipino Family von zehn Stunden plus in ganzer Länge und Breite angeschaut? In der Ecke sitzt bescheiden einer, der hat. Quasi: Held des Abends. Man hätte T-Shirts verteilen sollen. Mit »I've done it« oder »I've done it half«. Je nach dem. Die philippinischen Festivalgäste haben den Film in der ersten Pause verlassen, munkelt man. Vielleicht dachten sie, nach schnöden dreieinhalb Weicheierstunden ist er schon aus. Dafür gibt’s natürlich kein Shirt, nicht mal ein halbes.
Ich frag den Helden, wie man das schafft. Überhaupt kein Problem, sagt er lässig. Spannungsbogen 643 Minuten. Genauer: 643 Minuten im Werkstattkino. Ich finde: Großtat. Mein Held des Abends erzählt, dass er den Film in Rotterdam schon sehen wollte, aber das ging aber nicht wegen: Rückfahrkarte. Und dann steht er auf und geht heim, weil es auch in München letzte Züge gibt.
Rüdiger S. gibt sich die Ehre. Er hat das Festival auch verpasst. Wir: Zwei Außenseiter am Tresen. Eindeutig: Underdogs.
Wofür brauchen wir Underdox, frage ich irgendwann mit leiser Verzweiflung einen fleißigen Festivalgänger, der mit einer Punktzahl von acht Filmen aufwarten kann, wenn man die halb gesehenen mitrechnet. Er schaut mich an wie ein Insekt.
Mehr Sekt, mehr Magenbitter – das macht es auch nicht leichter, den Dingen auf den Grund zu gehen. Auf den Tischen welken Rosen in rauchgeschwängerter Luft. Underdox bedeutet auch, die Dinge auf den Kopf zu stellen, sagt Festivalorganisator Bernd Brehmer schließlich mitleidig aber kryptisch zu mir.
Um drei Uhr morgens geh ich heim, den Kopf voller Filme, die ich nicht gesehen habe. Experiment gescheitert. Einziger Trost: Nächstes Jahr ist wieder Underdox.