Wenn der Herbst naht

Quand vient l'automne

Frankreich 2024 · 105 min. · FSK: ab 12
Regie: François Ozon
Drehbuch: ,
Kamera: Jérôme Alméras
Darsteller: Hélène Vincent, Josiane Balasko, Ludivine Sagnier, Pierre Lottin, Garlan Erlos u.a.
Wenn der Herbst naht
Faustdick hinter den Ohren und trotzdem urkomisch
(Foto: Weltkino Filmverleih)

Nichts zu bereuen

François Ozon knüpft mit seinem Kriminalfall in der Provinz an die Meisterschaft von Chabrol an

Pilze­sam­meln im Herbst: Die beliebte Frei­zeit­be­tä­ti­gung eignet sich wunderbar als Ausgangs­lage für schwarz­hu­mo­rige Thriller. Zuletzt hatte Alain Guiraudie mit Miser­i­cordia für alle Cineasten ein Pilzom­lette ange­richtet, das es in sich hatte. Jetzt legt François Ozon nach: Wenn der Herbst naht beginnt mit einer kleineren Pilz­ver­gif­tung, die eine Verket­tung der Ereig­nisse lostritt – auch bei Ozon wird gestorben. Bis es aber dazu kommt, entfaltet sich ein wunder­bares Spiel zwischen zwei Frauen und ihren erwach­senen Kindern – das in vielem auch immer wieder an den Altmeister Claude Chabrol und seine abgrün­digen Provinz-Geschichten denken lässt.

Michelle und Marie-Claude sind zwei ältere Damen, die auf dem Land ein beschau­li­ches Rent­ne­rin­nen­da­sein führen. Sie lieben den Kaffee­klatsch und das gepflegte Gläschen am Abend, gehen gerne zusammen in die Pilze. Als fideles Gespann sieht man sie mit Weidekörb­chen durch die Wald­lich­tungen streifen – so harmlos und idyllisch darf alles beginnen. Für Michelle (Hélène Vincent), die in einem kleinen, gemüt­li­chen Häuschen mit üppigem Garten wohnt, legt sich bald etwas Verwun­schenes, Kräu­ter­he­xen­haftes über ihre Figur. Das scheint sich zu bestä­tigen, als ihre Tochter Valérie mit dem Enkel zu Besuch kommt. Ludivine Sagnier gibt sie als kühle Blonde; sie ist eine Stamm­schau­spie­lerin von Ozon und spielte im aller­letzten Film von Claude Chabrol. Sie kann in ihrer Mutter nichts Pitto­reskes finden und reist empört ab, nachdem mit dem Pilz­ge­richt etwas nicht in Ordnung war.

Ein Mord­vor­wurf durch die Tochter ist bereits ein hartes Kaliber, es folgt auch noch der Enkel­entzug, obwohl sich Lucas bei der Oma sehr wohl fühlt. »Mit unseren Kindern haben wir’s versaut«, ist der trockene Kommentar von Marie-Claude (Josiane Balasko). Ihr klein­kri­mi­neller Sohn wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen. Michelle gibt ihm einen Job als Gärtner, damit er ihr verwil­dertes Grund­stück ein bisschen aufräumt. Und ohne ihr Wissen sogar für ein wenig emotio­nale Gerech­tig­keit sorgt.

Die kompli­zen­hafte Verbun­den­heit der alten Damen rührt von ihrer Vergan­gen­heit als Prosti­tu­ierte, die in der klein­bür­ger­li­chen Gemeinde als großes Skandalon nachwirkt. Gerade die Darstel­lung der Frauen in ihrem Lebens­herbst, die nur auf den ersten Blick skurril und harmlos sind, unter­scheidet sich wohltuend von den deutschen Senioren-Komödien. Ozon gibt ihnen nicht nur eine amora­li­sche Vergan­gen­heit, er lässt sie als selbst­be­wusste und zugleich sensible Menschen erscheinen. Mit ihrer Alters­weis­heit, die sich mit allen Wassern gewaschen hat, blicken sie leicht abgeklärt auf die Welt und haben sich dennoch alle Verletz­bar­keit bewahrt.

Ozon spielt dies mit einer Leich­tig­keit aus, die auch melan­cho­li­sche Schwere zulässt. Wenn der Herbst naht ist geprägt von einer gedämpften Heiter­keit im Wissen darüber, im Leben nichts endgültig nehmen zu müssen und auch nicht allzu schwer. Der Lauf der Dinge, so sein Opti­mismus, entscheidet sich immer für das Gute im Menschen.