Deutschland 1995 · 87 min. · FSK: ab 16 Regie: Dani Levy Drehbuch: Dani Levy, Maria Schrader, Klaus Chatten Kamera: Carl-riedrich. Koschnick Darsteller: Maria Schrader, Jürgen Vogel, Mark Schlichter, Ingrid Caven u.a. |
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Eine junge Frau klemmt den Telefonhörer zwischen Kopf und Schulter, fischt einen Karpfen aus der Badewanne und erschlägt ihn. Energisch und ohne mit der Wimper zu zucken, beginnt sie dann, ihn mit den Händen zu zerfleischen. Zielsicher nimmt sie die Eingeweide heraus und läßt das Wasser aus der Wanne. Der aufziehbare kleine Spielzeugtaucher zappelt verzweifelt, um nicht mit dem Wasser in den Abfluß gespült zu werden.
Es ist Heiligabend, draußen schneit es idyllisch, und was die Malerin Julia so in Rage versetzt hat, ist die Tatsache, daß sie gerade erfahren hat, daß ihr Freund doch nicht lebensgefährlich verletzt und im Krankenhaus ist. Er hat sie angelogen, um ihre Gefühle zu testen; in Wahrheit ist Christian spontan nach Paris gefahren, um sich mit der Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit dort zu quälen.
In Dani Levys (oft sehr situationskomischem) Gefühlsthriller kämpfen Julia und Christian, die seit mehreren Jahren zusammenleben, per Telefon und unter heftigster Einmischung von Julias intim anwesendem Liebhaber um ihre Beziehung.
Bezeichnend ist Julias verzweifelte Äußerung, daß sie ohne Christian nicht leben kann, und es doch nicht mit ihm aushalt. Entlarvend auch ihr Verhalten gegenüber der mit ihr befreundeten Nachbarin, von der sie standig in vermeintlichen
Notsituationen Hilfe erwartet, für deren Probleme sie aber keinerlei Gespür hat. Auch die Tatsache, daß sich Julia wieder und wieder von ihrem Liebhaber Frank verführen läßt, obwohl sie längst beschlossen hat, mit ihm Schluß zu machen, zeigt einen für den moderenen, oft allzu »freien« Menschen typischen Zwiespalt: Sie würde sich wünschen, daß Christian dieser offen ausgelebten (und daher als Hilferuf zu verstehenden) Affäre und somit ihrer Inkonsequenz und Orientierungslosigkeit ein
Ende setzte – doch der hat Angst, sie damit ganz zu verlieren und flüchtet sich nach Paris, von wo aus er mit zweifelhaften Methoden versucht, sich ihrer Liebe zu vergewissern.
Momente voller Zärtlichkeit werden von absichtlichen Verletzungen zunichte gemacht, Gleichgültigkeit, Erotik, Sex, Brutalitäten und tiefstes Vertrauen folgen Schlag auf Schlag.
Dani Levy analysiert hier nicht, sondern beobachtet lediglich dieses überaus realistisch (und doch höchst cineastisch) inszenierte »Fest der Liebe« – nicht mit voyeuristischer Distanz, sondern mit einer Nähe zu jeder einzelnen Figur, die dem Zuschauer deren Gefühle und Positionen nachvollziehen läßt.
Die Rolle des Nebenbuhlers Frank beläßt Levy allerdings eher zweidimensional. Obwohl dieser mit Nachdruck erklärt, daß er kein »Ganzkörpergeschlechtsorgan« sei, sondern auch Gefühle habe, und obwohl die Nachbarin zu ihrem (gespielten) Erstaunen feststellen muß, daß »es« (=das wilde Tier namens Frank) ja auch sprechen kann, so bleibt er mehr ein Spielball im Beziehungskampf zwischen Julia ud Christian, mehr Projektionsfläche (aus knackigem Fleisch und Blut) für Julias
Bedürfnis nach Veränderung als wirklicher Grund für eine Gefährdung der Beziehung.
So deckt er denn auch nicht nur zwei, sondern drei Teller – wohlwissend, daß Julia ihn nicht ohne Christian würde haben wollen. Nach dieser geballten Ladung an Verletzungen, bewußten (Selbst-) Täuschungen und Leidenschaft fragt man sich, ob der Titel »Ein Fest der Liebe« ernst genommen werden kann, ob die Protagonisten wirklich aus Liebe handeln oder nicht vielleicht eher aus Selbstsucht,
rücksichtslos den eigenen Schmerz über den des anderen stellend. Doch die Frage nach der Liebe wird gar nicht direkt gestellt – vielmehr wird hier die Ohnmacht vieler Menschen, ihre Unfähigkeit, Liebe mitzuteilen und auszuleben, aufgezeigt.
Wunderschön ist daher die Figur des Hotelpagen: Klein, zerbrechlich und höchst verwunderlich ist er wie die Inkarnation des den beiden abhandengekommenen gegenseitigen Verständnisses, des Einfühlungsvermögens. Wobei berührend absurd ist, daß ausgerechnet der am schutzbedürftigsten erscheinende derjenige ist, der am meisten gibt.
Als Julia in einem Lach&Weinkrampf mit der Krippe spielt, ist dies der komisch-verzweifelte Versuch, nach eben solchem entglittenen Vertrauten zu greifen. Und gerade dieses allzu menschliche Dilemma ist es, das die Figuren in Stille Nacht so symphatisch macht.
Leider bleibt die gute Beobachtungsgabe Dani Levys in solchen Ansätzen stecken. Was einzig in Erinnerung bleibt, ist die Wucht Bilder. Und vor allem der wirklich hitverdachtige Soundtrack.