Deutschland 1997 · 89 min. · FSK: ab 6 Regie: Paul Harather Drehbuch: Paul Harather Kamera: Gernot Roll Darsteller: Uwe Ochsenknecht, Barbara Auer, Sophie Rois, Frank Dommel u.a. |
![]() |
|
Umwerfende Weihnachten |
Sie küßten und sie schlugen sich. Männlein und Weiblein versteht sich, denn auch der love interest will bedient sein. Aus diesem Stoff sind viele Zelluloidträume gestrickt und da man weiß, wie diese modernen Märchen ausgehen, ist eigentlich nur interessant, wie das ungleiche Pärchen sich schlägt bis zum happy ending. Dieser Grundkonstellation verdankt das Kino so manche Sternstunde: Angefangen bei Frank Capras It Happened One Night oder Howard Hawks His Girl Friday, über Peter Bogdanovichs What’s up Doc bis hin zu Norman Jewisons Only You, Lawrence Kasdans French Kiss oder Griffin Dunnes Addicted To Love.
Nun hat sich der Österreicher Paul Harather entschlossen, einen Film zu machen, dem eben jene Struktur zugrunde liegt. Harathers Überraschungserfolg Indien war eine kleine, feine Komödie, die auch melancholisch sein konnte. Im Weihnachtsfieber hat Harather nun, so scheint es, alle Melancholie über Bord geworfen. Ob ein Vergleich der beiden Filme Rückschlüsse zuläßt auf deutsche und österreichische Komödienqualität mag dahingestellt bleiben. Stattdessen seien im Folgenden die filmischen Zuckerln präsentiert, die sich Drehbuchautor und Regisseur Harather (im Weihnachtsfieber-Wahn?) ersonnen hat.
Weihnachtsfieber ist lustig: aber nie oberflächlich. Wenn der Christbaum brennt, ist das zwar immer für einen Lacher gut, eigentlich geht es Harather aber um die kritische Auseinandersetzung mit weihnachtlichem Konsumzwang in der kapitalistisch aufgeklärten, westlichen Hemisphäre.
Und wenn Pfarrhausangestellte ihr Interesse an S/M-Praktiken durchblicken lassen, ist das zwar zunächst ebenfalls ganz extraorbitant lustig, bringt aber
eben auch einen anti-klerikalen Duktus ins Spiel. Wir folgern: ein Film mit Herz, Humor und Hirn. Oh du fröhliche.
Weihnachtsfieber ist deutsch: und präsentiert das Beste, was die deutsche Wirtschaft zu bieten hat. Pro Sieben, Telekom, Bundesbahn und Twix, das früher mal Raider hieß, aber immer noch ein Pausensnack ist. Vodka Gorbatschow wird auch konsumiert. Für den Zuschauer gibt es da bedauerlicherweise keine Partizipationsmöglichkeit. Oh du fröhliche!
Weihnachtsfieber ist erstklassig besetzt: Charlotte Becker ist eine hysterische Fernsehmoderatorin, die abwechselnd kreischt und »Scheiße« brüllt. Barbara Auer ist hysterisch, kreischt und brüllt »Scheiße«. Manchmal, wenn der Dialogwitz so richtig sprüht, brüllt sie auch »Arschloch«.
Mauser ist ein nervtötender Vertreter, der Sparwitze zum Besten gibt. Uwe Ochsenknecht ist nervtötend und gibt Sparwitze zum Besten. Das ist Method Acting auf
deutsch. Oh du fröhliche...
Weihnachtsfieber ist besinnlich: besonders wenn Mausers Tochter am Weihnachtsabend, die Plastikflügel auf den Rücken geschnallt, vor die Tür des Reihenhauses tritt und befindet, daß sie mit Papi den heiligen Abend feiern will. Oh du fröhliche!
Weihnachtsfieber ist gesellschaftskritisch: und nimmt mutig Stellung zum Phänomen der emotional erkalteten Karrierefrau. Dabei braucht Charlotte nur einen liebenden Mann und etwas Nestwärme. Das bekommt sie schlußendlich und ist dann auch wieder nett zu Mutti. Oh du fröhliche?
Weihnachtsfieber wird immer lustiger: wenn Charlotte und Mauser als Maria und Joseph das Krippenspiel aufrüsten. Mit angeklebtem Rauschebart und Staniol-Heiligenschein. Oh du fröhliche!!!
Weihnachtsfieber ist selbstreflexiv: wenn Charlotte Mauser auffordert, nicht mehr »Zum Bleistift« zu sagen. »Zum Bleistift« ist nämlich nicht lustig. Das nennt man ein großes Wort gelassen aussprechen, oh du fröhliche!
Weihnachtsfieber ist musikalisch: wenn Uwe Ochsenknecht der Sangeslust frönt und am Karibikstrand rappt und rockt. Lustig ist das nicht. Die heitere Melodei dürfte trotzdem rechtzeitig zum Fest auf CD zu erwerben sein und kann den Lieben nach Gusto unter den Christbaum gelegt werden. Frohe Weihnachten allerseits!