Der Tiger

Deutschland 2025 · 122 min. · FSK: ab 16
Regie: Dennis Gansel
Drehbuch:
Kamera: Carlo Jelavic
Darsteller: Laurence Rupp, David Schütter, Sebastian Urzendowsky, Leonard Kunz, Yoran Leicher u.a.
Der Tiger
Gemeinsam stark...
(Foto: Amazon Studios)

Ins Herz der Finsternis

Dennis Gansel bewegt sich mit seinem 2. Weltkriegs-Panzerfilm auf zu vielen Kriegsfilmspuren, um einen markanten Abdruck im Schlamm der Zeit zu hinterlassen

Keine Frage: Anti­kriegs­filme sind uner­läss­lich, mehr noch in Zeiten wie den unseren, in denen einem vor lauter Kriegs­schau­plätzen angst und bange wird und Verdrän­gungs­me­cha­nismen so langsam überhand gewinnen. Und ange­sichts des großen Erfolgs von Edward Bergers Neuver­fil­mung von Im Westen nichts Neues (2022) ist es vers­tänd­lich, auf einen der deutschen Angriffs­kriege zurück­zu­greifen, mehr noch, als Dennis Gansel bereits mit seinem Film Napola – Elite für den Führer (2024) über­zeu­gend den Natio­nal­so­zia­lismus und dessen Moral hinter­fragt hat.

Auch in Der Tiger wendet sich Gansel zwin­genden mora­li­schen Fragen des Natio­nal­so­zia­lismus zu, hier aller­dings nicht über die mora­li­schen Impli­ka­tionen einer NS-Elite­schule, sondern über den kammer­spiel­ar­tigen Reso­nanz­raum eines deutschen Panzers und seiner Besatzung, die ihr hoch­tech­ni­sches »Tiger«-Modell durch die russische Fein­des­land­schaft steuert, um erst einem Angriff zu entkommen, und dann einer klas­si­schen Suizid-Mission ausge­setzt zu werden.

Gansel lässt seine Helden nicht nur an sich selbst und ihren eigenen Bezie­hungs- und Herkunfts­ge­schichten leiden, sondern auch an den Kriegs­ver­bre­chen, die um sie herum passieren. Dabei zeigt sich das Phänomen, das bislang fast jeder Kriegs­film repro­du­ziert und was auch jedem Sportfilm eigen ist. Kämpft man gemeinsam gegen einen Feind, fallen endlich die gesell­schaft­li­chen Hier­ar­chien und verstehen sich sogar ein Lokführer und ein Latein­lehrer bestens und wissen beide, was wir schon seit vielen Jahren wissen: dass die deutsche Wehrmacht durchaus Kriegs­ver­bre­chen zu verant­worten hat. Im Osten also nichts Neues.

Die Dialog­pas­sagen über Leben und Leiden wechseln sich mit gut insze­nierten Span­nungs­mo­menten ab, die tatsäch­lich beein­dru­cken. Etwa wenn der Panzer zu einem U-Boot wird und Gansel gezielt auf den Klassiker des deutschen Kriegs­films, Wolfgang Petersens Das Boot (1981) anspielt. Trotz aller Fehler­an­fäl­lig­keit des inno­va­tiven Tiger-Modells wird hier natürlich auch deutlich, warum die deutsche Rüstungs­in­dus­trie nach dem 2. Weltkrieg gerade in der Panzer­her­stel­lung weiterhin eine führende Rolle einnahm.

Doch leider spielt Gansel diese ambi­va­lente Rolle nicht wirklich aus und wirkt seine Panzer­be­sat­zung auch ansonsten so blass wie über­for­dert. Sieht man sich im Vergleich den ameri­ka­ni­schen Panzer­film Herz aus Stahl (2014) von David Ayer mit Brad Pitt in der Haupt­rolle an, die an der Über­le­gen­heit des Tiger-Modells fast scheitert, fällt dann auch auf, woran Gansels Film vor allem scheitert: am Mangel weiterer, inno­va­tiver Erzäh­le­benen, die über den Mikro­kosmos des Panzer­in­neren und seiner Besatzung hinaus­weisen. Denn die wenigen Male, die sich die Besatzung der äußeren Realität stellen muss, verblassen nur allzu schnell wieder und auch die Rück­blenden in eine scheinbar heile Heimat des Sommers 1939 wirken aufge­setzt, weil sie allein das Narrativ einer zerbre­chenden Freund­schaft ausleuchten, die dann auch noch in einem wahn­haften Finale ausge­spielt wird, das nur allzu sehr an Coppolas Apoca­lypse Now und die Adaption von Joseph Conrads Herz der Fins­ternis erinnert.

Erschwe­rend kommt hinzu, dass sich Gansel nicht entscheiden kann, welchen Weg er gehen will, denn für Coppolas Weg des Wahns ist das verblüf­fende Ende zu wenig, erinnert der Der Tiger in zu vielen Passagen an Sam Peckin­pahs düster-buntes B-Film-Action-Spektakel Steiner – Das Eiserne Kreuz (1977), das aber immerhin einer der erfolg­reichsten Kriegs­filme seiner Zeit war. Hier kann sich dann auch Gansel Hoffnung machen, denn sein Film wird nur eine kurze Kino­prä­senz haben, was in diesem Fall sicher­lich hilfreich sein dürfte. Denn da Amazon Studios den Film produ­ziert hat, wird Gansels Film schon sehr bald weltweit zu sehen sein und die Einspiel­zahlen von Steiner – Das Eiserne Kreuz sehr bald über­treffen.