USA 2013 · 101 min. · FSK: ab 12 Regie: Don Scardino Drehbuch: Jonathan Goldstein, John Francis Daley Kamera: Matthew Clark Darsteller: Steve Carell, Steve Buscemi, Olivia Wilde, Jim Carrey, James Gandolfini u.a. |
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Zaubern in einem wenig zauberhaften Arbeitsalltag |
Herr und Meister! hör mich rufen! -
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.
(Johann Wolfgang Goethe „Der Zauberlehrling“, 1827)
Zaubern in prekären Zeiten bedeutet für die gefragten Zauberer auch weiterhin beruflichen Erfolg. Die weniger bis gar nicht Gefragten können ihren Berufsstand schädigen und dabei Geld verdienen: indem sie im Fernsehen anonym und maskiert auftreten und die Funktionsweise von Zaubertricks verraten. Die ruf- und geschäftsschädigende US-amerikanische Fernsehserie Breaking the Magicians Code: Magics Biggest Secrets Finally Revealed (1997 bis 2009) lief im deutschen Privatfernsehen ab 1998 unter dem Titel Aus der Zauber – Die geheimen Tricks der großen Magier.
Mehr Berufsehre zeigen Burt Wonderstone und Anton Marvelton. Der Film Der unglaubliche Burt Wonderstone von Don Scardino erzählt die Geschichte der zwei erfolgreichen Zauberlehrlinge von Las Vegas.
Dabei fing alles überhaupt nicht vielversprechend an. Was kann schon aus einem Jungen werden, der unbeliebt ist, keine Freunde und keinen anwesenden Vater hat?
Er, der einsame Burt, bekommt zu seinem 10. Geburtstag von seiner alleinerziehenden Mutter einen Zauberkasten geschenkt. Dadurch kommt er in Kontakt mit einem anderen Jungen ohne Freunde (Anton).
Und siehe da: 30 Jahre später ist Burt professioneller Magier in Las Vegas. Anton auch. Sie springen in Glitzerklamotten und lustigen hochtoupierten Fönfrisuren mit einer Prise Vokuhila* über die Bühne. Und das immer und immer wieder zu den Klängen von „Abracadabra“ der Steve Miller Band. In den ersten zehn Jahren läuft das Start Up-Unternehmen sehr gut. Die Groupies geben sich den Erfolgreichen gern und willig hin.
Die neue Zeit – „die Zukunft der Magie“ – erscheint in Form von Steve Gray. Dieser wird von einem sehr langhaarigen Jim Carrey gespielt, der alle Erwartungen erfüllt.
Der durchgeknallte Steve Gray weckt wüste Erinnerungen an die Extrem-TV-Show Jack Ass (2000 bis 2002), in der gefährliche Stunts und anderer Blödsinn aufgeführt wurden. Im deutschen Abklatsch MTV Freak Show (2002) tobte Uschi Glas' Ältester
Benjamin Tewaag mit seinen Kumpels Maze, Freddy und Klaus herum.
Der Straßenzauberer Steve Gray testet Reizschwellen aus. Er schläft auf glühenden Kohlen, nimmt exzessive Selbstverletzungen vor und tritt in einen Urinzurückhaltungswettbewerb mit sich selbst. Die Zauberkünstler-Superstars Burt Wonderstone und Anton Marvelton sind mit ihrem Saubermann-Familien-Image gefährdet. Burt W. zu Steve G.: „Das ist keine Magie. Das ist Affen-Porno.“
Im Ringelreihen der Zaubererpersönlichkeiten wirbeln der Magier der alten Schule Rance Holloway (der mit dem Täubchen und dem Häschen im Hut), die Glitzer-Magic-Boys Burt+Anton und der unkonventionelle Brachial-Karacho-Man Steve Gray umeinander. In der Kategorie „Zauberer mit Raubkatze“ begegnen wir Michael Bully Herbig. Der Realo-Illusionist David Copperfield latscht auch mal durchs Bild und plaudert aus dem Zauberkästchen.
Ohne die Illusionen zu verlieren schleudert die Geschichte aus dem gar nicht so zauberhaften Arbeitsalltag alle Beteiligten hin und her. Die Situationen im Konkurrenzkampf eskalieren ins Verzweifelte, Absurde, Traurige und Bitterböse.
Was bleibt einem geschassten Freelancer-Magier? Er sucht sich eine neue Beschäftigung und zieht innerhalb dieser mit einem Kamerateam in ein armes, lateinamerikanisches Land, um dort farbenfrohe Zauberartikel an hungernde Kinder zu verschenken. Mit bunten Luftballons im Mund sterben die Kinder vor laufender Kamera an ihrer Unterernährung.
Doch der Phönix aus der Asche schlägt schon wild mit den Flügeln. Es wäre kein Hollywoodfilm, wenn sich nicht die Volksweisheit »Wenn Du denkst, es geht nichts mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.« als wahr, richtig und gut erweisen würde. Dieses Licht sind nicht die Scheinwerfer eines einem im Tunnel entgegenkommenden Zuges. Was der nicht immer hellsichtige Zeitgeist und der gnadenlose Arbeitsmarkt fordern, gelingt phantasievoll, selbstkritisch, charmant, witzig und
selbstbewusst: Die trickreichen Protagonisten „erfinden sich neu“ und lachen dem kalten Wind der Freiheit mitten ins Gesicht.
Nur die Groupies sind weg.
Zauberer aller Länder, lasst Euch nicht unterkriegen! Harry Potter gibt’s nur im Märchen.
*vorn kurz, hinten lang