16.10.2015
Cinema Moralia – Folge 117

Angst vor Trans­pa­renz?

Björn Böhning
Björn Böhning – der Feind einer ganzen Generation zukünftiger Filmemacher?
(Foto: Landesarchiv Berlin)

Soll ein anderenorts Gescheiterter DFFB-Direktor werden? Wie versucht wird, die DFFB-Nachfolgefrage aus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu ziehen, und wie sich die Politik immer wieder neu blamiert – eine Erinnerung aus gegebenem Anlass – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 117. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Was ist jetzt eigent­lich an der DFFB los? Drei Wochen ist es jetzt schon wieder her, dass sich fünf Kandi­daten für den Direk­to­ren­posten den Dozenten, Studenten und der offi­zi­ellen Findungs­kom­mis­sion der Berliner Film­schule vorge­stellt hatten. Und jetzt? Was ist passiert? Öffent­lich herrscht Schweigen im Walde, weder der zustän­dige Senat noch die DFFB-Offi­zi­ellen lassen von sich hören. Bisher war die Geschichte der Neube­set­zung des Direk­to­ren­pos­tens eine peinliche Anein­an­der­rei­hung von Fehl­leis­tungen und Fehlein­schät­zungen, von Gemau­schel und Gekungel. Nun scheint alles auch zu einem Lehrstück in Intrans­pa­renz zu werden.
Zudem kommen jetzt neue Infor­ma­tionen zu zwei Direk­to­ren­kan­di­daten ans Licht.

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Der Reihe nach. Fakt ist erstens: Proteste der Studenten verhin­derten die vom Senat beab­sich­tigte Berufung des völlig unbe­kannten Julian Pösler im Dezember 2014.
Fakt ist zweitens: Ein – nicht vom Bewerber – vorda­tiertes, also mani­pu­liertes Bewer­bungs­pa­pier führte zum Rückzug der Bewerbung des vom Kura­to­rium wiederum gegen den Willen der über­wie­genden Mehrheit von Studenten und Dozenten der DFFB favo­ri­sierten Produ­zenten Ralph Schwingel.
Fakt ist drittens: die von Teilen des Kura­to­riums abge­lehnte Bewer­berin Sophie Main­ti­gneux hat erfolg­reich gegen Verfah­ren­fehler durch den Senat geklagt.
Fakt ist viertens: Die Unfähig­keit des Senats trotz zahl­rei­cher Kompro­miss­an­ge­bote dieses Verfahren zu verhin­dern führte zu der – erfreu­li­chen – Tatsache, dass ein deutsches Gericht rechts­gültig fest­ge­stellt, dass das Grund­ge­setz auch für die DFFB gilt, dass diese wie jede andere Hoch­schule zu behandeln sei, auch wenn es sich um eine privat­recht­lich orga­ni­sierte GmbH handelt, und das es geheime Verfahren mit aus dem Hut gezau­berten Kandi­daten nicht geben darf. Damit hat man den Senat auf Kriterien und Trans­pa­renz fest­ge­legt, die er bisher betont nicht anlegen wollte.
Bisher war an der DFFB alles erlaubt, solange keiner klagte. Bisher war die Besetzung des Kura­to­riums kein öffent­li­ches Thema. Bisher waren im Gesell­schafts­ver­trag der DFFB keine Verfahren fest­ge­legt.

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Fakt ist weiter: Das Beset­zungs­ver­fahren wurde im Sommer wieder aufge­rollt, nachdem es zu einer Verein­ba­rung über das Verfahren zwischen Studenten, Dozenten und Senat kam,. Diese Verein­ba­rung ist nahezu komplett aus der Öffent­lich­keit verschwunden. Sie findet sich auf keiner offi­zi­ellen Website von Senat oder DFFB mehr, obwohl sie doch die – auch juris­ti­sche Grundlage – ist. Obwohl sie auch den Mitglie­dern der Findungs­kom­mis­sion und dem Kura­to­rium vorliegt. Das kann man nicht mehr wohl­wol­lend inter­pre­tieren, sondern nur so, dass offenbar ein Interesse daran besteht, die Beschlüsse vergessen zu machen.
Aber längst sollte zumindest dem Netz­pol­tiker Böhning doch klar sein, dass das Netz nichts vergisst. Schon gar nichts von der DFFB.

