Warum ich hier bin

Deutschland 2018 · 67 min. · FSK: ab 0
Regie: Mieko Azuma, Susanne Mi-Son Quester
Drehbuch: ,
Kamera: Mieko Azuma
Schnitt: Melanie Jilg
Ahmed kam mit seinen Eltern durch die Dunkelheit (Foto: Latteyer Film)

Weite Wege

Ein Dokumentarfilm für Kinder

Migration hat viele Seiten. Selten denkt man da an die Kinder. Die kommen ja immer gut zurecht. Neue Freunde finden sie woanders allemal. Sprachen lernen sie im Flug. Ihr Gehirn ist ja noch jung. Wie oft aber hat man schon Kinder gegen ihren Willen verpflanzt?

Warum ziehen Kinder mit ihren Eltern in ein fremdes Land um? Warum verlassen sie ihre Freunde, die Schule, das Lieb­lings­kus­chel­tier (ja, eine kleine Anspie­lung an Caroline Links Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, der gerade im Kino läuft)? Weil die Eltern Arbeit im Ausland gefunden haben. Weil die Eltern in ihrem Land nicht mehr sagen dürfen, was sie denken. Weil Krieg ist, und die Menschen sterben, oder voller Angst vor Bomben in ihren Wohnungen sitzen. Oder weil die Mutter ganz einfach aus einem anderen Land als der Vater kommt (oder umgekehrt). Und viel­leicht hat ja die Mutter (oder der Vater) ein bisschen Heimweh. Oder sie wollen, dass ihre Kinder auch die andere Kultur kennen­lernen. Wie gesagt: Migration hat viele Seiten.

Die deutsch­ko­rea­ni­sche Filme­ma­cherin Susanne Mi-Son Quester (ihr Vater ist Deutscher, die Mutter ist Südko­rea­nerin, ein Land, in dem lange Zeit das Militär regiert hat) hat nun mit der in Deutsch­land lebenden Japanerin Mieko Azuma genau darüber einen Doku­men­tar­film für Kinder gemacht. Er heißt: Warum ich hier bin. In ihm erzählen Kinder, die nicht aus Deutsch­land kommen, warum sie hier sind. Also in Deutsch­land. Die Kinder – und das kann über­ra­schen, wenn man nur so darüber hört – sind nicht alle mehr im Kindes­alter. Aber wie man weiß, bleibt man immer das Kind von Eltern, auch wenn man schon groß und erwachsen ist. Das kann man dann an den Eltern merken, die einen immer noch als Kind behandeln. Auch wenn man schon groß und erwachsen ist.

Unter denen, die für den Film ihre Geschichte erzählen, ist auch eine Omi, die Frau Schiller. Sie ist am Ende des Zweiten Welt­kriegs als Kind ganz allein aus Ostpreußen geflohen, weil es nichts mehr zu essen gab. Man nannte sie »Wolfskind«, und sie kam bis nach Litauen, wo sie von einer netten Familie aufge­nommen wurde. Jetzt ist sie 81 Jahre und schon steinalt. Sie kann sich aber noch genau an ihren Weg durch die Wildnis erinnern.

Oder Cacau. Er kommt aus Brasilien und wollte Fußballer werden. Ganz allein kam er als Teenager nach Deutsch­land und wurde sogar Deutscher Meister. Heute kennt man ihn weltweit nur unter seinem Spitz­namen, den er sich selbst gegeben hat, weil er Claudemir, das ist sein richtiger Name, nicht ausspre­chen konnte. So hat er seine Kindheit mit nach Deutsch­land gebracht.

Aber auch immer-noch-Kinder kommen in dem Film vor, also richtige Kinder. Kennt ihr die Montags­maler? Viel­leicht von Youtube? Irgendwie erinnert einen das immer an diese alte Sendung, wenn Kinder im Grund­schul­alter was vor der Kamera erzählen. Das wollt ihr viel­leicht nicht hören, aber das ist echt süß! Ahmed will bestimmt nicht, dass ihn einer süß findet, aber viel­leicht gibt ihm das ja auch ein wenig Trost. Ahmed kommt aus Syrien. Er ist mit seinen Eltern und seinen beiden jüngeren Brüdern über das Mittel­meer geflohen. Das hat nichts zu tun mit einer gemüt­li­chen Dampf­er­fahrt, sondern das ist wirklich gefähr­lich. Aber es ist ja alles noch einmal gut gegangen.

Und weil die Kinder, die großen und die kleinen, die alten und die jungen, alle von Erleb­nissen erzählen, die man schlecht filmen kann, weil sie nämlich schon vorbei sind, haben die Filme­ma­che­rinnen die Erin­ne­rungen der Kinder einfach gezeichnet – und tolle Animes gemacht. Jedes sieht anders aus, je nachdem, welches Kind seine Geschichte erzählt. Fünf verschie­dene Zeich­ner­teams (die Anima­tionen stammen Gitte Hellwig, Daniella Koffler, Lisa Neubauer, Franziska Poike, Simon Stein­horst, Hannah Stragholz, Kazuma Taketani) haben hier ihren Buntstift und Malkasten ausge­packt und alles so gemalt, als wären sie dabei gewesen.

Wenn ihr den Film gesehen habt: Habt ihr viel­leicht auch Lust, etwas aus eurer Kindheit zu malen? Oder ihr malt einfach euer Haus, in dem ihr gerade wohnt. Viel­leicht auch eure Katze, euren Hund, oder wen ihr besonders liebhabt. Dann könnt ihr euch später daran erinnern.