Somewhere

USA 2010 · 98 min. · FSK: ab 12
Regie: Sofia Coppola
Drehbuch:
Kamera: Harris Savides
Darsteller: Stephen Dorff, Elle Fanning, Chris Pontius, Michelle Monaghan u.a.
Wie die Blicke so der Film

Something somewhere lost

Fassungs­lo­sig­keit

Hohe Erwar­tungen können in große Enttäu­schungen umschlagen. Und große Preise wie der Goldene Löwe können Erwar­tungen in gefähr­liche Höhen treiben. Umso größer ist die Fassungs­lo­sig­keit nach 93 Film­mi­nuten: Handelt es sich hier um eine plump gemachte Sofia-Coppola-Kopie eines deutschen Film­stu­denten? Oder plante viel­leicht Jury­prä­si­dent Quentin Tarantino mit der ironi­schen Preis­ver­gabe einen schräg-zynischen Racheakt an seiner Exfreundin? Die Frage nach der Auszeich­nung dieses Filmes gibt große Rätsel auf.

Lost in Banalität

Geschil­dert wird ein Ausschnitt aus dem Leben des wenig glamourösen Holly­wood­stars Johnny Marco, der in einer Suite des Hotels Chateau Marmont in L.A. wohnt und recht dumpf in den Tag hinein­lebt, bis seine von ihm getrennte Frau ihm die eigene Tochter aufs Auge drückt, so dass er mit ihr eine Menge Zeit verbringt und dabei die Freuden des Vater­seins entdeckt und eine enge Beziehung zu ihr aufbaut. Natürlich entdeckt er dabei auch, dass er eine hohle Nuss ist und ein sinn­freies und zutiefst einsames Leben geführt hat. Stephen Dorff verkör­pert diesen Schau­spieler mit großer Lässig­keit und noch größerer Profil­lo­sig­keit. Soll so sein, kann man einwenden, er spielt ja eine hohle Nuss. Für den Zuschauer bedeutet dies aller­dings, dass er den Großteil des Films einem Menschen zuschauen muss, der als Zentrum der Aufmerk­sam­keit wenig zu bieten hat. Andere Haupt­dar­stel­le­rinnen von Sofia Coppola kommen einem da in den Sinn und die Frage stellt sich, ob ein charis­ma­ti­scherer Akteur das Drehbuch gerettet hätte. Zum Glück gibt es da aber noch Elle Fanning, seine Film­tochter, die in ihrer bezau­bernden Elfen­haf­tig­keit zwischen Kind und Frau, Mädchen und Model ein wenig Glanz und eine intensive Ausstrah­lung in das gehalt­lose Treiben einbringt. Die Psycho­logie des Streifens lässt sich auf einen Satz und zwei Film­szenen redu­zieren. Ein Mann hat nur sein Auto (Eingangs­szene: Johnny Marco rast minu­ten­lang im Kreis herum), das er am Ende stehen lässt. Das klingt nach einer richtigen Entwick­lung, ist aber banal umgesetzt, wie auch die symbo­li­sche Struktur des Films recht einfach aufgebaut ist: ein Mann ist in seiner Midlife-Crisis, auf dem Weg nach unten (Trep­pen­szene), verliert seinen Halt (Film: er bricht sich den Arm) und läuft den Großteil des Films als Gezeich­neter herum (Gipsarm) – am Ende hat er die Krise über­wunden (kann Spaghetti kochen) und ist geheilt (Gips ist ab). Dass die Regis­seurin und zugleich Dreh­buch­au­torin in ihren Filmen selten auf Dialoge setzt, um ihre Themen zu trans­por­tieren, war vor diesem Film bekannt. Dafür sprachen bisher aber die Musik und die Bilder für sich. In Somewhere akzen­tu­iert oder poeti­siert die Musik (von Phoenix) wenig, die Bilder sprechen zu selten eine eigene Sprache. Ein paar gute Dialoge wären da einfach schön gewesen. Denn keines der auftau­chenden Themen gewinnt Kontur. Über die geschei­terte Ehe von Marco erfahren wir fast nichts. Mitleidslos lässt ihn die Exfrau abblitzen, als er seine »Stunde der wahren Empfin­dung« erlebt und in den Abgrund seiner Lebens­leere und Bedeu­tungs­lo­sig­keit schaut. Sie nimmt ihn schon lange nicht mehr ernst. Die zentrale Beziehung zur Tochter, von der ange­deutet wird, dass sie nicht sehr intensiv war (Dialog beim Abholen vom Eiskunst­laufen: »Wie lange machst du schon Eiskunst­lauf?« – »Seit drei Jahren.«), bleibt ohne Höhen und Tiefen – man hat Spaß, spielt, isst, fährt zur Preis­ver­lei­hung nach Italien, chillt, kauft ein. Wenn Konflikte auftau­chen (die fremde Frau am Frühs­tücks­tisch), werden sie über­gangen, alles fließt ober­fläch­lich dahin und eine Einfüh­lung in die Haupt­fi­guren fällt schwer. Die bereits ange­spro­chene Wandlung des Prot­ago­nisten am Filmende – er checkt aus dem Hotel aus und lässt sein Status­auto stehen – nachdem er seine Tochter zum Feri­en­lager gebracht hat und sich wieder nur um sein eigenes Leben kümmern muss, wirkt aufge­setzt.

