USA 2017 · 102 min. · FSK: ab 12 Regie: Woody Allen Drehbuch: Woody Allen Kamera: Vittorio Storaro Darsteller: Kate Winslet, Justin Timberlake, Jim Belushi, Juno Temple, Max Casella u.a. |
![]() |
|
Jahrmarkt der Nostalgie |
»Coney Island, nineteenfiftys. The beach, the boardwalk. I work here on day seven.« Überaus gelangweilt sitzt ein junger Mann auf einem Aussichtsturm am Strand. Als Badewächter verdient er sich ein paar Dollars hinzu.
Anfang der 50er Jahre ist der Strand von Coney Island in Brooklyn, direkt neben dem weltberühmten Vergnügungspark mit seinen Karussells, Geisterbahnen, und Riesenrädern das Ausflugsziel für die ganze Familie, für die normalen Bürger von New York, die sich am Wochenende von der Tretmühle des Büros erholen wollen.
Woody Allen ist mit seinem 48. Kinofilm wieder in seine Heimatstadt nach New York zurückgekehrt, ins New York seiner Kindheit, der Nachkriegszeit und Hochphase des Amerikanischen Jahrhunderts, das er bereits in Werken wie Radio Days und Sweet and Lowdown beschworen hatte: Ein scheinbar glückliche, einfache Zeit, eine Welt der kleinen Leute und ihrer Kleinbürgerträume, der konservativen Werte und ihrer alltäglichen Verletzung, der Repression, der kleinen Fluchten und des vorsichtigen Ausbruchs.
Der gelangweilte junge Badewächter ist der Erzähler der Handlung, einer Geschichte, die ins warme Licht eines Spätsommersonnenuntergangs getaucht ist, ins Licht der Nostalgie. Denn die fünfziger Jahre dieses Films sind kunterbunt, die Dekolletees der Damen tief und fest, die Autos weich gefedert, die Kinofilme melodramatisch und die Tanzmusik voller Swing.
Doch all dies sind nur Kulissen, mitunter genauso wackelig, wie die Wände der Vergnügungsbuden von Coney Island. Hinter ihnen liegt der Abgrund. Zwischen diesen Kulissen arbeiten Riesenrad-Kartenabreißer Humpty und seine zweite Frau Ginny, deren Ehe auch schon ihre besten Tage hinter such hat. Eines Tages taucht aus dem Nichts eine junge Frau auf: »Excuse me. Do you know if Ginny is here?« – »Yeah. I am Ginny.« – »I am Carolina.« – »Who?« – »Carolina. Humptys Daughter« – »Jesus! Is he gonna be surprised.«
Carolina ist die Tochter von Humpty aus dessen erster Ehe. Nachdem sich Vater und Tochter seit Jahren nicht gesehen haben, bringt sie nun das Leben aller Beteiligten gehörig durcheinander.
Denn Carolina ist »marked.« Sie weiß »where all the bodies are buried« und wird daher als gefährliche Zeugin von Mafia-Killern gesucht, und will beim Vater untertauchen. Der antwortet nur nüchtern: »That’s what you get, when you marry a gangster.«
Trotzdem geht alles eine Weile gut, doch
dann kommen ihr die Killer auf die Spur. Außerdem verliebt sich Carolina in den Strandboy Mickey, der auch ein Freizeit-Schriftsteller ist. Vor allem aber hat der gutausehende Rettungsschwimmer eine Affaire mit Carolinas Stiefmutter Ginny.
Wonder Wheel ist eine sehr typische Woody-Allen-Komödie. Voller Musik, gedreht in prachtvollen, sanft gleitenden, fast perfekt arrangierten Bildern. Es wirkt, als könne Allen im Alter Filme auf Autopilot drehen.
Nimmt man nur den Look, dann ist Wonder Wheel einer der bestaussehenden Woody-Allen-Filme aller Zeiten. Zur Woody-Allen-Maschine gehören auch Auftritte großartiger Stars: Kate Winslet und James Belushi spielen das
Jahrmarktsehepaar Ginny und Humpty. Der britische Nachwuchsstar June Temple und Justin Timberlake spielen Carolina und Mickey – die zwei jungen Idealisten, die noch mehr vom Leben wollen, als Routine.
Die Story kann mit Stil und Figuren diesmal aber nicht wirklich mithalten. Es ist das von Allen allzu vertraute Terrain: Ein Liebesdreieck, die Amoral der Menschen, ihre konsequent falschen Entscheidungen.
Allen erlaubt sich zwar einige Ironien, gerade gegenüber seiner Männerfigur, wenn Mickey jedesmal einen Regenguss dazu benutzt, eine Frau zu verführen, und seinen Liebhaberinnen jeweils ein Buch schenkt. Und erfindet eine Nebenfigur einen achtjährigen Pyromanen, der vielleicht das Lustigste an diesem Film ist, weil er in seiner abgründigen Destruktivität vielleicht ein geheimes Alter ego des Regisseurs darstellt.
Aber insgesamt ist der Film zu bieder und vollkommen überraschungsfrei erzählt, um restlos glücklich zu machen. So ist Wonder Wheel ein Muss für Fans und alle Liebhaber misanthropischer Komödien. Für alle anderen ist dies ein nettes harmloses Kinovergnügen, aber nicht mehr.