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Es heißt zum Auswahl­ver­fahren – nach Bildung einer Findungs­kom­mis­sion, Erstel­lung einer Short-List von maximal fünf Bewerbern und deren persön­liche Vorstel­lung vor der Akade­mieöf­fent­lich­keit (Studie­rende, Dozenten und Beschäf­tigte der DFFB) sowie dem Kura­to­rium (Vorstel­lungs­vor­le­sung). Danach führt die Findungs­kom­mis­sion mit den Bewerbern Einzel­ge­spräche.
4 Die Findungs­kom­mis­sion erstellt mit der Mehrheit ihrer Stimmen für das Kura­to­rium einen Entschei­dungs­vor­schlag, der aus einer Person besteht.
Jedes Mitglied der Findungs­kom­mis­sion hat 1 Stimme.
5 Das Kura­to­rium beschließt über die Berufung als Geschäfts­führer/Direktor auf Basis des Entschei­dungs­vor­schlages. Je ein Vertreter der Studie­renden und der Dozenten sind (wie bisher) in der Sitzung anwesend (ohne Stimm-, aber mit Rederecht). Folgt das Kura­to­rium dem Entschei­dungs­vor­schlag nicht, geht das Verfahren zurück an die Findungs­kom­mis­sion.

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Am heutigen Freitag dann wurde es offiziell: In einer an die »Liebe Kolle­ginnen und Kollegen« adres­sierten Pres­se­mit­tei­lung verkün­dete die DFFB – nicht der Senat, nicht das Kura­to­rium – per Pres­se­agentur: »nach ausgie­bigen Diskus­sionen mit allen Betei­ligten der Akademie wurde zwischen Senats­kanzlei und Studie­renden der dffb ein trans­pa­rentes Verfahren zur Findung einer neuen Direktion fest­ge­legt. Mit Ben Gibson wurde in diesem Prozess eine heraus­ra­gende Persön­lich­keit des europäi­schen Film­schaf­fens gefunden, die der Bedeutung der dffb für Berlin und für das deutsche Film­schaffen ange­messen ist. Wir erwarten, mit dem neuen Direktor die spezi­ellen Möglich­keiten der dffb als Akademie weiter zu entfalten und ihr Profil zu schärfen. Herzlich will­kommen in Berlin und an der dffb, Ben Gibson!«

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Na Servus! Ohne Vertrag und ohne Berufung durch das Kura­to­rium, ist diese Mittei­lung schon deshalb ein gewagter Schritt, weil hier einem nötigen Beschluss des Kura­to­riums vorge­griffen wird. Nochmal Punkt 5 des Verfah­rens: »Das Kura­to­rium beschließt über die Berufung als Geschäfts­führer/Direktor auf Basis des Entschei­dungs­vor­schlages. Je ein Vertreter der Studie­renden und der Dozenten sind (wie bisher) in der Sitzung anwesend (ohne Stimm-, aber mit Rederecht).«
Einen solchen Beschluss gibt es noch nicht. Laut Verfahren müssen (!) die Studenten und Dozenten Rederecht haben, eine solche Sitzung gab es aber nicht. Da könnte also wieder geklagt werden.

