GB/USA 2019 · 100 min. · FSK: ab 12 Regie: Henry Alex Rubin Drehbuch: Sean Mullin, Henry Alex Rubin Kamera: David Devlin Darsteller: Jai Courtney, Nat Wolff, Finn Wittrock, Arturo Castro, Beau Knapp u.a. |
![]() |
|
Augen gerade aus! | ||
(Foto: Kinostar Filmverleih) |
Und der Oscar für die meisten Amerika-Flaggen in einem Spielfilm geht an … Semper Fi! Ebenso wie der für die ehrlichste Männerfreundschaft und die ehrenwerteste Selbstjustiz-Aktion. Henry Alex Rubins neuen Film Semper Fi (»für immer treu«, Motto der US-Marines) kann man in sehr vielen Punkten als über-amerikanisch bezeichnen. Jedenfalls wenn man von den Klischees ausgeht, die hier distanzlos zelebriert werden.
Gleich am Anfang sieht man die Hauptfiguren bei einem der ganz großen amerikanischen Hobbies: dem Bowling. Der Cop Callahan (Jai Courtney), sein jüngerer Bruder Oyster (Nat Wolff), Jaeger (Finn Wittrock), Snowball (Arturo Castro) und Milk (Beau Knapp) hauen jedoch nicht nur Kegel um, sondern sich auch aus Spaß mal gegenseitig, laufen nach dem Saufen munter um die Wette und sind alle bei der Militär-Reserve. Also ganze Kerle, die nichts unterkriegt. Nur die Beziehung der beiden Brüder ist von Differenzen geprägt. Oyster fühlt sich nicht ernstgenommen und wie ein Kleinkind behandelt, Callahan kann bei der dauernden Nachlässigkeit und Impulsivität seines Brüderchens nur den Kopf schütteln. Ist ja auch schwierig, der eine ist ein waschechter Polizist, der andere eher ein sensibler Typ (er spielt Gitarre und kocht). Der Konflikt eskaliert eines Abends in einer Bar völlig, als Oyster aus Versehen einen anderen jungen Mann tötet. Und obwohl Blut bekanntlich dicker als das Gesetz ist, verhaftet Callahan sein Bruderherz. Ein kleiner Gefängnisaufenthalt könnte dem Jungspund sicher auch ein paar Flausen austreiben. 25 Jahre Knast sind vielleicht etwas übertrieben, aber darum kann man sich jetzt nicht kümmern, erst einmal geht es für den Good Cop und seine Buddies in den Irak, um für die Demokratie zu kämpfen.
Das Bild amerikanischer Männer, das in Semper Fi gezeigt wird, könnte auch eine ganz plumpe Satire sein. Stumpf-maskuline Patrioten, die mit Bier und Schusswaffe Freiheit und Loyalität zelebrieren. Dabei sind die Figuren so flach und mitunter unsympathisch inszeniert, dass es einem völlig egal ist, was weiter mit ihnen passiert. Egal, ob sie nun in der Wüste oder im Knast hocken. Die Irak-Episode hätte man dabei auch komplett weglassen können. Gut, Jaeger verliert ein Bein und ist so fortan der Märtyrer, der mit seinen selbst herausgezogenen Schrapnellsplittern durch die Gegend läuft, während Callahan einen Iraker (mutmaßlicher Bombenleger) erschießt und danach schockiert schaut. Der Irakkrieg ist in Semper Fi kein Trauma, sondern in erster Linie eine Rechtfertigung für das, was Callahan und Kumpels anschließend machen.
Nach der Rückkehr in die Heimat muss er erkennen, dass sein kleiner Bruder ihm keinesfalls dankbar für die Gefängnis-Kur ist. Die Blutsbande sind erst mal gekappt. Es hilft sogar nicht einmal etwas, wenn man nebenher ein paar alte Familien-Konflikte durchgeht. Und da kommen Callahan auf einmal Bedenken, ob er wirklich das Richtige getan hat. Die Hämatome an Oysters Körper verraten ihm nämlich, dass in diesem Gefängnis nicht nur Good Cops wie er im Dienst sind. Der Bruder muss also rausgeholt werden! Doch oh weh, der rechtliche Weg verliert sich im Sande. Gut, es wäre ja auch langweilig, wenn man nun dem Rechtsanwalt bei der Arbeit zuschauen müsste. Lieber doch den Helden, die im Irak ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben und deshalb das Recht haben, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen. Der pflichtbewusste Männertrupp macht sich also an die Arbeit, um ihren Bro aus dem Kittchen zu holen.
So uninteressant die Inszenierung von Semper Fi ist, so beunruhigend ist doch seine Aussage. Die großen Gesten des Hurra-Patriotismus bleiben zwar aus, doch ähnlich wie die Stars & Stripes-Flaggen ist er überall in diesem Film platziert. Die Hauptfiguren präsentieren die einfachen, stolzen und aufrechten Leute, die von einem unnötig-komplizierten System behindert werden und für die Gerechtigkeit aufstehen müssen. Wahre Vaterlandsliebe zeigt sich hier im Übergehen des Gewöhnlichen, im Sprengen alter Formeln, wenn es nötig ist, mit Gewalt. Der Film hinterfragt dieses Vorgehen an keiner Stelle. Alles, was die Protagonisten hier tun, ist gerechtfertigt. Warum genau, ist nebensächlich, nur das richtige Gefühl zählt. Als Gegenpol zur einsatzbereiten Herrenrunde gibt es nur sadistische Staatsdiener und die langsamen Mühlen des Gesetzes. Jede zu Recht angebrachte Kritik wird also gleich durch die einseitige Darstellung verwischt. Statt zu analysieren, muss man den Weg des eigenhändigen Umkrempelns gehen. Man stelle sich nun vor, das würde jemand in einem hohen, politischen Amt machen und nicht eine kleine Gruppe von Zivilisten. Auweia...
Es wäre naheliegend, zu sagen, Semper Fi wäre einfach zu amerikanisch für ein deutsches Publikum. Nun, ein schlechter Film ist überall auf der Welt schlecht. Alles hier ist uninspiriert, die Grundaussagen problematisch und einseitig vorgeführt und die Figuren will man schlicht und ergreifend nach einer halben Stunde schon nicht mehr sehen. Dann lieber selber Bowlen gehen – oder einfach in einen anderen Film.