F/B/RO/E 2018 · 121 min. · FSK: ab 12 Regie: Jacques Audiard Drehbuch: Jacques Audiard, Thomas Bidegain Kamera: Benoît Debie Darsteller: Joaquin Phoenix, John C. Reilly, Jake Gyllenhaal, Riz Ahmed, Rutger Hauer u.a. |
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Western als Wille und Anschauung |
»Sisters Brothers« – so heißen sie und sind weit gefürchtet, die beiden schrägen Helden dieses überaus schrägen und merkwürdigen Films. Zwei Brüder. Zwei Kopfgeldjäger und Profikiller. Zwei Traumatisierte. Zwei, die aufeinander aufpassen. Aber auch ein sehr ungleiches Paar: Der eine, der jüngere Eli (John C. Reilly) ist ein Zweifler, der andere, Charlie (Joaquin Phoenix) immer unbekümmert und gutgelaunt.
The Sisters Brothers ist eine Komödie über Killer. Und es ist ein harter Western über die Absurditäten des Lebens. Nicht nur im Wilden Westen, sondern überhaupt.
Außerdem ist dies der seltene und sehr riskante Versuch eines europäischen Filmemachers, des Franzosen Jacques Audiard, einen Film im Rahmen des amerikanischsten Film-Genres zu drehen, das es überhaupt gibt. Des uramerikanischen Western.
Audiard, der vor ein paar Jahren für den Flüchtlingsfilm Dheepan in Cannes die Goldene Palme gewann, ist kein ganz typischer französischer
Filmemacher. Die amerikanische Erzählweise war ihm schon immer nahe, und darum beginnt sein Film auch erst einmal ganz typisch, geradezu konventionell in den Fahrwassern der Western-Klischees, mit viel Bang Bang.
Im Jahr 1851, der Zeit des großen Goldrauschs, suchen die zwei Brüder einen Mann namens Warren, der angeblich eine chemische Formel entdeckt hat, um einfacher als bisher Gold zu finden.
Und während sie einmal mehr eine blutige Spur durch den Südwesten Amerikas ziehen und töten und foltern, wachsen die Zweifel, ob es immer so weitergehen kann. Zumindest bei Eli: »Charlie, wir hatten einen schönen langen Lauf, wir sollten aussteigen. Wir könnten zusammen einen Laden eröffnen.«
Der
Bruder will davon nichts hören. Er glaubt, dass sie beide das »faule Blut« ihres wahnsinnigen Vaters geerbt hätten, und diesem genetischen Erbe nicht entkommen könnten.
Solche langen Dialoge von Sattel zu Sattel, oder am Lagerfeuer mit Dosenbohnen im Mund, sind Klischee, aber doch auch vor allem großes Schauspielkino: Reilly und Phoenix glänzen als die Brüder, die in ihrer Jugend unter ihrem Vater gelitten haben. Jake Gyllenhaal spielt den dritten in diesem Bund, John Morris, einen
Privatdetektiv, der für sie besagten Chemiker aufspüren soll. Der heißt Hermann Kermit Warm, wird von Riz Ahmed gespielt, ein sensibler Exzentriker mit weicher Stimme, aber stählernem Willen – eigentlich die interessanteste Figur in diesem Quartett. Er träumt den Amerikanischen Traum radikaler, als Saint-Simonistische Utopie einer idealen sozialistischen Gemeinschaft. Irgendwann lässt sich John Morris begeistern und beginnt, mit Hermann auf eigene Rechnung zu
arbeiten.
Mit den klassischen Western, wie sie John Ford, Howard Hawks und Anthony Mann drehten, hat all das vor allem in seiner Atmosphäre und formalen Anmutung nicht viel zu tun. Die Großmeister des Genres sind eher als Zitate vertreten.
Stattdessen ist der Western hier schon längst zu Ende, und dient als Folie, auf der die Psyche des modernen Mannes verhandelt wird. Dazu müssen alle in diesem Film viel reden, und nur zwischendurch natürlich auch notgedrungen ein wenig schießen.
The Sisters Brothers ist ein lustig anzusehender wie insgesamt wahnwitziger Film; insofern sehenswert. Ein bisschen Komödie, ein bisschen harter Western. Ganz geht diese Kombination aber nie auf.