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Denn Ben Gibson ist keines­wegs unum­stritten. Zumindest auf dem Papier ist der 57-jährige Gibson, der in den 80er und 90er Jahren als Produzent gear­beitet hatte, zwar eine gute Wahl. 14 Jahre lang stand der Kumpel des vorzeitig gegan­genen früheren DFFB-Direktors Jan Schütte der pres­ti­ge­träch­tigen London Film School vor, bevor er sie 2014 über­ra­schend verließ und an einer Film­schule in Austra­lien anheuerte, die er nach nur sieben Monaten wieder verließ, bevor er sich im Sommer in Berlin bewarb. Von Schwie­rig­keiten mit der Beleg­schaft und einge­ses­senen Dozenten ist in London die Rede. Anfang August wurde nun bekannt, dass sich der Haushalt der LFS seit einiger Zeit in einer schweren Schief­lage befindet, so schwer, dass der seit vielen Jahren geplante Umzug ins »Barbican Arts Center« abgesagt werden musste. Manche in London werfen dem Ex-Direktor Miss­wirt­schaft vor. Liegen hier die Gründe für Gibsons plötz­li­chen Rückzug? Dies wäre auch für die DFFB von Belang.
Die vom Senat veröf­fent­lichte Stel­len­aus­schrei­bung, die nach wie vor auf der Website des Senats nach­zu­lesen ist, lohnt insofern ein genauerer Blick. Dort ist unter anderem davon die Rede, dass eine neue Direk­torin/ ein neuer Direktor »Fähig­keiten zur unter­neh­me­ri­schen Leitung einer kultu­rellen Insti­tu­tion und/oder Erfah­rungen im wirt­schaft­li­chen Führen einer GmbH« nach­weisen müsse. Diese seien »von beson­derer Bedeutung«. Und weiter: »Die zu beset­zende Position verlangt neben Führungs­qua­li­täten eine besondere Kommu­ni­ka­tions-, Team- und Manage­ment­fähig­keit.«
Offenes Geheimnis ist auch, dass man sich vom neuen DFFB-Direktor erhofft, Sponsoren und Indus­trie­gelder anzu­werben.

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Zumindest die DFFB-Studenten lehnen Gibson auch aus künst­le­ri­schen Gründen ab, und verweisen auf die Unter­schiede zwischen der LFS und der Tradition der DFFB als einer Kunst­aka­demie, die sich von den anderen Film­hoch­schulen und Industrie-Schmieden in Deutsch­land in vielem unter­scheide. Gibson hatte sich Mitte September mit vier anderen Kandi­daten einer von der pari­tä­tisch besetzten Findungs­kom­mis­sion zusam­men­ge­stellten »Short-List« an der DFFB in einem Bewer­bungs­vor­trag und Einzel­ge­sprächen vorge­stellt. Nach der Veran­stal­tung hätte es laut Verfahren eigent­lich einen gemein­samen Vorschlag der Findungs­kom­mis­sion geben sollen. Das zog sich aber in die Länge, offenbar, weil lange Zeit die drei DFFB-Vertreter gegen die Vertreter des Kura­to­riums standen, unter denen keine aktiven Filme­ma­cher sind. Dann wechselte die Dozen­ten­ver­tre­terin Katalin Gödrös die Seiten und ermög­lichte damit, Gibson vorzu­schlagen.
Die Studen­ten­schaft favo­ri­siert weiterhin den unga­ri­schen Regisseur Bela Tarr (Das Turiner Pferd), der auch Vorsit­zender der unga­ri­schen Filme­ma­cher-Verei­ni­gung ist und sich in den letzten Jahren in seiner Heimat gegen die rechts­po­pu­lis­ti­sche Orban-Regierung für Menschen­rechte und Pres­se­frei­heit engagiert hatte. Tarr war jahrelang Regie­do­zent an der DFFB, bevor Ex-Direktor Jan Schütte den unge­liebten Konkur­renten von der Schule entfernte.
Was spricht eigent­lich gegen Tarrs Berufung? Der in der Filmszene unab­hängig von Geschmacks­fragen ungemein ange­se­hene Ungar wäre eine aufse­hen­er­re­gende Wahl, die sofort der DFFB viel inter­na­tio­nale Aufmerk­sam­keit garan­tieren, sie für Dozenten wie Studenten enorm attraktiv machen würde.