Magische Momente

Dagegen wäre ja gar nichts einzu­wenden, wenn der Film die Stärken der drei Vorgän­ger­filme von Sofia Coppola hätte, nämlich Stimmung, magische Musik-Bilder-Symbiosen, Erotik und Humor. Dies alles fehlt weitest­ge­hend in Somewhere. Viel­leicht gibt es das in der Vater-Tochter-Szenen­folge im Swim­ming­pool unter Wasser, in der eine wunder­schöne Musik-Bild-Einheit entsteht und eine entspannt-ausge­las­sene Stimmung vermit­telt. Auch mögen manche Leute ein paar Szenen des Films lustig finden, etwa wenn Marco minu­ten­lang für einen Gips­ab­druck komplett einge­kleis­tert regungslos in der Maske sitzen muss oder wenn ein alter Hotel­an­ge­stellter Vater und Tochter als special service »I want to be your Teddybear« vorsingt. Oder die sportiven Erotik­zwil­linge, die sich der Holly­wood­star zum Vorturnen auf sein Zimmer bestellt und die ihr Programm grotesk routi­niert abspulen. Dies alles wären Sahnehäub­chen auf einem leckeren Kuchen, wenn es denn einen Kuchen gäbe.

Fragen

Die Mitte des Films ist leer. Was kann den Zuschauer daran inter­es­sieren? Was hat Sofia Coppola an dem Film inter­es­siert? Bisher waren vor allem Frauen ihre Haupt­fi­guren, die mit Sympathie und Einfüh­lung geschil­dert wurden. Warum gelingt dies nicht in diesem Film? Ist Somewhere ihre Stel­lung­nahme zum Thema »Mann«? Hat sich etwa Quentin Tarantino darin wieder­finden können und deshalb einen schräg-zynischen Racheakt...?

Irgendwo im Nirgendwo

Menschen im Hotel: Sofia Coppola zeigt die Welt der Schönen, Reichen und Gelang­weilten

Muss man die Ober­flächen aufreißen und gefährden? Eine wichtige, und in diesem Fall unbedingt entschei­dende Frage. Esther Buss stellt sie indirekt in einem inter­es­santen Aufsatz im Film­dienst über Sofia Coppola. Sofia Coppola, die 1971 geborene berühmte Tochter von Regie­le­gende Francis Ford Coppola, hat sich längst schon, spätes­tens mit ihrem Oscar für Lost in Trans­la­tion aus dem Schatten ihres Vaters gelöst. In ihrem neuen Film Somewhere erzählt sie aus dem Leben eines Hollywood-Stars. Auto­bio­gra­phie oder nicht – beim Festival von Venedig gewann Somewhere jeden­falls den Goldenen Löwen. Viel­leicht gerade deshalb, weil er am Ende auf wohlfeile Senti­men­ta­lität hinaus­läuft, und sehr human, aber auch brav Mensch und öffent­li­chen Star klar unter­scheidet. Nur: Will man denn wirklich wissen, dass Catherine Deneuve privat Birken­stocks trägt? Doch eher nicht. Und ist Joaquim Phoenix ein Mensch? Wer ist Johnny Marco? Gegen­frage: Do we care?

