GB/USA 1999 · 128 min. · FSK: ab 12 Regie: Michael Apted Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, Bruce Feirstein Kamera: Adrian Biddle Darsteller: Pierce Brosnan, Sophie Marceau, Robert Carlyle, Denise Richards u.a. |
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Es war nötig, James Bond zu zerstören um James Bond zu retten. Anfang der 90er steckte die Serie in einer Krise – nachdem sie bei Roger Moore zusehends zu Kindergeburtstagen mit semi-senilem Protagonisten verkommen war, hatte man versucht, sie mit dem (unverdient) glücklosen Timothy Dalton wieder in ernstere Fahrwasser zu lenken. Und dabei schließlich mit Licence to Kill zwar einen schön straighten, harten Action-Film hingelegt, aber dies um den Preis
getan, dass von dem, wofür Bond bekannt war, kaum etwas übrigblieb.
Wurscht war’s da aber fast eh schon, weil die Zuschauerzahlen ohnehin scheinbar unaufhaltsam im Sinken begriffen waren und kaum noch jemand große Erwartungen an die neuen Filme über Mr. »Vodka Martini, shaken not stirred« hegte.
Es gab die erste Pause bis zum nächsten Bond, die länger als zwei Jahre dauerte. Und als die Produzenten Goldeneye ausheckten, da müssen sie zumindest ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass das nun ihr last farewell sein könnte.
Sowas gibt Freiheit, und Goldeneye wurde ein
Essay darüber, warum man Mitte der 90er eigentlich keinen James Bond-Film mehr drehen kann. Der alte Imperialist und Chauvinist stapfte relativ verunsichert durch eine ihm fremd gewordene Welt der selbstbewußten Frauen obenauf (»Onatop«), wo die ehernen Insignien seines Welt- und Feindbildes in postkommunistischen Trümmerfeldern lagen und er, der alte Körperheld, damit fertig werden musste, dass die entscheidende Macht nun nicht mehr im physischen sondern im virtuellen
Raum zu finden ist. Die Welt durfte er schließlich trotzdem retten, aber nur in einem doppelbödigen Finale, wo er zu einem kaltblütigeren Mörder wurde, als ganz geheuer war.
Und siehe da: Was eigentlich eine sehr schöne Art trotziger Bankrotterklärung war, entpuppte sich als erster wirklich zeitgemäßer Bond seit etlichen Jahren – und als überraschend großer Erfolg.
007 war damit paradoxerweise wieder am Leben, stieg als Phönix aus der Asche – und ließ seine Produzenten mit dem Problem zurück, was sie nun machen sollten, nachdem sie eigentlich soeben erklärt hatten, dass man heutzutage keine Bond-Filme mehr machen kann.
Nun, was man sich entschloss zu machen, war Geld. Zur Hölle mit Intelligenz und Selbstreflexivität, Bond war wieder wer, und mit der rechten Werbekampagne und genug Explosionen im Film waren die Kassen schon zum Klingeln zu kriegen. Resultat: Tomorrow Never Dies.
Die Rechnung ging auf, und so sollte es niemanden ernsthaft verwundern, dass The World Is Not Enough nach ganz ähnlichem Rezept gebraut ist.
Mit dem 19. James Bond-Streifen (nicht gezählt die fremdproduzierten Casino Royale und Never Say Never Again) ist die Firma (Motto: »Making the world safe for
Capitalism since 1962.«) wieder so geschmiert am Laufen wie lang nicht mehr. Vergessen oder verdrängt all die Irritationen: Bond, James Bond, darf diesmal in Osteuropa dafür sorgen, dass die fossilen Brennstoffe in den Ölpipelines ungestört fließen – das ist was Handfestes, Greifbares, da sind Muskeln gefragt, Mechanik und Bewegung von Körpern durch richtige Räume, das hat nichts zu tun mit diesen verstörenden Informationstechnologien, Medien und
Cyber-Dingen.
Das Problem des Filmes aber ist, dass er, offenbar das Einspielergebnis ständig vor Augen, in seinem Enthusiasmus für seinen wiedergewonnenen Status als Kino-Großereignis, zu sehr darauf bedacht war, alle Kanten abzuschmirgeln, alles Querständige gradzuklopfen.
The World Is Not Enough ist ein zu durchkalkulierter Film, ein einziges Bond-Checkliste-Abhaken, gehorcht zu offensichtlich dem Proporz. Was braucht ein Bond? Verfolgungsjagd auf Skiern – Check. Sequenz im Casino – Check. Böse Russen – Check. In welche Länder soll der Film hauptsächlich verkauft werden? England ist klar – und mit Pierce Brosnan, Robert Carlyle, Robbie Coltrane etc. bestens abgedeckt. Frankreich – deshalb spielt Sophie Marceau mit. Italien – Maria Grazia Cucinotta. Deutschland – drum gibt’s eine Nebenrolle für Claude-Oliver Rudolph. Und selbstverständlich Amerika – was uns die verheerende Denise Richards einbringt, dieses gräßliche Plastikpüppchen, das vernünftige Regisseure nur parodistisch einsetzen wie in Starship Troopers oder Drop Dead Gorgeous und das hier eine Atomphysikerin (sic!) in Hotpants mimen darf. Deren Rollennamen »Christmas Jones« einzig und allein Steilvorlage ist für zwei schmerzhaft dumme Kalauer am Ende des Films – wobei keiner der Filmemacher so recht Lust auf die obligatorischen One-Liner von Bond gehabt zu haben scheint und diese zwar pflichtbewusst mit schöner Regelmäßigkeit fallen, aber so uninspiriert und seelenlos wie lange nicht.
