Kinos in München – Eldorado
Eldorado – Das Münchner Kino mit Kult-Potenzial |
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Auf ins gelobte Eldorado! |
Mit freundlicher Unterstützung durch das Kulturreferat München
Filme werden fürs Kino gemacht, hieß es mal in einer Kampagne. Weil dies im Zeitalter von DVD und erhöhten Kinomieten mehr denn je keine Selbstverständlichkeit mehr ist, stellen wir hier besondere Kinos in München vor, die unbedingt einen Besuch wert sind.
Von Dunja Bialas & Ingrid Weidner
Eigentlich ist es das perfekte Kino für Cineasten. Nicht weit vom Stachus auf der Innenstadtseite der Sonnenstraße gelegen, versteckt sich das Eldorado jedoch im Schatten einer Passage, die Leuchtreklame zur Straßenseite hin verliert sich in den Lichtern der Großstadt. Hat man die Passage erst gefunden, dann weist ein Aushang mit Kinoplakaten den Weg. Die Kasse befindet sich hinter einer Glasscheibe, was wahlweise an eine Behördenpforte oder an ein Schausteller-Kassenhäuschen erinnert. Kommuniziert wird durch die typische Amtssprechscheibe, dabei genügt es, die Anzahl der gewünschten Karten zu sagen. Eine Nennung des Filmtitels ist nicht notwendig, denn das Eldorado hat nur einen Saal. Nach dem Ordern des Tickets legt man das Geld wie im Kreisverwaltungsreferat beim Bezahlen einer Gebühr in eine Schublade. Der Obolus ist entrichtet.
Das Vergnügen beginnt eine Etage tiefer. Die Besucher gelangen über eine steile Marmor-Treppe in ein kleines, aber geschmackvolles Foyer. Spiegel vergrößern die Räumlichkeiten optisch, und eine schmale Sesselbank sorgt für minimalen Komfort im Ambiente aus grünem Marmor und dunklem, glänzendem Holz.
Ein Kiosk versorgt die Besucher mit Getränken, Süßigkeiten und Knabbereien. Erfreulicherweise fehlt das Popcorn.
Die eigentliche Sensation ist der Kinosaal, in den man durch eine Flügeltür gelangt. Weitgreifende, äußerst bequeme, blaugrüne Sessel, auf die mit Silberfaden kleine Sitznummern gestickt wurden, warten auf die Besucher: das Mobiliar orientiert sich an den Kino-Tempeln in Cannes. Die Leinwand ist wandgroß, und die abfallende Anordnung der Sitzreihen wie in den Multiplexen garantiert den unverstellten Blick auf das Geschehen. Und noch einen Vorteil bietet die luxuriöse Ausstattung – es gibt kein Gerangel mit dem Sitznachbarn um die Armlehne, denn dieser Kinosaal spielt ganz klar in der Liga der großzügigen und ultrakomfortablen Kino-Lounges. Ohne Aufpreis!
Das Eldorado, dieses versteckte Kinoparadies, richteten Steffen und Thomas Kuchenreuther 1970 ein. Damals umfasste der Kinosaal im Untergeschoss noch 295 Plätze. Allerdings entschieden sich die Kinobetreiber 1995 zum Verkauf. Sie betrieben neben den Kinos an der Münchner Freiheit ab 1978 auch noch das Fantasia und das Odyssee, von der Sonnenstraße einen Steinwurf entfernt in der Schwanthalerstraße gelegen. Seither gehört das Eldorado zu den City-Kinos, deren Haupthaus auf der gegenüberliegenden Seite der Sonnenstraße angesiedelt ist. Betreiber ist der Berliner Arthouse-Mogul Georg Kloster, Geschäftsführer von zwanzig Kinos, darunter so renommierte Berliner Häuser wie der Delphi Filmpalast, das Kino International oder das Cinéma Paris. Kloster stattete das Eldorado mit THX-Soundsystem aus und reduzierte die Plätze auf 185.
Der Berliner hat die Kinoverantwortung den Theaterleitern Bruno Börger und Holger Trapp übertragen, die sich um die City-Kinos, also City, Atelier und Eldorado, kümmern. Börger ist seit zwölf Jahren dabei, das Kino ein wichtiger Teil seines Lebens. Als wir ihn treffen, bringt er seine Einkaufstasche mit ins Café, legt ein Netz Zwiebeln vor sich auf den Tisch. Dafür war kein Platz mehr in seiner Einkaufstüte. »Ich habe mein Büro im Kino und bin deshalb immer da«, sagt er, und sein Blick verrät Begeisterung und Verzweiflung zugleich. Wenn ein Mitarbeiter ausfällt, verkauft er auch mal Tickets oder wechselt die Kinoplakate. Kinomachen bedeutet für ihn auch Filmleidenschaft, auch wenn er selbst nur noch wenige Streifen in seinen eigenen Kinos ansehen kann, dazu fehle ihm schlicht die Zeit. Kinomachen ist Profession, zum Filmegucken fährt er auf messeartige Screening-Tage. Er muss immer darüber auf dem Laufenden sein, was der Markt bietet, und gleichzeitig neue Ideen für die City-Kinos entwickeln. Denn allein des Geldes wegen betreibe heute niemand mehr ein Arthouse-Kino, davon ist der Theaterleiter überzeugt: »Kino machen geht nur mit Herzblut. Wer wirtschaftlich erfolgreich sein will, sollte sich was anderes suchen.« Doch auch Kinobetreiber bräuchten Erfolg, sonst können sie sich ihre Kunst nicht mehr leisten.
