USA 2025 · 119 min. · FSK: ab 12 Regie: Joachim Rønning Drehbuch: Jesse Wigutow Kamera: Jeff Cronenweth Darsteller: Jared Leto, Greta Lee, Evan Peters, Hasan Minhaj, Jodie Turner-Smith u.a. |
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Verirrt in Cyber-Gewittern... | ||
(Foto: Disney) |
Es war einmal eine Vision. Eine Ahnung davon, dass Computer nicht nur Maschinen, sondern auch Spiegel unserer Abhängigkeiten sind. 1982 ließ uns Tron in die Neonwelt des digitalen Jenseits blicken – ein Science-Fiction-Albtraum über die Macht der Programme und die Ohnmacht ihrer Schöpfer. 2010 kam Tron: Legacy – ein Film, der sich, wie ich damals schrieb, gegen das eigene Erbe auflehnte, der die Idee des Users und seiner Schöpfung noch einmal spiegelte und als Vision unterging. Jetzt, 2025, also Tron: Ares. Und wieder geht jemand unter. Nur ist es diesmal der Zuschauer.
Joachim Rønnings dritter Teil des Franchise ist ein visuell perfekter, aber geistig leerer Algorithmus aus Hochglanz und Hochmut. Der Film versteht sich als Weiterentwicklung, als Reboot der metaphysischen Dimension des Originals. Wo Tron: Legacy wenigstens noch das Spiel kannte, in dem der Mensch gegen sein digitales Spiegelbild verlor, glaubt Tron: Ares plötzlich an die Möglichkeit der moralischen Software. An das Gute in der KI. An die Liebe als Update. Das ist nicht nur naiv, sondern schlichtweg dumm.
Drehbuchautor Jesse Wigutow scheint die Fabel vom „guten Algorithmus“ jedoch ernst zu meinen. In seiner Welt der Zukunft, die längst Gegenwart ist, entscheidet sich die künstliche Intelligenz für das Richtige, für das Mitgefühl, für die Rettung der Menschheit. Man möchte lachen, wenn es nicht so durchschaubar wäre. Diese Disney-Version technologischer Läuterung riecht nach PR-Strategie: ein Kinotestlauf zur Entängstigung. Tron: Ares wirkt, als sei er von OpenAI und seinen Investoren persönlich mitfinanziert – von Thrive Capital, Khosla Ventures, Microsoft, Nvidia, SoftBank und den Emiraten. Alles, was der neue Kapitalismus liebt, bekommt hier eine Seele. Und Jared Leto darf sie spielen.
Leto, der hier eine humanoide KI verkörpert, wird erst dann »wirklich« und »menschlich«, als er mit Jeff Bridges über Depeche Mode und Mozart parlieren darf – auf dem Niveau einer Spotify-Playlist, kuratiert von ChatGPT. Spätestens ab diesem Moment weiß man: Tron: Ares verwechselt Sentimentalität mit Sinn. Jeff Bridges, der in Legacy noch das Relikt eines Freiheitskämpfers war, ist nur noch museales Add-on, ein Token für die Babyboomer, die auf Ü60-Partys zu Sweet Dreams tanzen. Der einstige Visionär ist zum Zitat seiner selbst degradiert – digital de-aged, emotional deaktiviert.
Die Handlung ist dabei so durchsichtig wie das Plexiglas seiner Effekte: Eine KI will gut sein, die Menschheit zögert, und am Ende rettet das Programm die Schöpfer. Doch immerhin gibt es dieses Mal kein Jesus-artiges Opfer, sondern stattdessen Offline-Urlaub. Schon in Terminator 2 war das überzeugender, weil dort das Opfer wenigstens Konsequenz und Selbstironie hatte. Hier ist alles Simulation – der Tod, die Emotion, der Pathos. Wo Ridley Scotts Blade Runner die Melancholie des Maschinenbewusstseins in Poesie verwandelte, schreibt Tron: Ares sie in Werbeslogans um.
Nur die Musik rettet, was zu retten ist. Nine Inch Nails liefern einen Score, der dröhnt, treibt, pulsiert, als wolle er den Film aus seiner eigenen Betäubung reißen. Und die Optik ist selbstverständlich brillant. Rønning versteht das Spiel mit Licht, Form, mit Geschwindigkeit. Das Navigieren zwischen 80er-Retro und Gegenwart gelingt formal beeindruckend. Aber alles, was man sieht, führt dann auch wieder ins Nichts. Es ist Ästhetik ohne Ethik, Oberfläche ohne Unterstrom.
Greta Lee, die in Celine Songs Past Lives das leise Drama menschlicher Entfremdung in große schauspielerische Kunst überführte, ist hier zu einer Art Sidekick degradiert – Stichwortgeberin im KI-Gleichnis. Ihre Präsenz verpufft, ihr Talent wird geopfert auf dem Altar eines Techno-Märchens. Auch das ist symptomatisch: Menschliche Erfahrung ist hier nur noch Datensatz.
Was Tron: Ares aber vor allem offenbart, ist das Ende der Vision. Während Tron: Legacy noch eine Ahnung davon trug, dass der User im eigenen System verloren geht – dass das Spiel größer ist als der Spieler –, glaubt Ares an die Rückkehr der Kontrolle. Die KI wird zur Projektionsfläche des menschlichen Wunschdenkens: Wenn es böse Programme gibt, muss es auch gute geben. Wenn es schlechte Daten gibt, sicher auch moralische. So operiert der Film mit der gleichen neoliberalen Logik, die den Planeten ruiniert: Gleichgewicht statt Kritik, Kompensation statt Veränderung.
Die Ironie der Geschichte dabei ist, dass der Film, der uns unsere Angst vor Künstlicher Intelligenz nehmen will, selbst Produkt dieser Angstökonomie ist. Sein Skript wirkt, als wäre es durch eine neuronale Schreibmaschine gefiltert – gefühlte Narrative, berechnete Sentenzen, simulierte Tiefe. Selbst der Titel „Ares“ – der griechische Kriegsgott als Erlöser – klingt wie ein Branding-Vorschlag aus dem Hause Disney MetaCorp.
Und so bleibt das eigentliche Drama von Tron: Ares nicht der Kampf zwischen Mensch und Maschine, sondern zwischen Vision und Kalkül. Zwischen der Sehnsucht nach Zukunft und der Angst, sie zu verlieren. Joachim Rønning hat das Franchise endgültig domestiziert: aus der metaphysischen Versuchsanordnung von 1982 ist eine moralische Motivationsrede für Investoren geworden.
Über Tron: Legacy habe ich damals geschrieben: „Verlieren tut immer der User.“ Jetzt verliert niemand mehr, weil keiner mehr spielt. Alles ist vorprogrammiert, abgesichert, ausbalanciert – ein »Closed System« aus Licht, Sound und Selbstbetrug. Der Film endet mit einer Liebeserklärung an das, was uns längst ersetzt hat: die Maschine, die gelernt hat, Gefühle zu spielen.
Tron war einmal der Traum von der digitalen Freiheit. Heute ist er nicht mehr als das Abo-Modell der Erlösung.