13.02.2015
65. Berlinale 2015

Kafka, Nostalgie und eine Odyssee

Paradise In Service von Doze Niu Chen-Zen
Paradise In Service von Doze Niu Chen-Zen
(Foto: Ablaze Image Taipeh, Taiwan)

Filme vom asiatischen Kontinent – Berlinale-Tagebuch, 12. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Asien, der größte Kontinent der Welt ist auch im Kino eine aufstei­gende Macht. Filme auch China, Südkorea und Japan bezaubern seit jeher auch europäi­sche Zuschauer, in den letzten Jahr­zehnten gewannen sie auch viele wichtige Preise auf Film­fes­ti­vals.
Das Kino des asia­ti­schen Konti­nents wurde einst auf der Berlinale entdeckt. Noch lange vor dem Massaker auf dem »Platz des Himm­li­schen Friedens« erkannte der damalige Leiter Moritz de Hadeln die Kraft des aufkom­menden Film­kon­ti­nents und bot der legen­dären »Fünften Gene­ra­tion«, den Dissi­denten des chine­si­schen Kinos eine Plattform. 1988 gewann Zhang Yimou für Rotes Kornfeld den Goldenen Bären, im Forum Ulrich Gregors entdeckte man Wong Kar-weis musi­ka­li­sche Film­ge­dichte und Ende der 90er Jahre liefen hier im Mitter­nachts­kino die ersten Hongkong-Gangs­ter­thriller von Johnnie To und Andrew Lau, aber auch Bollywood-Filme aus Indien.

Unter den Nach­fol­gern der beiden Leiter sind diese Zeiten vorbei: Das Mitter­nachts­kino wurde abge­schafft, Bollywood kaum noch einge­laden. Trotzdem die wich­ti­geren Ost-Asiaten im letzten Jahrzehnt in Cannes und Venedig zu sehen waren, gibt es in der Fülle der Berlinale-Sektionen aber immer wieder einige sehens­werte Filme aus Asien.

Im Wett­be­werb war es dieses Jahr Gone with the Bullets aus China, eine stylische Ausstat­tungs­orgie, in der Jiang Wen den nost­al­gi­schen Zauber des Shanghai der 30er Jahre beschwört, mit Opium­höllen und Revues – es war einmal in China.

In der Halbwelt aus Prosti­tu­ierten, Spiel­höllen und Drogen­händ­lern ist auch die Handlung von Big Father Small Father and other stories ange­sie­delt – diesmal im viet­na­me­si­schen Saigon, diesmal in den 90er Jahren. Eine bisexuell grun­dierte Drei­ecks­ge­schichte, die in ihrer Unschuld und Offenheit an den frühen Wong Kar-wai erinnert.

Von Gott, gelang­weilten Engeln zu früh Gestor­benen, die auf die Erde zurück wollen, erzählt voller Poesie der Japaner Sabu: Chensukes Journey ist eine Art »Himmel über Tokio«, aber nicht unan­ge­strengt.

Im Panorama läuft der taiwa­ne­si­sche Paradise in Service von Doze Niu Chen-Zen. Er erzählt von einem bislang verdrängten Kapitel Taiwans: Die Einrich­tung von Bordellen zur Mora­ler­hal­tung der Truppen im Kampf »gegen China«. Es geht um einen jungen Soldaten, der dort seinen Wehr­dienst als Bewacher leisten soll, und sich mit den Frauen anfreundet, die oft zur Prosti­tu­tion gezwungen wurden.
Auch der korea­ni­sche Ode to My Father thema­ti­siert Histo­ri­sches: Der Film erzählt von der Trennung einer Familie in den Wirren des Bürger­kriegs. Flücht­lings­elend, Wirt­schaft­wunder und korea­ni­sche Identität fließen zusammen zu einem etwas sehr senti­men­talen, dennoch sehens­werten und für europäi­sche Zuschauer wich­tigten Film.

Absurd wird es in K., für den zwei mongo­li­sche Regis­seure Kafkas Helden in die innere Mongolei versetzt haben. Ein psycho­lo­gi­sches Vexier­spiel, in dem ein zeitloser Plot plötzlich aktuell gesell­schafts­kri­ti­sche Stoßkraft gewinnt.

Asien – das meint natürlich nicht nur den Fernen Osten, sondern auch den Nahen. Von dort kommt ein atem­be­rau­bender Film, einer der besten überhaupt auf der dies­jäh­rigen Berlinale: Iraqi Odyssey heißt er und spielt – zu nicht unwe­sent­li­chen Teilen in Moskau: Der aus Bagdad stammende Schweizer Samir erzählt zwar scheinbar nur von seiner Familie, doch dabei erzählt er auch vom sehr beson­deren iraki­schen 20. Jahr­hun­dert, von der Liebe zum Kommu­nismus, zur Freiheit, dem Hass auf die Tyrannei der Kolo­ni­al­mächte, der Religion und des Geldes.

Dieser trotz aller Schick­sals­härte fröhliche Film zeigt einen Irak von außen, vom Exil aus zusam­men­ge­setzt aus Erin­ne­rungen, Bildern, Frag­menten der Diaspora unter der Hand, ein sehr orien­ta­li­sches Mosaik, nost­al­gie­satt, auch durch die alte Musik.