Dass vor ein paar Jahren das Atlantis geschlossen wurde, hatte allerdings nichts mit dem mangelndem Erfolg des beliebten OmU-Kinos zu tun. Wegen der anstehenden Digitalisierung, und weil das Kino doch schon arg in die Jahre gekommen war, wurde es aus der langen Liste der Kloster-Kinos gestrichen.
Börger mag das Eldorado und seinen besonderen Charme, doch unserem Vorschlag, es zum neuen OmU-Kino zu machen, verpasst er eine höfliche, aber bestimmte Absage. »Eine Leinwand ist zu wenig, um dort nur Originalfassungen anzubieten, das Atlantis hatte zwei Säle. Deshalb zeigen wir diese Filme verstärkt in den City-Kinos. Dort haben wir mehrere Säle in unterschiedlichen Größen«, wehrt er ab. Nicht einmal als Premierenkino würde es sich eignen, sagt er, als wir ihn auf den eleganten Charakter des Eldorado ansprechen: »Es gibt kein Foyer dort, deshalb können wir leider keine Sonderveranstaltungen anbieten.«
Minimalistische Eleganz: die Sitzbank im Foyer
Das Filmangebot des Eldorado richte sich an die bürgerliche Mitte, erklärt er uns, besonders die Nachmittagsvorstellungen besuchten häufig Kinogänger, die zur Zielgruppe 60 plus zählen, darunter vor allem viele Zuschauerinnen. Eine Art Theatiner am Stachus also, für Freunde von Synchronfassungen. Die wünschten sich Arthouse-Filme mit Herz, Schmerz und Anspruch, Brot und Tulpen sei der erfolgreichste Eldorado-Film gewesen, so Börger.
Irgendwie werden wir den Gedanken nicht los, dass das Eldorado ein Kino mit echtem Kultpotenzial ist. Die Lage an der Feiermeile erscheint geradezu ideal, junge Leute anzuziehen; einst war die Sonnenstraße von den Stadtplanern auch als Boulevard konzipiert worden. Die Zeiten sind definitiv vorbei, als die Sonnenstraße noch Zubringer zum verkehrsstärksten Platz Europas, dem Stachus, war, und sich zu einer doch etwas fragwürdigen Seitenader der Kaufingerstraße mit Möbel-, Gesundheitshäusern, Instrumententempel und Tanzschule entwickelte. Die Adresse auf der Innenstadtseite ist begehrt, hier haben sich das Goethe-Institut und die Münchner Filmwochen GmbH angesiedelt. Kürzlich forderte der Verkehrsclub Deutschland (VCD), sogenannte »Fußgängermagistralen« zu schaffen. Das Konzept sieht vor, eine Hälfte der Sonnenstraße in eine verkehrsberuhigte Zone mit mehr Grün und Platz für Fußgänger zu verwandeln. Wenn die Sonnenstraße auch tagsüber mehr Flair hätte, käme das auch dem Eldorado zu Gute.
Auch wenn dies noch in weiter Ferne liegt, ist heute schon Leben in die Meile gekommen, die nun auch abends bis spät in die Nacht von einem jungen, feierwilligen Publikum bevölkert wird. Mit einem Konzert, bei dem vom Atlantis-Kino Abschied genommen wurde, hat es das Eldorado bereits einmal vorgemacht: wie sich die Münchner Cineasten- und Musik-Szene zusammenfinden kann.
Man sollte nach vorne denken, denn die steilen Stufen hinunter ins Kino könnten für das zunehmend ältere Publikum schon bald zum Handicap werden, einen Aufzug gibt es nicht. Vielleicht wäre ein attraktives Angebot für eine jüngere Zielgruppe doch eine schöne Alternative? Doch Börger bleibt skeptisch gegenüber dem OmU-Kino. 185 Plätze für englische Filme mit Untertitel seien nicht ausreichend, meint er, für die Nachverwertung sei es wiederum zu groß.
In homöopathischen Dosen über das Jahr verteilt zeigt das Eldorado durchaus aktuelle Filmperlen im Original mit Untertitel. Wir haben uns beispielsweise in diesem Jahr Woman in Gold, Slow West oder A Perfect Day dort angesehen und waren begeistert. Auch Menschen über sechzig mögen Originalfassungen, wie wir dabei feststellen konnten. Wenn Börger dort nicht den neuen James Bond zeigen will, dann verstehen wir das natürlich.
Schon der Name »Eldorado« klingt verlockend nach Western und Goldgräberstimmung und bezeichnet das sagenhafte Goldland in Südamerika
Nachdem vor Jahren also eines unserer cineastischen Wohnzimmer – das Atlantis – für immer seine Türen schloss, wäre das Eldorado eine echte Pilgerstätte für Filme mit Untertitel. Da jetzt Weihnachten ist und das neue Jahr kommt, wäre es an der Zeit, sich jetzt einfach mal etwas zu wünschen. Wir schicken schöne Grüße an Herrn Kloster nach Berlin und hätten gerne mehr OmU-Filme im Eldorado, bitte.
Und da wir gerade beim Wünschen sind: bitte, lieber Herr Kloster, zeigen Sie doch auch japanische oder türkische Film im Original mit Untertiteln, im Eldorado oder von uns aus auch im City oder Atelier. Die Cineasten der Stadt werden es Ihnen danken!