Weil Dame Judi Dench jetzt Oscar-Preisträgerin ist, wurde prompt ihre Rolle als »M« kräftig ausgebaut, John Cleese mit seinem Kurzauftritt als Assistent von »Q« treibt gewiss einige Monty Python-Fans in’s Kino, die sich den Film sonst gespart hätten, und Goldie und John Seru sorgen dafür, dass sich auch schwarze Zuschauer auf der Leinwand wiedererkennen können – als fiese Gangster, wie sie halt so sind, nicht wahr...
Schon mit der ersten Einstellung – Bond auf der
Straße, Schwenk: das Guggenheim-Museum von Bilbao – wird auch gleich programmatisch erklärt, dass man das touristische Element nicht vernachlässigen wird, das Bond-Filme seit jeher auszeichnet. Auch wenn kaum ein schöner Ferienort der Erde von Bond in den letzten 37 Jahren noch nicht abgegrast wurde und das Publikum inzwischen zu wesentlich größeren Anteilen aus erfahrenen Pauschalreisenden besteht, die von den Bahamas selbst Urlaubsfotos im Schrank haben und für sowas nicht
mehr begeistert ins Kino rennen müssen. (Wohl deshalb kann der Film auch so lange im wenig malerischen Baiku verweilen.)
Wenn dann auch noch das üppige Product Placement untergebracht ist und das unablässig dudelnde Bond-Thema mit ein paar zahmen elektronischen Grooves unterlegt, dann ist alles beieinander für einen garantierten Kassenschlager. Nur Herz und Hirn gehen dabei so ziemlich missing in action.
An Ambition scheint es den Drehbuchautoren und dem (für Bond-Verhältnisse ungewohnt renommierten) Regisseur Michael Apted gar nicht gemangelt zu haben: Ansätze zur Größe sind zahlreich zu finden im Film. Da wäre allein schon die Figur des diesmaligen Oberschurken Renard (Robert Carlyle) – dem eine Pistolenkugel tief im Hirn steckt, die ihn zugleich todgeweiht und völlig schmerzunempfindlich macht. Was hätte das nicht für ein formidabler Feind für Bond sein können – einer, dem man mit dem Tod nicht drohen kann, einer, der ein perfides Gegenbild zu Bonds (besonders in den Romanen von Fleming stets latent sado-masochistischem) Körperkonzept darstellt. Oder Elektra King (Sophie Marceau), diese Variante von Patty Hearst. Mit ihrer abgründigen Beziehung zu den beiden wichtigsten Männern des Films.
Alles schöne Ansätze (besonders, wie Bond die beiden kennenlernt: Renard, den alten Fuchs, als volltransparente Hologramm-Projektion, Elektra als Videobild) – alle (vielleicht im Produktionsprozess gezwungenermaßen) verschenkt.
Robert Carlyle hat kaum was zu tun in The World Is Not Enough, wirkt eher wie eine halbrealisierte Nebenfigur denn wie der Ober-Bösewicht und darf nur ab und zu heisse Steine anfassen, ohne dabei was zu spüren.
(Nebenbei: Dass die Verbrennungen dritten Grades, die er sich dabei einhandelt, auch ohne funktionierendes Schmerzempfinden eigentlich ziemlich ungesund sein sollten, ist eine der vielen Inkonsequenzen der Figur, die sich das Drehbuch leistet – so ganz entscheidet man sich nie dafür, was und wieviel Renard spüren kann und ob er nun physisch übernatürliche Kräfte besitzt oder nicht.) Sophie Marceau muss unverständlicherweise ihren Platz als Bonds Objekt der Begierde an
die wandelnde Barbie Denise Richards abtreten, damit James nachher keine größeren Gewissenskonflikte durchzumachen hat, wenn die Fronten sich verschieben.
Nur ganz selten darf das Abseitige, die Perversion mal ihr Haupt recken (»You know what happens to a man that’s strangled«), tut sich ein Blick in mögliche Tiefen auf. Doch nie bleibt davon etwas übrig, dass sich nicht mit ein paar Schüssen, einer ordentlichen Explosion aus der Welt räumen ließe. Am Ende geht’s dann nur noch drum, welcher der Männer mit dem entschieden phallischen Weltvernichtungs-Spielzeug geschickter umzugehen, es besser wo reinzurammen weiß – mir bot sich spontan Goldenrod als Alternativtitel an.
Nur für ungefähr 10 Minuten lässt uns The World Is Not Enough ahnen, was heute ein gangbarer Weg für einen neuen James Bond-Film hätte sein können: Ganz zu Anfang, da gibt es diese wunderbare Verfolgungsjagd auf der Themse. Sie präsentiert das Prinzip der Bond-Action-Sequenz in herrlich überhöhter Reinkultur. Alle Gesetze der Plausibilität werden über Bord geworfen – die Welt gehorcht nur den Bedürfnissen Bonds und des besten Action-Effekts. Wenn Bond ein Boot braucht, mitten im MI 6 Hauptquartier, dann steht da eines – und zwar so, dass er damit gleich durch die Wand auf die Themse springen kann. Wenn dieses Boot tauchen soll, dann kann es das. Ölfässer, die explodieren, Brücken, Heißluftballons – die physische Realität ordnet sich dem unter, was die James Bond-Show von ihr verlangt. Und zwar so gehäuft und in solchem Tempo, dass es eine wahre Freude ist.
Inwieweit so etwas einen ganzen Film über durchzuhalten wäre, ohne wieder in der Nähe eines albernen Moonraker zu landen, ist die andere Frage. Das, was The World Is Not Enough nach der Titelsequenz noch zu bieten hat, ist jedenfalls – und jetzt der Beweis, dass auch wir mit abgeschmackten Wortspielereien enden können – bei weitem nicht genug.