Unterwegs im Namen der Kaiserin

Deutschland 2025 · 92 min.
Regie: Jovana Reisinger
Drehbuch:
Kamera: Lilli-Rose Pongratz
Darsteller: Julia Windischbauer, Thomas Hauser, Benjamin Radjaipour u.a.
Unterwegs im Namen der Kaiserin
Dieser Film ist ein Gesamtkunstwerk
(Foto: Filmfest München | Jovana Reisinger)

Nur das Versprechen von Glück

Jovana Reisinger bricht in einer kunstvollen Sprach- und Kostüm-Travestie mit dem Sisi-Kult

Was tut man nicht alles um der Schönheit willen? Man legt sich zum Beispiel Fleisch­lappen ins Gesicht und martert sich mit dem Essen. Schönheit aber kommt auch von der richtigen Haltung, der attitude. Dazu gehört auch die Erwar­tungs­hal­tung. Wer für Schönheit und Jugend bereit ist, wird auch Schönheit und Jugend ernten. Schon seit Gene­ra­tionen wissen die Frauen: Wer schön sein will, muss leiden. Auf Stöckel­schuhen laufen, sich in enge Kleider hungern, bei Minus­tem­pe­ra­turen frieren. Sich auf dem Laufband quälen. Schlafen, wenn man nicht müde ist.

Jetzt hat Jovana Reisinger, Schrift­stel­lerin (»Spit­zen­rei­te­rinnen«) und Kolum­nistin der »FAZ« und der »Vogue«, wo sie über die »subver­sive Kraft der Tussi«, das Abtrei­bungs­recht, Öster­reich (sie stammt aus Öster­reich), Frauen über 50 und den Schmarrn mit dem »Guilty Pleasure« (Genuss ist unschuldig) schreibt, einen Film gemacht, der blendend ins femi­nis­tisch-glamour­po­si­tive Portfolio zu passend scheint: Unterwegs im Namen der Kaiserin.

Die Kaiserin, das ist natürlich the one and the only: Sisi.

Sisi beherrschte den Körper­kult, kulti­vierte Wespen­taille, Wander­schaft und Veil­cheneis. Zu ihrer Diät gehörten Fleisch­suppe, Ochsen­blut und Hirn-Consommé. Gerne stieg sie im Felda­finger Hotel Strauch ab. Nirgendwo in Bayern sind die Menschen dünner als am Starn­berger See. Das haben sie der Strahl­kraft ihrer kaiser­li­chen Präsenz zu verdanken, die zwei­fels­ohne noch immer wirkt.

Jüngst berich­tete die »Süddeut­sche Zeitung« von »Be Beauty«-Führungen, die eine promo­vierte Histo­ri­kerin auf den Spuren von Sisi anbietet. Auch in Reisin­gers Film geht es darum, dass mit Sisi ein blen­dendes Geschäft gemacht werden kann, das bunte Blüten treibt, seitdem auch noch Longevity trendet. Reisinger greift das auf, bezieht Sisi auf die Jetztzeit, als Projek­ti­ons­fläche für den ewigen Schön­heits- und Jugend­wahn. Und findet darüber zu einem lustvoll-distan­zierten Umgang und zu einer hyper­bo­li­schen Form, die Sisi zum Abstraktum steigert, zur Wellness-Fürstin und kaiser­li­chen Stylistin. Komplett unter­lässt sie es, Sisi mimetisch nach­zu­bilden und in ihr eine ernst­hafte Botschaf­terin für die Gegenwart zu suchen.

Anders als der Rest der deutschen Film­branche. In den letzten Jahren fand eine Arbeit am Sisi-Mythos statt, der die Kaiser­jahre mit Romy Schneider, die eine Depres­sion aus der TV-Idylle davontrug und sich nach Frank­reich flüchtete, abstreifen wollte – um sich Sisi als Stoff zurück­zu­holen. Das Rezept war, die Kaiserin, die auf dem Rücken der Pferde wild galop­pierte, eman­zi­pa­to­risch umzu­deuten, alte Heimat­werte abzu­werfen und die Indi­vi­du­al­werte in den Vorder­grund zu holen: im Schön­heits-, Jugend- und Gesund­heits­kult. Vicky Krieps zwängte sich in Marie Kreutzers Corsage (2022) als Kaiserin ins Korsett, während der Hof peinlich genau auf ihr Gewicht achtete. Rebel­lisch, wie sie war, ließ sie sich von ihrer Hofdame doubeln, um endlich essen zu dürfen. Der Sisi-Kult war zurück.

