USA 2023 · 92 min. · FSK: ab 0 Regie: Walt Dohrn Drehbuch: Jonathan Aibel, Glenn Berger, Elizabeth Tippet Musik: Theodore Shapiro Schnitt: Nick Fletcher |
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Auf der Suche nach der totalen Harmonie... | ||
(Foto: Universal) |
Schon 2016 konnte man sich ein wenig verwirrt den Kopf kratzen, bot der erste Trolls-Film doch eine fast schon brutale Spiegelung amerikanischer Familienideale und ihrer Dekonstruktion. Da gab es das tieftraurige Megamonstervolk der Bergen, das wahres Glück nur durch den einmal jährlichen Verzehr eines Trolls erreichen konnte, ein Minimonstervolk, das ausschließlich glücklich und ständig am Kuscheln ist und wo Widerstand gegen dieses Diktats des Glücks fast schon einem Terrorakt gleichkommt. Der Streit um Land, Rechte und die richtige Ausübung eines glücklichen, also quasireligiösen Lebens gaben schon damals Anlass, das ganze auch politisch sehen zu können, so etwas wie ein Versuchsutopiefeld für den Nahen Osten.
Der zweite Teil – Trolls World Tour – versank dann leider unter lautem Gezeter 2020 wegen der Pandemie sehr schnell im Stream-Nirwana, und ist die musikalische Brücke zum nun dritten Teil des Franchises, das in einer nun fast perfekten Utopie stattfindet, einer Art Palästisrael, in dem sich nicht mehr die Köpfe eingeschlagen werden und die Vergangenheit nur mehr eine dunkle Wolke ist, die allerdings durch eine versprengte Enklave traumatisierter Trolls wieder zu regnen beginnt und in der wie im zweiten Teil die Musik und ein dunkles Familiengeheimnis im Zentrum stehen. Auch das alles könnte man natürlich wunderbar mit heutigen psychologischen Nähanleitungen angehen, die vorgeben, wie man am besten transgenerationale Traumata vermeidet. Dieses assoziative Angebote ist eine Stärke der Filmreihe, die vor allem jene Erwachsenen bei der Stange hält, die vom oberflächlichen Bonbon-Entertainment im ersten Augenblick vielleicht ein wenig abgeschreckt sein könnten. Aber auch die Geschichte selbst könnte dabei helfen.
Branch, im Original von Justin Timberlake gesprochen und vor allem gesungen, und Poppy mit der Stimme von Anna Kendrick, stehen im Zentrum dieser Geschichte, die so wild, schnell und kreativ geschnitten ist, dass es Momente gibt, die auch durch ihre ästhetischen Verfremdungen so bizarr geraten sind, dass man an die musikalischen und künstlerischen Explosionen und Expositionen der 1968er unter Drogeneinfluss erinnert wird. Aber die Geschichte um Diebstahl künstlerischen Eigentums ist dann eine ganz gegenwärtige, wird hier doch das, was durch soziale Medien und aufgebauschte Influencer in unserer Gegenwart immer wieder bizarrste Formen annimmt, familienfilmgerecht runtergebrochen und mit triefender Ironie und immer wieder auch brutalem Witz gespiegelt.
Und das dabei wieder die Prämisse des totalen Glücks – sorry: der totalen Familienharmonie in den Raum gestellt wird, um sich innerlich und individuell zu befreien – was natürlich genau so unsinnig ist wie einst der Ausruf des totalen Krieges – ist zum einen ein fast schon zärtlicher Verweis auf den ersten Teil und endet dann auch hier in einer psychologisch wirklich klugen Lösung, die zwar im ersten Augenblick wie eine LSD-Überdosierung aussehen mag. Aber dass weniger dann doch oft mehr ist und radikaler Ruhm am Ende immer auf Kosten der Bergenheit, Trollheit oder Menschheit geht, ist dann einfach zu sympathisch um, um sagen zu müssen, dass auch weniger platt manchmal besser wäre.