Frankreich/B/D 2012 · 96 min. · FSK: ab 12 Regie: Gustave Kervern, Benoît Delépine Drehbuch: Gustave Kervern, Benoît Delépine Kamera: Hugues Poulain Darsteller: Benoît Poelvoorde, Albert Dupontel, Brigitte Fontaine, Areski Belkacem, Bouli Lanners u.a. |
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Kauismäkisches Heldentum |
Langsam wird es einsam. Der private und politische Widerstand gegen die herrschende Moral, Politik und Wirtschaft hat an Vielfältigkeit fast schon dramatisch eingebüßt und ist an Monotonie nur noch mit den großen Fußballligen Europas vergleichbar. Da, wo Geld ist, wird übermächtig guter Fußball gespielt, Widerstand ist zwecklos. Und wird er doch mal geboten, werden die besten Spieler des Gegners spielend schnell korrumpiert und auch die rührendsten Treueschwüre lösen sich schon bald in Nichts auf.
So wie der Fußball ist auch der Film natürlich immer schon ein guter Gradmesser für gesellschaftliche Phänomene gewesen. Eine erste düstere Vorahnung, wie schwer Widerstand in heutigen Zeiten noch zu leisten ist, hat vor zwei Jahren bereits Cédric Klapisch in Mein Stück vom Kuchen vorexerziert, ohne dabei die nötige Leichtigkeit zu verlieren, um das zu verdauen. Gustave Kervern und Benoît Delépine konstatieren in Der Tag wird kommen nun einen weiteren Schritt der Erodierung. Widerstand, wenn er denn überhaupt noch geleistet wird, ist nur mehr eins: lächerlich.
Kervern und Delépine folgen für die Darlegung ihrer These den beiden Brüdern Jean-Pierre (Albert Dupontel) und Ben (Benoît Poelvoorde), der eine ein angepasster, spießiger Matratzenverkäufer, der andere ein Punk, der mit dem Widerstand zum Establishments alt geworden ist, aber dabei bleibt, wie einsam und isoliert sein Leben auch sein mag. Als Jean-Pierre seinen Job verliert, zieht Ben ihn ins gegnerische Lager, ein grauses Niemandsland grotesker Widerstandsideen, die in ihrer gestalterischen Absurdität ans Kaurismäkische Heldentum erinnern. Ergänzt wird dieser Trip ins Lächerliche um eine ebenso lächerliche wie bodenlos aufgesetzt wirkende Aufarbeitung der Beziehung der Brüder zu ihren Eltern, die – auch hier ganz Kaurismäki – meist nur charaktervoll schweigend dasitzen und in die Welt starren.
Kervern und Delépine zermürben mit ihrem spärlich ausgestatteten Personal und den wenigen Angriffspunkten, die sie bemühen, einen grundsätzlich interessanten gesellschaftlichen Analyseansatz und erzeugen stattdessen ein Frustrationsgefühl, wie es zunehmend in der deutschen Bundeliga auftritt, wenn Bayern München spielt und sich vor allem aus vorhersagbarer Einseitigkeit speist. Doch nicht nur die Unterfunktionen sind es, die Der Tag wird kommen letztlich zu nicht mehr als einen eskapistischen Trotzbock machen. Denn obgleich hier fast zwanghaft um Humor gerungen wird und immer wieder auch Momente spontanen Punks, wilden Widerstands so etwas wie Glück und Hoffnung machen, fehlt dem Film die intelligente Leichtigkeit von Mein Stück vom Kuchen, wird sich zu sehr auf die Groteske des Plots verlassen, statt ihn mit mehr inhaltlichem, politischem und wirtschaftlichem Sprengstoff zu füllen.
Aber es gibt Trost und Hoffnungsschimmer und so etwas wie Erfüllung auch für einen derartigen wirtschaftspolitischen Hochseilakt. Allerdings in diesen Wochen nicht im Kino, sondern im Schauspiel Hannover – in einer großartigen Inszenierung von Nis-Momme Stockmanns Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir.