Kenia/Deutschland 2010 · 60 min. · FSK: ab 6 Regie: Hawa Essuman Drehbuch: Billy Kahora Kamera: Christian Almesberger Darsteller: Samson Odhiambo, Leila Dayan Opollo, Krysteen Savane, Frank Kimani, Joab Ogolla u.a. |
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Ein kindgerechtes Märchen aus den Slums von Afrika |
Die Sonne leuchtet eigentlich immer über den Slums in diesem Film; aber das ist ja auch einfach so in Afrika, also sollte man das Blau des Himmels, das satte Rot-Gelb des Bodens, das Grün der Vegetation und all die schönen anderen Farben nicht allein dem Blick der Macher von Soul Boy zuschreiben, dem Wunsch, einen Film zu drehen, der ein bei allem Elend zugängliches Bild des Lebens armer Menschen in Afrika zeigt, der die Zustände in einem Slum in konsumierbarer und »positiver« Form auf die Leinwand bringt. Auch wenn dieser Film in seiner Machart und seinem ganzen Ansatz offenkundig dem Bedürfnis entspricht, den Konventionen des Erzählens nach Art des westlichen Mainstream zu genügen. Höchstens ein bisschen mag auch alles Genannte eine Rolle gespielt haben – und der Wille zum geschmeidigen Filmemachen hat sich bereits ausgezahlt: Ein Preis in Rotterdam und die Teilnahme im Berlinale-Programm machen Soul Boy zum raren Exempel eines afrikanischen Spielfilms, der in den reichen Industrieländern Europas reüssiert, und nun sogar mit einem deutschen Kinostart die Chance erhält, ein breiteres Publikum anzusprechen.
Eine realistisches Bild afrikanischen Lebens zu zeichnen, ist allerdings auch keinesfalls die Hauptabsicht dieses Films, der im Rahmen eines sozial-kulturellen Projekts zur Förderung von Film als Ausdrucksmittel mit Kinderdarstellern – einige von ihnen hatten bereits Filmerfahrung – aus den Slums der kenianianischen Hauptstadt Nairobi entstand, und sich eher als realistischen Ansätzen einer Tradition »magischen Erzählens« und moderner Märchen zugehörig fühlt, und zudem sein Publikum vor allem unter Kindern und Jugendlichen sucht.
Im Zentrum der Handlung steht der 14-jährige Abila. Er lebt in Kibera, einem Riesenslum am Rande der kenianischen Hauptstadt. Eines Nachts hat er einen schlimmen Alptraum. Als er morgens aufwacht, geht es seinem Vater sehr schlecht. Abila glaubt zunächst, dieser habe wieder einmal zuviel Alkohol getrunken. Doch der Vater sagt: »Ich habe meine Seele verloren.« Die Mutter und auch seine Freundin sind Abila keine echte Hilfe, und obwohl der Junge nicht an die Geistermythologie seines Volkes glaubt, mehren sich die Anzeichen, die Hexe Niyawawa könne tatsächlich an der verzweifelten Verfassung des Vaters schuld sein und diesen verflucht haben. Also sucht Abila die Geisterseherin auf, und bekommt sieben Aufgaben gestellt, die er erfüllen muss, um den Vater zu befreien. Diese Erfüllung steht im Zentrum des nur gut 50 Minuten langen Films.
Esoterik mischt sich mit der Grundkonstellation des Bildungsromans: Der Reise des Helden, der allerlei Abenteuer bestehen muss, um an ihnen zu wachsen und schließlich erwachsen zu werden, und sich selbst zu befreien. Das Bild der Menschen, ihres Handelns und ihrer Antriebe, erscheint einem europäischen Betrachter auch gewissen Klischeevorstellungen Afrikas und afrikanischer Denkweise zu entsprechen – die eben in europäischen Augen als »magischer«, »naiver«, irrationaler erscheint, und dabei immer im massiven Verdacht steht, nur ein Konstrukt des Exotismus zu sein. Allerdings wäre dies dann ein Fall, indem solche Konstrukte von Afrikanern selbst bedient würden. Denn ein afrikanischer Film ist Soul Boy durchaus. Regie führte die Kenianerin Hawa Essuman, Jahrgang 1980. Man sieht dem in jeder Hinsicht handwerklich professionell gemachten Film an, dass es sich bereits um Essumans zweiten Spielfilm handelt, ebenso allerdings ist auch ihre Erfahrung mit Fernsehserien und Werbefilmen unübersehbar. Etwas unklar zu ermessen ist der Einfluß Tom Tykwers, der als »Supervisor« geführt wird, und auch in den Making-Off-Bildern des Abspanns auftaucht. Hat er nur »daneben« gestanden, oder brauchte die Regisseurin seine Anleitung und inhaltliche Mitsprache. So ganz klar wird dies nicht, und nach Ansicht des Abspanns, und Lektüre der Presseinformationen wünscht man sich fast, noch zusätzlich ein ausführliches und ehrliches Making Off von Soul Boy zu sehen – oder gleich eine Dokumentation über das Filmemachen in Afrika, die die aufkommenden Fragen vertieft und beantwortet. Man kann im Übrigen auch kaum anders, als mitunter an Tykwers Lola rennt zu denken: Wie Lola durch Berlin, so rennt Abila durch die Slums, um in begrenzter Zeit eine lebensnotwendige Aufgabe zu erfüllen...