| Deutschland 2025 · 99 min. · FSK: ab 6 Regie: Julius Grimm Drehbuch: Julius Grimm, Fabian Krebs Kamera: Lea Dähne Darsteller: Rainer Bock, Nhung Hong, Sarah Mahita, Sina Wilke, David Ali Rashed u.a. |
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| Tod, wo ist dein Stachel? | ||
| (Foto: Weltkino) | ||
Es beginnt alles durchaus vielversprechend: Resi (Sarah Mahita) will sich von ihrem Freund Michi trennen, bringt es nach seiner Krebsdiagnose aber nicht übers Herz. Als Michi stirbt, beschließt sie gemeinsam mit Freunden, seine Asche zu verstreuen – eine letzte, sentimentale Geste. Doch die Fahrt endet im Tod, und das Quartett findet sich in einer jenseitigen Behörde wieder, die entscheidet, wer ins Fegefeuer, ins Nirwana oder in die Wiedergeburt darf.
Leider bleibt diese Prämisse nur Folie für eine Reihe bemüht absurder Szenen, deren Humor irgendwo zwischen Sketch und Kirchenlied steckenbleibt. Grimm, der sowohl Regie als auch Drehbuch verantwortet, scheint das deutsche Nachleben gern als eine Art kosmisches Bürgerbüro zu imaginieren – ein Ort, an dem die Sinnsuche in Formularen erstickt. Das könnte, richtig gedacht, eine bittere und pointierte Parabel sein: über eine Gesellschaft, die selbst im Tod noch Regularien braucht, um sich nicht aufzulösen. Doch statt satirischer Tiefenschärfe, liefert Zweigstelle volkstümliche Albernheit, die aus dem klassischen BR-Abendprogramm stammen könnte. Die Gags über Himmelsakten, Fegefeuerprotokolle und Wiedergeburtswartelisten bleiben so brav, dass man sich wünscht, wenigstens der Tod hätte hier ein Wörtchen mitzureden.
Sarah Mahita spielt mit Verve, Rainer Bock wirkt unterfordert, Nhung Hong bringt etwas melancholische Präsenz – aber das Ensemble scheint in einem Dauerzustand des Overactings gefangen. Grimms Inszenierung lässt ihnen kaum Raum für Zwischentöne: alles wird erklärt, überbetont und ausgestellt. Selbst Momente, die Stille oder metaphysisches Innehalten verlangen, werden von Slapstick übertönt. Nur vereinzelt, etwa im Müllerschen Volksbad, wo Licht und Leere plötzlich zusammenfinden, blitzt eine Ahnung davon auf, was dieser Film hätte sein können – eine zarte Meditation über Schuld, Sinn und das große Danach.
Doch Zweigstelle scheut den Schmerz. Statt existenzieller Verunsicherung gibt es hübsch arrangierte Pseudo-Philosophie: „Was passiert mit Menschen, die an nichts glauben?“ – eine Frage, die Grimm nicht stellt, um sie auszuloten, sondern um sie mit Kabarettdialogen zu überspielen. Und so wirkt vieles wie ein in Bayern verirrter Wes-Anderson-Versuch: symmetrische Bilder, überdeutliche Farbkonzepte, poppige Kostüme – doch die ironische Distanz, die Andersons Welten selbst in seinen völlig überladenen und kaum mehr erträglichen späten Filmen wie vor kurzem im Phönizischen Meisterstreich immer noch trägt, bleibt hier dekorative Behauptung.
Das Nachleben, so erfährt man, ist eine Zweigstelle des Diesseits: man zieht Nummern, wartet, verpasst den Sinn. Doch auch als Allegorie über die Bürokratisierung des Daseins ist Grimms Film zu unentschieden. Der Schmerz wird weggelacht, der Witz totgeformt, das Jenseits zu einer Bühne für provinzielles Feuilleton-Theater. Wo Sechswochenamt von Jacqueline Jansen, der so wie Grimms Film ebenfalls seine Premiere in der Reihe Neues Deutsches Kinos auf dem 42. Filmfest München 2025 hatte, die Grenzziehung zwischen persönlichem Verlust und gesellschaftlicher Ordnung klug und alltagsrelevant sezierte, macht Zweigstelle daraus eine Revue fürs bayerische Publikum, das gern über seine eigene Verklemmtheit schmunzelt.
Am Ende fragt man sich nicht, was der Tod mit uns macht, sondern warum er sich das alles antut. Tod, wo ist dein Stachel?