Die eigent­liche Provo­ka­tion, das Subver­sive liegt gerade im Aufrecht­er­halten der Ober­fläche. Es stimmt schon, was Buss schreibt: »Die Trenn­linie zwischen naiver Affir­ma­tion und reflek­tierter Überaf­fir­ma­tion, zwischen kriti­scher Distanz und stilis­ti­scher Coolness ist in ihren Werken, ... nicht immer auszu­ma­chen; denn Sofia Coppolas Filme sind – neben anderen Qualitäten – vor allem guter Pop und als solcher unmit­telbar wirksam und verfüh­re­risch.« Aber das ist es ja gerade! Hinter dem Schein kommt nur das Nichts. Jeder Kino­gänger weiß: Ober­flächen sind das eigent­lich Inter­es­sante im Kino; sie verraten mehr und sind viel schwie­riger auszu­loten als alle Tiefen dahinter. Aber sind sie wahr? Das spielt keine Rolle. Die Wahrheit des Kinos ist eine andere.

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Noch ist das Bild schwarz. Man hört Verkehrs­geräu­sche. Ein Highway viel­leicht? Dann öffnet die Leinwand den Blick auf eine Land­schaft, viel­leicht eine Wüste, denkt man, irgendwo in den USA. Im Vorder­grund eine Fahrbahn, Gummi­spuren auf dem Asphalt. Einen Moment lang hält das Bild inne, nichts passiert, nur die Geräusche gehen weiter. Dann schießt ein Fahrzeug von links nach rechts, verschwindet am anderen Bildrand, um nach ein paar Sekunden, weiter hinten rechts wieder aufzu­tau­chen, und in einem längeren Bogen nach links hinten zu fahren, und dort wieder zu verschwinden. Jetzt ist klar. Hier dreht einer seine Runden. Der Vorgang wieder­holt sich ein paarmal, die Kamera bleibt unbewegt, blickt zwischen­durch immer wieder einige lange Sekunden ins Leere. Das Auto, das kann man nach einer Weile erkennen, ist ein schwarzer Ferrari. Irgend­wann hält er an. Der Fahrer steigt aus, tritt zum Straßen­rand, auf die andere Seite, vor die Beifah­rertür und blickt an uns vorbei in die Land­schaft, ins Irgendwo.

Irgendwo in Los Angeles. Es dauert ein paar Film­mi­nuten, bis der Ort klar ist. In der nächsten Szene wird sich der Mann irgend­etwas am linken Unterarm brechen, und dann für den größten Teil des Films dort einen Gips tragen. Es dauert auch ein paar Minuten bis wir verstanden haben, dass es sich bei ihm um einen Hollywood-Schau­spieler handelt, der in einem Hotel in Beverly Hills lebt, dass er Johnny Marco heißt.

18 Minuten lang dauert es, bis in diesem Film die ersten Dialogs­ätze fallen. Bis dahin haben wir Johnny beob­achtet, sind ihm durch sein Leben gefolgt. Wie er allein fährt, in seinem Ferrari durch Los Angeles. Wie er Frauen anguckt, und sie ihn; zum Beispiel eine andere Auto­fah­rerin in einem Mercedes-Cabrio, der er dann hinter­her­fährt durch die Hügel, bis sie auf ein Privat­grund­s­tück einbiegt, und hinter ihr das Tor zugeht. Oder die zwei fast identisch ausse­henden Barbie-Tänze­rinnen mit ihren langen blonden Haaren, die er sich aufs Zimmer bestellt hat und die an Stangen zwischen Decke und Boden erotisch ange­hauchte Bewe­gungen machen. Wir haben ihn beob­achtet in der Einsam­keit der Hotel­zimmer, auf dem Bett sitzend oder unter der Dusche, wir haben gesehen, dass er kein Buch liest, keine Musik hört, an keinem Computer arbeitet, keine e-mails schreibt und nicht chattet, mit keinem Menschen etwas Wesent­li­ches spricht, wir haben Lange­weile gesehen und Ödnis. 18 Minuten lang.

Johnny Marco sitzt auf dem Hotelbett. Er ist unrasiert. Wir haben verstanden: Johnny Marcos Leben dreht sich im Kreis, wie der Ferrari zu Beginn. Wir haben verstanden: Sofia Coppola macht einen Film über Einsam­keit, Leere, Orien­tie­rungs­lo­sig­keit. Jetzt dauert der Film aller­dings noch rund 80 Minuten.
Weil das alles ein ernstes Thema ist, auch das haben wir nach 20 Minuten verstanden, soll es nicht zu schön aussehen, soll es im Unter­schied zu früher bei aller Wohl­ge­staltet­heit, nicht so angenehm wirken. Es soll offenbar kein Pop-Film sein, deshalb gibt es kaum Musik, und kaum Labels in diesem Film, wenig schöne Ober­flächen.

