Uruguay/D/E 2014 · 98 min. · FSK: ab 0 Regie: Álvaro Brechner Drehbuch: Álvaro Brechner Kamera: Álvaro Gutiérrez Darsteller: Héctor Noguera, Néstor Guzzini, Rolf Becker, Nidia Telles, Nuria Fló u.a. |
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Narrative Belanglosigkeiten |
Ein in die Jahre gekommener Jude heftet sich in Uruguay an die Fersen eines deutschen Restaurantbesitzers, den er für einen untergetauchten Nazi hält. Nicht selten versprechen Handlungsabrisse mehr, als die filmischen Ausarbeitungen am Ende halten können. Das gilt auch für die vermeintlich anarchische Tragikomödie Señor Kaplan, in der Regisseur und Drehbuchautor Álvaro Brechner ein oft unterschlagenes Kapitel der Nachkriegsgeschichte als Ausgangspunkt für ein augenzwinkerndes Detektivspiel nimmt. Brüllend komisch ist hier jedoch nur wenig. Und auch die dramatischen Untertöne verpuffen viel zu schnell, weshalb der in leuchtende Farben getauchte Film rasch vergessen sein dürfte.
Während er gemeinsam mit seiner Ehefrau ein typisches Rentnerdasein fristet, wird dem 76-jährigen Jacob Kaplan (Héctor Noguera) schmerzlich bewusst, dass er noch immer keine erinnerungswürdige Heldentat vollbracht hat, obwohl er eben diese Weisung bei seiner Bar-Mizwa-Zeremonie mit auf den Weg bekam. Doch dann scheint ihn das Schicksal wachzurütteln. Als er von seiner Enkeltochter erfährt, dass ein mysteriöser Deutscher (Rolf Becker) in der Nähe Montevideos seinen Lebensabend verbringt, ist die Neugier des alten Mannes geweckt. Schließlich kann es sich bei dem Teutonen nur um einen geflüchteten SS-Schergen handeln. Nach einer kurzen Einarbeitung in die Tricks und Kniffe der Nazi-Jagd unternimmt Kaplan gemeinsam mit dem abgebrannten Ex-Polizisten Wilson Contreras (Néstor Guzzini) erste Observationen.
„Ein Rentner räumt auf“ verspricht der deutsche Untertitel, was man gerne glauben möchte, zumal das erste Drittel durchaus schwungvoll gerät. Prägnant umreißt Brechner den Starrsinn seiner kauzigen Hauptfigur und lässt den Zuschauer glauben, dass herrlich überzogene Verwicklungen folgen werden. Ist es zunächst noch amüsant, wenn Kaplan ständig von einer Operation internationalen Ausmaßes spricht und fleißig die Methoden des Nazi-Verfolgers Simon Wiesenthal studiert, gehen Tempo und Witz mit Beginn der Ermittlungen mehr und mehr verloren. Viel zu deutlich werden der Protagonist und sein Begleiter als tollpatschige Amateure gezeichnet. Und ständig stolpern sie deshalb in bemüht abgedrehte Situationen, während der Film die politische Sprengkraft seiner Prämisse – immerhin flüchteten nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich zahlreiche Nazi-Verbrecher nach Südamerika – nicht wirklich auszuschöpfen versteht.
Folgerichtig plätschert die Mischung aus Komödie, Drama und mildem Thriller lange Zeit vor sich hin, bis es laut Drehbuch-Einmaleins einen Tiefpunkt geben muss, der dann recht unvermittelt über den Zuschauer hereinbricht. Wo eigentlich großes Mitgefühl gefragt ist, offenbart sich leider zu sehr die etwas hilflose Konstruktion der Handlung, die mit angezogener Handbremse auf eine wenig überraschende Schlusserkenntnis hinausläuft. Dass die Odyssee des Jacob Kaplan auch auf Erinnerungen des Regisseurs an seinen Großvater beruht, der 1938 von Polen nach Südamerika floh, mag stimmen, ist im Film aber nicht unbedingt zu spüren. Genauso wenig wie die faszinierende Skurrilität der Antihelden eines Miguel Cervantes, die – so beschreibt es das Presseheft – als Inspirationsquelle für die beiden trotteligen Hauptfiguren diente. Wer trotzdem gewillt ist, Señor Kaplan eine Chance zu geben, darf sich zumindest über luftig-sommerliche Bilder mit Garantie auf Urlaubsstimmung und eine kleine Hommage an das Western-Genre freuen. Ein „Vergnügen“, für das man – um es noch einmal zu betonen – allerdings viel zu oft harmlosen Klamauk und narrative Belanglosigkeiten in Kauf nehmen muss.