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Woran liegt es, dass sich die Suche nach einem neuen Direktor für die DFFB auch ein Jahr nach dem nicht weiter beklagten Abgang von Jan Schütte als weiterhin sehr schwierig gestaltet. Das liegt nicht an den Studenten, sondern am verant­wort­li­chen Senat, dem Regie­renden Bürger­meister Müller und nament­lich dem noch von Müllers Vorgänger Wowereit instal­lierten Leiter der Senats­kanzlei Björn Böhning. Der versucht seit Monaten, einen Teil der satzungs­ge­mäßen Gremien auszu­schalten. Man muss die Absicht dahinter so inter­pre­tieren, als gehe es darum, die DFFB über einen der Politik und der Stadt­re­gie­rung gefäl­ligen Direktor zu instal­lieren, und aus der DFFB eine strom­li­ni­en­för­mige 08/15-Hoch­schule zu machen. Hätte sich die Politik in den letzten Jahren nämlich aus der DFFB heraus­ge­halten, wäre dort schon lange Ruhe. Dozenten und Studenten wären in der Pflicht, gute Arbeit zu machen.

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Es sind nicht primär sinistre Pläne, sondern die schiere Inkom­pe­tenz des Senats, nament­lich Böhnings, in filmi­schen Fragen, die auch von manchen Betei­ligten im Gespräch offen beklagt wird. Zudem ist die Zusam­men­set­zung des Podiums proble­ma­tisch bzw. zu über­prüfen. Der 77-jährige Eberhard Junkers­dorff, einst verdienter Schlön­dorff-Produzent, der auch in der Findungs­kom­mis­sion war, hat seit zwei Jahr­zehnten mit jungen Filme­ma­chern nichts mehr zu tun. Und die Übrigen sind meist Fern­seh­ver­treter oder -Produ­zenten, die selten mit dem Nachwuchs arbeiten.

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Steht die DFFB vor der Entschei­dung in der Direk­to­ren­frage? Die entschei­dende Frage ist, was man will. Soll zum dritten Mal ein Direktor gegen den Konsens der Insti­tu­tion berufen werden, die er doch eigent­lich leiten soll? Warum probieren es Senat und Kura­to­rium nicht einmal mit einer Kompro­miss­lö­sung und nehmen dadurch Dozenten und Studenten mit in die Verant­wor­tung? Die Erfahrung lehrt, dass Böhning und der Senat die Wider­stands­kraft und den Zorn der Studenten regel­mäßig unter­schätzen. Auf einer Voll­ver­samm­lung haben die Studenten am Donnerstag erste Schritte beraten. Sie lehrt auch, dass die DFFB ein Jahr lang ganz gut ohne Direktor ausge­kommen ist. Das könnte noch ein wenig so weiter­gehen.

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Letzte Frage für heute: Warum so viel Intrans­pa­renz? Der Senat, nament­lich Björn Böhning wollen offenbar: Alles soll vergessen werden, dann kann man machen, was man will. Aber es wird nicht vergessen werden. Die Frage der DFFB-Direk­to­ren­be­set­zung wird an Böhnings Namen kleben bleiben. er ist nicht der, der »die Kuh vom Eis« geschafft hat, sondern der der DFFB die schlech­teste Presse seit ihrer Entste­hung verschafft hat. Durch schieren Dilet­tan­tismus und Manage­ment­fehler. Zur Zeit macht sich Böhning, der noch einmal eine medi­en­po­li­ti­sche Karriere machen will, eine ganze Gene­ra­tion von Filme­ma­chern zum Feind. Das mag in der SPD keine Rolle spielen, denn diese Partei hat sich als kultur­po­li­ti­sche Kraft schon lange abge­schafft.

(To be continued)