Die Fort­schrei­bung des neuen Sisi-Images kam mit Frauke Fins­ter­wal­ders Sisi & ich (2023), in der aus der Perspek­tive der Hofdame Irma die Kaiserin als wander­wü­tige Sport­fa­na­ti­kerin insze­niert wurde, für die der Blick übers Tal alles ist. Seit 2021 gibt es auf RTL eine kostüm­ge­treue Sisi-Perp­etu­ie­rung in Form einer Serie: »Wir begleiten Sisi vom unbe­schwerten Mädchen, das gerade so ein bisschen selbst lernt, erwachsen zu werden und ihre eigene Meinung zu sagen, hin zu einer Frau, die sich damit ausein­an­der­setzen musste, in einer neuen Welt klar zu kommen.« Wowow. Das ist die Kaiser­zeit als Coming-of-Age, noch nie fühlten wir so sehr mit der Kaiserin. Sisi ist endlich eine aus Fleisch und Blut.

Da wirkt Jovana Reisinger mit ihrer über­höhten Persi­flage für manch einen wie eine Spiel­ver­der­berin. Natu­ra­lismus und Arbeit am Image aber haben die Gesamt­künst­lerin noch nie inter­es­siert. Mit der Kurz­film­reihe »pretty pretty mad sad« stellte sie sich 2019 als Filme­ma­cherin vor, die Worte und Figuren genüss­lich im Klischee baden lässt, um die Poesie der Ober­fläche hervor­treten zu lassen.

Unterwegs im Namen der Kaiserin ist so auch eine bis ins letzte Raum- und Kostüm-Detail ausge­stat­tete Spie­gel­fläche für den Sisi-Kult. Romy (Julia Windisch­bauer), Karlheinz (Thomas Hauser) und Magda Gustav (Benjamin Radjai­pour) unter­nehmen eine Pilger­schaft in die Berge, auf der sie eigent­lich den sagen­um­wo­genen Jung­brunnen finden wollen. Statt­dessen erscheint ihnen eine Fee, die dem styli­schen Trio unter­breitet, dass sie die Reinkar­na­tion von Kaiserin Sisi erwartet. Nur habe sie sich noch nicht entschieden, in welchem Luxus­körper sie sich nieder­lassen möchte. In Erwartung der Kaiserin sollen sie sich den Habitus dieser ersten Schön­heits­kö­nigin aneignen, gewis­ser­maßen als Will­kom­mens­kultur.

In Wildbad Kreuth, was dem real exis­tie­renden Hotel Kaiserin Elisabeth am Starn­berger See durchaus ähnlich sieht, unter­ziehen sie sich Beauty-Treat­ments, schlürfen Verjün­gungs­suppe und frönen üppigen Püree- und Nach­spei­se­bomben. Zarte Schlei­fen­ohr­ringe, raschelnde Abend­roben und die fein zise­lierte Sprache aus der Feder der begna­deten Schrei­berin Jovana Reisinger geben das Rundum­paket. »Fad« sei die Suppe, ja, »aber ich spüre, wieviel Kraft sie mir gibt. Ich könnte ein ganzes Kaiser­reich leiten.« Nicht nur im Body, auch im Wording teilt sich die attitude mit. In den Dekors, Roben und Speisen regiert die Farbe rosa, alles ist süßlich aufge­kitscht, in einer Travestie der Über­bie­tung, als wäre Sofia Coppolas Marie Antoi­nette die Stylistin gewesen.

Reisinger hatte bereits vor einigen Jahren in einer Kunst­in­stal­la­tion ein Barbie-ähnliches Envi­ron­ment geschaffen, als noch niemand von der Mattel-Umdeutung der Plas­tik­puppe ahnte. Auch in ihrem Film gehorcht die Raum­aus­stat­tung mehr den Regeln der Kunst als der Mimesis. Reisin­gers abge­fah­rene Erzählung ist eine künst­le­risch-gebro­chene Reflexion, die die Fixierung auf den weib­li­chen Körper hinter sich lässt, und verwei­gert sich so auch der femi­nis­ti­schen Lesart, die bei ihren Vorgän­ge­rinnen en vogue gewesen war. Aber auch sonst funk­tio­niert die Diskurs­ver­ein­nah­mung bei ihr nicht. Ihre Sisi ist queer und gender­fluide, nur weil zwei Männer, von denen einer Magda heißt, die Frau begleiten und sich wie sie Frau­en­kleider anziehen? Who cares. Haut ist auch nur eine Verklei­dung der Seele. Darunter aber liegt die Sehnsucht der Figuren nach der Kaiserin. Oder, wie Stendhal sagte: Die Schönheit ist auch nur das Verspre­chen von Glück.