Silvester Countdown

Deutschland 1997 · 85 min. · FSK: ab 16
Regie: Oskar Röhler
Drehbuch:
Kamera: Lorenz Haarmann
Darsteller: Rolf Peter Kahl, Robert Viktor Minich, Maria Zielcke, Christoph Schlingensief u.a.

»Glaubst du, das fällt mir jetzt leichter, wenn ich nun weiß, daß dir mein Sex nicht paßt? Glaubst du, ich kann dich jetzt noch ficken?« Dabei ist Sex noch das, was am Besten klappt bei dem Pärchen in Silvester Countdown, welches Oskar Roehler lapidar Romeo und Julia genannt hat. Einein­halb Stunden nimmt der Regisseur und Autor die beiden Liebenden, gespielt von Produzent Rolf-Peter Kahl und Marie Zielcke, unter die Lupe, und wenig, was eine Lieb­schaft anstren­gend macht, wird dabei ausge­lassen. Romeo, circa dreißig, ist ein eifer­süch­tiger Kerl, der an dem spora­di­schen Desin­ter­esse seiner Freundin leidet, und Julia ist noch zu jung und verstrahlt, um ihren gockel­haften Macker im Zaum halten zu können. Uner­bitt­lich wieder­holen sich die Strei­te­reien und Spielchen: Romeo und Julia öden sich an, geilen sich auf, hassen sich, und sind einander wech­sel­seitig beleidigt.

Diese voll­kom­mene Reduktion auf das eine simple Thema Bezie­hungs­streß wird so manchen Kino­gänger nach Konzept und Ziel des Filmes fragen lassen, Roehler kümmert sich nicht um den schnellen, beiläu­figen Applaus. Aber, daß er nicht ziellos vor sich hinge­filmt hat, wie es bei vielen Low-Budget-Filmen mit mal schreck­li­chem, mal erfri­schendem Ergebnis gehand­habt wird, ist ebenso offen­sicht­lich. Zum Beispiel zeigt schon der Anfang das Pärchen beim Vögeln; die Szene ist voll ausge­leuchtet, ohne Musik und wahn­sinnig direkt. Die Folge ist, daß keiner im Kinosaal, so wie es bei anderen Filmen über Männlein und Weiblein der Brauch, danach länger auf die Sexszenen neugierig ist. Man ist nach ein paar Minuten beim Thema Nummer eins angelangt, und kann nun darüber hinaus gehen.

Die Verschro­ben­heit und das fast unwirsche Beharren an einem eigen­wil­ligen, wenig gefäl­ligen Stil hat dem Film schon im Vorfeld eine Menge Beifall oder zumindest Respekt einge­bracht., gerade im Kontrast mit den anbie­dernden Limonaden-Filmchen aus der Wortmann-Liga, die kurz vor sich hin sprudeln, aber dann fad schmecken. Beim Münchener Filmfest gab’s für den Regisseur eine Hälfte des Hypo-Preises, und Marie Zielcke erhält in Saar­brü­cken den Max-Ophüls-Preis als beste Nach­wuchs­dar­stel­lerin. Egal, ob man Silvester Countdown jetzt schätzt oder nicht – für beides kann man gute Gründe haben – das Land jeden­falls braucht neue Filme, und dieser hier könnte einer davon sein.