Die Bilder des Films sind von Kame­ra­mann Harris Savides sorg­fältig kadriert, und das bedeutet, dass sie an den Seiten immer gerade so ab- oder ange­schnitten sind, dass der Eindruck von Symmetrie gerade vermieden wird, und damit der Eindruck des allzu Wohl­ge­stal­teten, der Eindruck von Stil­willen – obwohl Stilwille hier natürlich trotzdem vorhanden ist. Es gibt wenig Zooms und Tiefen­ver­la­ge­rung, die Bilder ähneln eher Photo­gra­phien, ihre Farben sind leicht ausgeb­li­chen, alles hat damit etwas Raues, wirkt doku­men­ta­risch, natu­ra­lis­tisch. Erst am Ende des Films ist die Kamera etwas spürbarer ambi­tio­niert.

Die schönen Ober­flächen, der Umgang mit Popkultur, sind aller­dings bislang ja gerade die Stärke von Sofia Coppola gewesen. Sie verstand es immer besonders gut, das Ästhe­ti­sche, ja den Ästhe­ti­zismus mit Tiefe zu verbinden. Die Tiefe stellte sich ein, in den Leer­stellen zwischen den Objekten und den Bewe­gungen der Körper in ihren Filmen, auch in den Bewe­gungen der Kamera. Diese zeigten uns etwas zwischen dem, was man sowieso sieht.

Hier nun fürchtet man manchmal, eine Ober­fläche, die nicht mehr betont schön ist, sei nur noch ober­fläch­lich, es fehle das Nichts zwischen den Bildern, und die Tiefe sei nur behauptet.

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Sofia Coppolas neuer Film Somewhere ist, damit kein Miss­ver­s­tändnis aufkommt, ein guter Film, ein inter­es­santer Film, und auch ein schöner Film. Aber es fehlt etwas. Er ist darum auch eine vage enttäu­schende Erfahrung. Zum ersten Mal ist ein neuer Film von Coppola nicht besser, als der Film davor. Eher ist er sogar der bisher unin­ter­es­san­teste Film der Regis­seurin, der erste, bei dem man nicht sofort Lust hat, ihn noch einmal zu sehen, und dann immer wieder. Somewhere fehlt alles Mädchen­hafte, und es ist dieser mädchen­hafte Blick auf die Welt, der Coppolas Filme bislang von allen anderen Filmen unter­schied, der sie zu etwas Beson­derem machte.

Viel­leicht liegt es auch einfach daran, dass Coppola diesmal einen Mann als Haupt­figur gewählt hat? Dieser Johnny Marco ist dagegen wirklich eine extrem lang­wei­lige Person. Viel­leicht waren auch die Figuren, die Scarlett Johansson und Bill Murray in Lost in Trans­la­tion spielten, im Grunde lang­weilig, und auch Marie Antoi­nette auf ihre Art, aber sie waren wenigs­tens lustig und sympa­thisch, und man konnte Mitleid mit ihnen haben. Johnny Marco inter­es­siert dagegen nicht die Bohne. Man hat kein Mitleid mit ihm.

Somewhere erzählt, wenn dann endlich auch mal gespro­chen wird, zunächst vom leeren Leben eines Hollywood-Stars. Vom Rummel, den Pres­se­kon­fe­renzen, von den Dreh-Vorbe­rei­tungen, den Reisen, den Affairen, und vor allem von der vielen Zeit dazwi­schen. Als sich Johnny Marco auch noch für ein paar Tage um seine Tochter kümmern muss, wird er sich der Leere und Absur­dität seines Alltags noch deut­li­cher bewusst, als zuvor. Am Ende weint er dann mal, viel­leicht tut ihm das gut, aber es bedeutet einem alles nicht wirklich etwas.

Manches ist trotzdem inter­es­sant: Man kann an andere Filme denken, an Paper Moon etwa, an L.A.-Filme wie Shampoo und American Gigolo, grob gesagt also an New Hollywood, dessen Natu­ra­lismus auch in dem Film steckt. Aber Somewhereist schwächer.

