IS/NL/HR/F 2024 · 81 min. · FSK: ab 12 Regie: Rúnar Rúnarsson Drehbuch: Rúnar Rúnarsson Kamera: Sophia Olsson Darsteller: Elín Hall, Katla Njálsdóttir, Mikael Kaaber, Ágúst Wigum, Gunnar Hrafn Kristjánsdóttir u.a. |
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Den Schmerz aussprechen und zum Alltag machen... | ||
(Foto: Neue Visionen) |
Es ist vor allem der Alltag, die Alltäglichkeit, die in den ersten Bildern von Rúnar Rúnarssons Wenn das Licht zerbricht, auffällt, eine Alltäglichkeit, die den ganzen Film durchziehen wird, auch wenn es gar nicht mehr um alltägliche Dinge geht, wenn es um Sterben, den Tod und den Umgang damit geht.
Doch am Anfang ist es noch die Liebe und nicht der Tod, die im Zentrum eines ganz normalen Abends stehen, sehen wir Diddi (Baldur Einarsson) und Una (Elín Hall) ihre leidenschaftliche Affäre am Meer und in Diddis Wohnung ausleben, die er mit Gunni (Mikael Kaaber) teilt, der aber erst am nächsten Morgen von beiden zurückerwartet wird, das Geheimnis also gewahrt wird. Ein Geheimnis, dass allerdings nicht mehr Geheimnis sein soll, denn am nächsten Morgen plant Diddi zu Klara (Katla Njálsdóttir) zu fahren, um ihre Fernbeziehung zu beenden und mit Una offiziell zusammen zu sein.
Doch dazu kommt es nicht, denn Diddi stirbt auf dem Weg zu Klare mit vielen anderen Menschen in einem Tunnel. Das Leben ist fort, aber die Liebe bleibt, versetzt mit Hass, denn wie soll man einen Toten noch lieben wollen, ist der Schmerz doch zu groß, um diese Liebe noch zu tragen? Rúnarsson führt diese Ambivalenz über die Fahrt in den Tunnel ein, in dem Diddi sterben wird. Zu Jóhann Jóhannssons Vertonung von Catulls Gedicht Odi et amo („Ich hasse und ich liebe“) sieht man flackernde Tunnellichter, die irgendwann von einem Feuerball erfasst werden, einem noch stärkeren Licht, das alles zum Erlischen bringt.
Diese Transformation von Liebe zu Hass, von Schutz spendendem Licht zu Auslöschung durch Licht und dann auch wieder der Weg zurück ist das subkutane Thema von Rúnarssons nur 82 Minuten langem Film, der sich allerdings dichter und länger anfühlt. Das liegt nicht an dem sperrigen, tabuisierten Thema, vor dem jeder Furcht hat, sondern daran, wie Rúnarsson damit umgeht. Er fokussiert auf die Überlebenden, auf Una und Gunni und Klara, versucht, ihre versteinerten Gesichter mit Dialogen und Erinnerungen an das Leben mit Diddi aufzubrechen.
Vom Abend der Liebe bis zum nächsten Abend der Trauer umspannt Rúnarssons Films ziemlich genau 24 Stunden, einen ganzen Tag, in dem fast schon exemplarisch alle Formen der Trauerarbeit durchexerziert werden. Wir sehen jungen Menschen beim gegenseitigen Trostspenden zu, beim Gespräch mit Eltern, beim Trinken und Erzählen. Und letztendlich dann auch bei der Beziehungsarbeit und Wahrheitsfindung. Denn eigentlich darf Una in der Gegenwart von Klara ja nicht trauern, um das mit ins Grab genommene Geheimnis zu wahren. Doch wie in den der großartigen Oslo-Trilogie von Dag Johan Haugerud (Oslo Stories: Liebe, Oslo Stories: Träume, Oslo Stories: Sehnsucht), die ebenfalls gerade in die Kinos kommen, zeigt auch Rúnar Rúnarsson, dass alles über das Wort, über Gespräche, verhandelbar ist. Und es dann auch irgendwann wortlos gelingt, die letzten Barrieren zu überwinden, wie in der wunderschönen Schlussszene, einem so poetischen wie kathartischen Moment, der in feiner Balance zu den Alltagsszenen steht: Dem Besuch des Gedenkgottesdienstes in der Kirche oder den Szenen an der Kunstakademie Islands, wo Una und Diddi Performance Art studiert haben.
Hier wie dort, aber auch in Diddis und Gunnis Wohnung und erst recht in den Gesprächen, die geführt werden, scheint am Anfang wie am Ende vor allem eins deutlich zu werden. Sei es Liebe, sei es Hass, das Leben steht letztendlich über allem. Das ist weit weg von der Plattitüde, dass die Zeit alle Wunden heilt und ist nicht immer schön und voller grauer uns schwarzer Zwischentöne, doch es ist eine Zuversicht, die im Alltag verankert ist und damit jedem möglich ist. Vielleicht auch deshalb ist dies ein Film über Trauer, der so nah geht, wie er dann auch fern bleibt.