Voll Frontal

Full Frontal

USA 2002 · 101 min. · FSK: ab 12
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch:
Kamera: Peter Andrews
Darsteller: David Duchovny, Nicky Katt, Catherine Keener, Julia Roberts u.a.
Roberts und Underwood in Hollywood

Jet Generation

Godard meets Hollywood

Ein Freitag in Los Angeles – Showbiz und Shopping, Gerede und Getue, die Welt der Reichen und Schönen, der Hotel­lobbys und edlen Apart­ments. Man begleitet ein paar Menschen mit der Hand­ka­mera, die in ihrer Hektik und Hysterie ganz gut zur Atmo­s­phäre passt, in die sich der Film vertieft. Es sind Unter­su­chungen der Ober­fläche, Erkun­dungen eines Terrains, das gar nicht in Bilder zu fassen ist, wenn es nicht durch eine Geschichte geordnet und gebändigt wird – Glamourama und doch das Leben selbst. Robert Altman hat vor Jahren etwas ganz Ähnliches probiert, als er in Pret-à-Porter die Mode­branche aufs Korn nahm. Full Frontal, formal betrachtet eine Satire über das Show-Business, versucht es noch kalei­do­sko­par­tiger.

Zuletzt hat Ener­gie­bündel Steven Soder­bergh drei Filme in einem Jahr gemacht, jeder völlig anders. Full Frontal ist das Zwischen­s­tück zwischen dem allzu anbie­dernden Publi­kums­renner Ocean’s Eleven und dem sperrigen Kammer­spiel Solaris. Längst ist Soder­bergh anerkannt als einer der ganz Großen, kann sich Filme erlauben wie diesen, der anderen das Genick brechen würde. Was für ihn spricht: Er wagt es wirklich, traut sich, Regeln zu miss­achten, Fragmente so disparat und komplex zu belassen, wie man sie nur im wirk­li­chen Leben vorfindet: Ein Star (Julia Roberts) gibt sich als Jour­na­listin aus, und führt ein fiktives Interview mit einem schwarzen Schau­spieler (Blair Underwood), das nebenbei von allen Klischees handelt, denen Schwarze in Hollywood so ausge­setzt sind; ein anderer Darsteller probt an einem Off-Theater ein Hitler-Stück in dem er Hitler spielt; ein Produzent (David Duchovny) tyran­ni­siert seine Mitar­beiter, vor lauter Selbst­be­zo­gen­heit hat sein Leben jeden Sinn verloren; eine Ehe ist kurz vor dem Kollaps, die Frau (Catherine Keener) schreibt einen Abschieds­brief, der seinen Adres­saten aber nie erreicht, der Mann wird gefeuert, der Hund frisst Hasch­plätz­chen. Alle haben mit allen irgend­etwas zu tun – Short Cuts der Jet-Gene­ra­tion. Und über alldem dreht ein Regisseur (David Fincher ausnahms­weise als Darsteller) einen Film mit Brad Pitt.

Full Frontal ist ein Film, den man gleich nochmal sehen möchte. Ein wage­mu­tiges Expe­ri­ment, an dem ein paar nahe­lie­gende Vorwürfe – Narzissmus, Eitelkeit – abperlen, weil sie ja das Thema des Films sind. So überwiegt das freche Spiel mit Stereo­typen, die witzigen Augen­blicke, von denen der Film über­quellt, die wunder­vollen Auftritte von Roberts, Pitt und Fincher. Soder­bergh beweist hier glück­li­cher­weise, dass man sich auch in Zukunft nicht auf ihn verlassen kann, dass Ocean’s Eleven ein Ausrut­scher ins Konven­tio­nelle bleibt, und er mit den Film-Autoren Robert Altman, Mike Figgis und James Toback mehr Ähnlich­keiten hat, als mit den Routi­niers der Branche. Wenn Godard je in Hollywood gedreht hätte, wäre es ein Film wie dieser.