Die zwei Päpste

The Two Popes

GB/I/USA/RA 2019 · 126 min. · FSK: ab 12
Regie: Fernando Meirelles
Drehbuch:
Kamera: César Charlone
Darsteller: Anthony Hopkins, Jonathan Pryce, Juan Minujín, Federico Torre, Sidney Cole u.a.
Wohlfühlkino mit sanften Lügen
(Foto: Netflix)

Eine Mogelpackung

Eine Begegnung, die es eigent­lich nicht geben kann: Zwei Päpste treffen einander. Es gab sie auch nicht, obwohl das der Titel sugge­riert, denn die Handlung spielt im Jahr 2012, als Josef Ratzinger noch als »Papa-Ratzi« Benedikt XVI. war und Jorge Mario Bergoglio noch nicht Papst Fran­ziskus, sondern Kardinal von Buenos Aires.
Aber »Ein Papst« wäre kein so schicker Titel gewesen, und auch in dieser Form hat es das Treffen nach allem, was wir wissen, nie gegeben. Denn »Die zwei Päpste« erzählt von einer fiktiven Begegnung der beiden Männer. Anlass ist ein Rück­tritts­ge­such Bergo­glios, der sich als Kardinal geschei­tert fühlt. Doch der amtie­rende Papst zitiert ihn nach Rom, um heraus­finden, ob Bergoglio ein würdiger Nach­folger ist – auch das ist als Hören­sagen und Behaup­tung.

Diese Prämissen sind schon für sich ein starkes Stück! Nimmt man sie ernst, bedeutet es nichts anderes, dass eigent­lich der erzkon­ser­va­tive Ratzinger der Strip­pen­zieher hinter der Wahl des progres­siven Bergoglio gewesen ist. Und das, obwohl dieser bei der Papstwahl 2005 gegen den Deutschen unterlag, und zuvor, wie seitdem in so ziemlich jeder Hinsicht, für einen anderen kirchen­po­li­ti­schen Kurs steht. So aber schreiben der Film und sein brasi­lia­ni­scher Regisseur Fernando Mereilles in skan­dalöser Weise die histo­ri­sche Wahrheit um – Kino als Mittel post­fak­ti­scher Geschichts­schrei­bung. Die Macher charak­te­ri­sieren Bergoglio/Fran­ziskus auch als schwachen Menschen, Glaubens- und Kirchen­zweifler, und behaupten, er habe zurück­treten wollen – eine Denun­zia­tion.

Stilis­tisch ist dieser Film »Kitsch as Kitsch can«, ein Beispiel für formal unendlich mediokres Hollywood-Kino, star­ge­spickt, verquas­selt, sich um jede echte Proble­matik herum­drü­ckend und so lang­weilig, wie man es sich nur vorstellen kann. Ausge­rechnet einen klas­si­schen Film­bö­se­wicht und Seri­en­mör­der­dar­steller (wenn auch mit Shake­speare-Vergan­gen­heit) wie Anthony Hopkins als Papst Benedikt zu besetzen, ist zwar ein inter­es­santer Einfall und auch Jonathan Pryce als Bergoglio ist nicht nur durch sein Aussehen eine gute Wahl. Aber der Rest: pffffh.

Der Film zeigt Papst Benedikt, von dem man außer seinen erzkon­ser­va­tiven Ansichten sonst nur wenig weiß auch »als Mensch«; jeden­falls so wie Hollywood und das in seiner Tradition stehende Wohl­fühl­kino mit seinen sanften Lügen sich und vor allem uns »das Mensch­liche« gern vorstellen: Da sitzt der Papa-Ratzi erschöpft vom Tagwerk im Weinberg des Herrn auf dem Fern­seh­sessel, guckt »Kommissar Rex« und schlürft dazu eine Fanta. Oder er spielt Zarah Leander-Schlager auf dem Klavier.
Dagegen Bergoglio als lustiger Sympath: Er summt Abbas »Dancing Queen« und isst Pizza.

Der größte Teil der Laufzeit gehört aber mal mehr, mal weniger feurigen Dialogen. Da geht es um univer­sale Themen wie Verant­wor­tung, Schuld und Vergebung – allgemein und wohlfeil wie vieles.
Ernst wird es allen­falls wenn es in zum Teil ermü­denden Rück­blick­spas­sagen um Bergo­glios Schweigen und seine Verwick­lungen während der argen­ti­ni­schen Diktatur geht. Aber alles andere, das weniger in eine Sonn­tags­pre­digt passt, allem voran der monströse Miss­brauchs­skandal, der offenbar tatsäch­lich die Ursache für Benedikts beispiel­losen Rücktritt war, bleibt weit­ge­hend ausge­blendet. Ebenso Korrup­tion und Enthül­lungen über Verbin­dungen zur Mafia

Die zwei Päpste blendet die politischen Dimension seines Themas nahezu komplett aus. Stattdessen unternimmt diese Netflix-Produktion eine Ehrenrettung der schlechtesten Seiten der katholischen Kirche mit den Mitteln des Unterhaltungskinos.