| USA 2025 · 108 min. · FSK: ab 6 Regie: Jared Bush, Byron Howard Produktion: Yvett Merino Drehbuch: Jared Bush Musik: Michael Giacchino |
![]() |
|
| Alles wird gut... | ||
| (Foto: Disney) | ||
Knapp 10 Jahre hat es gedauert, bis Disney sich traute, den Schatten des eigenen Meisterwerks zu betreten. Zehn Jahre, in denen Zoomania – dieser wild sprudelnde, sozialkluge, rhythmisch wie dramaturgisch beeindruckend getaktete Film – gereift ist, wie es eben nur echte Klassiker tun: monolithisch, unangreifbar, ein Tiermensch-Wimmelbild voller Witz, Wärme und politischer Spitzen. Man sollte solche Werke stehen lassen wie Berge, unverrückbar. Aber natürlich denkt Disney anders. Vielleicht ist es nach den markanten Disney-Flops der letzten Zeit die pure wirtschaftliche Not, vielleicht die auch in anderen Genres immer mehr um sich greifende Angst vor Originalstoffen. Aber nun steht Zoomania 2 da. Halb Sequel, halb Selbstkopie, halb Lizenz zum Merchandising. Und leider nur zu einem Drittel ein guter Film.
Jared Bush und Byron Howard versuchen, was in kaum einer Fortsetzung je gut funktioniert hat: Sie rekonstruieren die Erfolgsformel, statt sie weiterzuentwickeln. Der neue Plot um den reptiloiden Außenseiter Gary De’Snake wirkt wie ein Update auf Version 1.1 der alten Geschichte: wieder eine verborgene Minderheit, wieder systemische Ungerechtigkeit, wieder Judy Hopps und Nick Wilde als Buddy-Team wider Willen, wieder die große Enthüllung der „anderen“ Schicht, die bislang von der Großstadt übersehen wurde. Als hätte jemand die alte Drehbuchstruktur kopiert, in eine Reptilienhaut gewickelt und mit dem halbfertigen Zucker-Score von Michael Giacchino übergossen.
Der wirklich musikalische Tiefpunkt ist allerdings Shakira, die erneut eine Hymne trällern darf – die allerdings so erstaunlich nach ihrem WM-Song Waka Waka aus dem Jahr 2010 klingt, dass es schon fast erschütternd ist, wie sehr das Kunst aus zweiter Hand und Selbstzitation ist, ohne Atem, ohne Mut, ohne Klanggesicht. Und so wie der Song eine Kopie von Shakiras‘ früheren Songs ist, so ist der Film eine Kopie eines früheren, eines weitaus besseren Films.
Das Ernüchternde an Zoomania 2 ist aber nicht seine offensichtliche Feigheit sondern seine faultierartige Müdigkeit. Während der erste Film Charakterentwicklung betreibt, Konflikte ausstellt und Zuschreibungen dekonstruiert, scheut der zweite selbst die minimalsten Risiken. Judy und Nick bleiben stehen – nicht als Figuren, sondern als ikonische Marken. Keine inneren Risse, keine neuen Wunden, sondern nur Abgründe, die vorhersehbar sind, weil sie reproduzierte Abgründe aus dem ersten Teil sind. Stattdessen gibt es ein aufgesetztes Liebesbekenntnis, das so zäh romantisiert wird, als müsste Disney verhindern, dass Kinder lernen, Gefühle seien kompliziert. Das Geständnis zwischen Fuchs und Häsin – so sehr man es den beiden gönnt – wirkt wie ein Ausdruck des neuen Disney-Kodex: Kuscheln ja, Konsequenzen nein.
Natürlich gibt es auch Lichtblicke, die Zoomania 2 erträglich machen, die ihn wohl zu dem Kassenhit machen werden, den Disney geplant hat. Die Welt von Zoomania ist nach wie vor ein Füllhorn kleiner visueller Bosheiten, von charmant überdrehten Nebenfiguren und mikrokomischen Alltagsdetails, die zeigen, dass die Animationsabteilung noch immer mit Hingabe arbeitet. Originell sind die Gastauftritte alter Helden wie des Faultiers aus dem ersten Teil. Die Idee einer an sich interessanten Parallelgesellschaft, der versteckten Reptilien-Unterschicht, hätte allerdings in kreativeren, mutigeren Händen echte sozialpolitische Tiefe entfalten können. Denn so wie der Charakter der Schlange jetzt gezeichnet ist, sind die Anleihen an den allergrößten Schlangencharakter der Welt, Disneys ikonische Kaa aus dem Dschungelbuch, einfach zu offensichtlich, und dann zu nichtig, fehlt auch hier erneut der Mut zu mehr Ambivalenz. Immerhin haben manche Szenen – vor allem jene, in denen die Traumata und Neurosen der beiden Hauptfiguren über die bereits erwähnte bizarre Liebeserklärung kurz aufflackern – bei aller Überdrehtheit mehr emotionale Wahrhaftigkeit als man dem Film insgesamt zugetraut hätte. Denn die Botschaft, »wir müssen einfach reden, um unsere Unterschiede zu überwinden«, ist an sich nicht falsch. Sie ist nur inzwischen das allerabgegriffenste Mantra des internationalen Mainstream-Familienfilm-Genres, das längst verlernt hat, Komplexität und wie gerade schon erwähnt: Ambivalenz zu ertragen.
Zoomania 2 verhält sich so, als sei Kommunikation ein magischer Schraubenschlüssel, der jedes strukturelle Problem lösen könne. Man erklärt sich, man umarmt sich, man ist wieder eine große bunte, multikulturelle Stadtfamilie. Das ist nicht politisch – das ist pädagogische Zuckerwatte, die gegen die brachiale Ästhetik von Trumps Anti-Multi-Kulti-Truppe ICE keine Chance haben dürfte. Während der erste Film in seinen besten Momenten noch scharf und unbequem war, ist der zweite soft, weichgezeichnet und konfliktscheu. Eine Erlaubnis zum Kuscheln, aber kein ernst zu nehmendes Kino. Es ist ein Kino, dem man anmerkt, dass es für Dutzende von Sprachversionen und Kulturräume gemacht wurde, und Humor und Spannung konsequent als kleinster gemeinsamer Nenner inszeniert werden.
Am Ende bleibt ein Film, der sich nicht traut, sein eigenes Erbe herauszufordern. Einer, der lieber „gut genug“ und natürlich erfolgreich sein will, statt groß zu sein. Einer, der auf Anthropomorphismus mit süßen Tierchen setzt, die sich endlich ihre Liebe gestehen dürfen – was hübsch ist, was süß ist, was nett ist und was erfolgreich ist. Aber eben auch eskapistischer Kitsch am Fließband ist.