Deutschland/Polen 2011 · 96 min. · FSK: ab 0 Regie: Johannes Schmid Drehbuch: Michaela Hinnenthal, Thomas Schmid Kamera: Michael Bertl Darsteller: Nina Monka, Ursula Werner, Leon Seidel, Dominik Nowak, Merab Ninidze u.a. |
![]() |
|
Sonnige Kälte |
Es beginnt als fast harmloser Familienfilm: Im Zentrum steht Kattaka (toll: Nina Monka), eine Zwölfjährige aus Berlin, die sich, noch ganz Kind, voller Vorfreude aufs Weihnachtsfest vorbereitet. Ihre Mutter ist nochmal schwanger, auch diese kommende Vergrößerung der Familie bestimmt den Alltag des Mädchens. Da führt ein blöder Zufall dazu, dass die schöne Bescherung ausbleibt, und Kattaka etwas erfährt, das ihr Leben noch viel stärker zu verändern scheint: All die Jahre hat Mutter Margarethe ihr verschwiegen, dass ihr Vater Daniel gar nicht ihr leiblicher Erzeuger ist. Dies ist ein Seemann namens Alexej aus Wladiwostok – und der liegt jetzt im polnischen Stettin vor Anker und möchte die Mutter wiedersehen. Das Mädchen ist verletzt, erschüttert und reagiert ganz kindgerecht übertrieben – sie will, sie »muss« nach ihrem »richtigen Vater« sehen. Während die Eltern naturgemäß ablehnend reagieren, erntet sie von Lene (Ursula Werner), der alten Nachbarin, die für sie seit Jahren eine Art Ersatzgroßmutter ist, Verständnis – beide fahren zusammen los, in einem alten »Barkas«-Kleinbus aus DDR-Zeiten – am Abend wollen sie zurück sein.
Es kommt anders, nicht nur weil man im Kino ist, wo die Dinge immer anders kommen, sondern weil sich der Weg über die eisigen Straßen Polens als beschwerlich erweist, weil Kattakas Schulfreund »Knäcke« sich als blinder Passagier ins Auto geschlichen hat, und vor allem, weil der Trip für die Beteiligten auch zu einer seelischen Odyssee wird. Denn auch Lene hat etwas auf dem Herzen: Anfang 1945 floh ihre Familie von jenem Bauernhof, wo sie ihre Kindheit verbrachte. So kreist der Film natürlich um Kattakas Vatersuche, aber auch um Lenes verdrängte Trauer und Schuldgefühle – und unter allem hängt das immer noch nicht selbstverständliche deutsch-polnische Verhältnis mit seinen gegenseitigen Vorurteilen.
Wintertochter ist spannende Unterhaltung für Erwachsene wie für ihre Kinder, ein bewegendes, auch mitunter witziges Drama, und einfach ein sehr guter Film. Ein Road-Movie aus Deutschland, der die Weiten, die Hollywood im US-Westen findet, zwischen Danzig und Stettin und auf der masurischen Seenplatte entdeckt. Der von Geschichte, vom Leid und Erinnerung erzählt, ohne mit pädagogischen Zeigefinger und vor allem ohne versteckte politische Agenda, oder gar geschichtsrevisionistische Absichten.
Dies ist der zweite Film von Johannes Schmid (nach Blöde Mütze) in dem sich dieser Münchner Regisseur als ein echtes Talent erweist, als ein begabter Erzähler, dem man noch mehr zutraut, weil er geschickt von ernsten Dingen in eleganter, poetischer Form zu erzählt.