Es gibt einen sehr lustigen Blick auf das italie­ni­sche Show­busi­ness – überhaupt werden die Italiener in diesem Film ähnlich ironi­siert, wie die Japaner in Lost in Trans­la­tion –, und eine Preis­ver­lei­hung der tele-gati, riesiger Katzen aus Gold, die so grinsen, wie die Luft­bal­lon­katzen einst in Tim Burtons Batman, und wirken wie ein absurder Scherz, entpuppen sich als ganz real. Man könnte Coppolas Blick aufs Showbizz als subtile Kritik an der Berlus­co­ni­sie­rung und der völlig herun­ter­ge­kom­menen Medien­land­schaft Italiens verstehen. Aller­dings wurde der Film unter anderem mit Berlus­conis Firma Mediaset produ­ziert, und als das Logo seines Verleihs Medusa vor Beginn des Films auftauchte, gab es bei der Premiere in Venedig kurze Buhrufe.

Ein paar weitere lustige Momente: Wenn er einschläft beim Sex; wenn er eine Pres­se­kon­fe­renz gibt, und die Fragen so dumm sind, wie seiner­zeit bei Coppolas-Cannes-Pres­se­kon­fe­renz zu Marie Antoi­nette 2006. Diesmal fragt zwar keiner »Was denken sie über die Fran­zö­si­sche Revo­lu­tion?« und bekam von Coppola nur die spöt­ti­sche Antwort bekam: »Oh what a wunderful and intel­li­gent question for the beginning. It’s all in my film.«
Coppola ironi­siert hier derartige Situa­tionen aus ihrem eigenen Leben: »Do you want to shoot in China? You have many fans there.« oder »Where is the italo­ame­rican aspect of this film?« – oder »This is a reflexion of todays post­mo­dern globalism.«

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Das Inter­es­san­teste neben diesen maximal 20 Prozent des Films, die als Komödie durch­gehen, ist Cleo, die Tochter von Johnny, die Elle Fanning spielt. Sie sieht ein bisschen so aus, wie früher Jodie Foster, und sie könnte auch eine der Schwes­tern aus The Virgin Suicides sein, mit ihren langen blonden Haaren, der weißen Haut und dem gele­gent­lich recht äthe­ri­schen Blick. Der Blick auf die Tochter, die auf den Vater blickt.

Aber auch hier gilt: Den Mädchen­por­traits der Sofia Coppola fügt das jetzt nichts grund­sätz­lich und wesent­lich Neues hinzu. Noch zwei Beob­ach­tungen: Coppola versteht es, die Spannung so zu halten, dass man als Zuschauer immer vieles für möglich hält. Wenn man Johnny durch L.A. fahren sieht, ist der Tod präsent, man hält es jederzeit für möglich, das er im Wagen verun­glückt, ob aus banalem Zufall oder Absicht. Bemer­kens­wert ist der Umgang Coppolas mit bekannten Namen: Michelle Monaghan ist hier enttäu­schend und sinnlos verschenkt, sie hat nur eine Szene. Dabei würde ihre Comic zu Coppola passen.

Mit gewohnter Sensi­bi­lität, aber eben etwas unbe­tei­ligter, distan­zierter, als sonst, portrai­tiert Coppola also das Leben im haltlosen, rich­tungs­losen Irgendwo. Es ist zwar in diesem Film vor allem das Leben der Schönen und Reichen, und Geldnöte haben diese Figuren keine; aber die Freiheit ist ihnen längst von Managern und Assis­tenten aus den Hand genommen worden. Zudem geht es in Somewhere doch auch um das, was wir alle mit diesen Figuren gemeinsam haben. Und es geht um das Drumherum, die Begleit­geräu­sche dieses Lebens, und die Menschen an seinem Rand, etwa das Personal des Hotels, die Dienst­boten, die Leute wie Johnny mit Vornahmen nennen, und viel besser kennt, als viele andere. Manchmal ist das unver­hofft komisch, häufiger absurd, aber doch oft auch sehr traurig. Somewhere kann man in diesem Sinn verstehen als Darstel­lung und Bestands­auf­nahme der geistigen Situation des Westens. Als Reflexion über Orien­tie­rungs­lo­sig­keit.

Somewhere denkt das Star­da­sein nicht weit genug, und läuft am Ende auf wohlfeile Senti­men­ta­lität hinaus, weil er sehr human, aber auch sehr brav Mensch und öffent­li­chen Star klar unter­scheidet. Das Problem von Coppolas Film ist ja, dass wir hier keinem Schau­spieler in der Monotonie des Jet-Set-Lebens zusehen, sondern einem Schau­spieler (Stephen Dorff), der einen Schau­spieler (Johnny Marco) spielt. Viel­leicht wissen wir nach Somewhere alles über Johnny Marco. Aber was wissen wir über Stephen Dorff?