Deutschland 2003 · 89 min. · FSK: ab 16 Regie: Achim von Borries Drehbuch: Achim von Borries, Hendrik Handloetgen, Alexander Pfeuffer Kamera: Jutta Pohlmann Darsteller: Daniel Brühl, August Diehl, Anna Maria Mühe, Jana Pallaske u.a. |
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Liebe bis der Tod ihn scheidet |
Ein Mädchen und ein Junge sitzen auf einem Baum. Sie reden. Über sich und über die anderen, die unten ein Party feiern. Sie liebt ihn, und erinnert ihn an kleine Details ihrer früheren Begegnung, die alles verraten: Aufmerksamkeit, genaue Beobachtungsgabe, eine Zärtlichkeit des Blicks, die auch dieser Film in seinen starken Momenten für seine Figuren hat. Liebe eben. Er liebt sie nicht, denn er hat eine andere im Kopf.
Berlin 1927: Eine Gruppe von Jugendlichen, ein Wochenende am See, irgendwo draußen vor der Stadt. Es wird viel getrunken, geraucht, getanzt, gelacht, und im Hintergrund läuft Musik. Allmählich lädt sich die Stimmung erotisch auf, Blicke werden gewechselt, es folgt Geknutsche, Gefummel, das eine oder andere Paar zieht sich in die Büsche zurück, und am nächsten Tag werden alle einen Kater haben und ihre gereizten, auch verletzten Gefühle werden sich entladen, wie ein Sommergewitter – es ist eine ganz und gar heutige, zeitgemäße Geschichte, die Was nützt die Liebe in Gedanken von Achim von Borries erzählt.
Das Gespräch der zwei auf dem Baum ist einer der Schlüsselmomente des Films, ein Augenblick der Ruhe im Auge jenes Hurrikans, den wir das Leben nennen. Voll früher Melancholie, wie man sie vielleicht so nur hat, wenn man ziemlich jung ist. Nachher, das wissen die beiden jetzt noch nicht, werden sie trotzdem miteinander schlafen, mehr aus Trotz gegenüber einer Wirklichkeit, die ihre Wünsche nicht erfüllt – und besonders toll wird es nicht sein. Vielleicht werden sie sich irgendwann auch lieben, in ferner Zukunft. Aber noch ist alles offen, unklar, unsicher und angespannt. Denn Paul (Daniel Brühl), der hier mit Elli (Jana Pallaske) diesen Augenblick unangestrengter Nähe teilt, ohne zu spüren, dass sie die Richtige für ihn wäre, liebt Hilde die sich gerade von Hans küssen lässt, der ihr nicht gefährlich wird, und in den doch eigentlich ihr Bruder Günter verliebt ist...
Eine wahre Begebenheit, die lange zurückliegt, die »Steglitzer Schülertragödie«. Erstaunlich ist die Leichtigkeit, mit der der Regisseur hier Historie auf die Leinwand bringt: Was nützt die Liebe in Gedanken ist kein starrer »Kostümfilm«, der eine Epoche ausstellt, und in der unsere Blicke herumwandeln wie im Museum. Er zeigt vielmehr ein 20er-Jahre-Berlin fast ohne Klischees, ohne aufdringliches High-Life mit Bananentänzen und Cabaret-Flair, ohne wilde Kulissenschieberei, ohne Nazi-Flaggen, die unheilschwanger durchs Bild getragen werden – und gerade darum gelingt es ihm, doch viel wiederzuspiegeln von der Atmosphäre der Epoche, und zugleich ganz heutig zu sein, uns seine Figuren über die zeitliche Entfernung hinweg nahe zu bringen.
Viermal Liebe also mit einigen der besten unter den jungen Schauspielern unseres Landes. Am allerbesten ist wohl August Diehl, der geradezu Funken sprüht, so intensiv bringt er seine Figur auf die Leinwand, spielt er hier sogar Daniel Brühl ein wenig an die Wand. Und Jana Pallaske, die zu präsent ist, um als das Mauerblümchen durchzugehen, das sie hier sein soll. Paradoxerweise ein leichter, fast heiterer Film über die Nähe von Liebe und Schmerz, von Glück und Katastrophe – auch über den Umgang des Kinos mit Geschichte. Und in alldem viel besser als andere deutsche Zeitreisen der letzten Monate, ob in die Rosenstraße oder nach Bern...
Grund genug, ins Kino zu gehen, und zwar pünktlich, ist aber schon True – das ist der neue, ganz großartige Film von Tom Tykwer, der vorweg gezeigt wird. Und der ist in seinen nur gut zehn Minuten das Beste, was Tykwer seit Lola rennt gedreht hat. Ein Befreiungsschlag aus all dem Bombast, mit dem er es uns zuletzt so schwer gemacht hat, ihn zu mögen: Noch einmal Liebe, mit ihrem ganzen Auf und Ab. Die wunderbare Natalie Portman spielt eine junge Schauspielerin, also auch ein bisschen sich selbst. Schon als der junge Mann sie zum ersten Mal trifft, täuscht er sich, denn er ist blind, und was er für einen Liebesstreit hält, ist nur die Probe für einen Auftritt. Ein geniales Spiel aus Gefühl und Zufall, Wahrheit und Lüge.
Fünfmal Liebe, einmal Kino – das sollte reichen.