#SchwarzeSchafe

Deutschland 2025 · 99 min. · FSK: ab 16
Regie: Oliver Rihs
Drehbuch: , , , ,
Kamera: Philip Peschlow, Felix von Muralt
Darsteller: Jella Haase, Yasin el Harrouk, Jule Böwe, Frederick Lau, Milan Peschel u.a.
#SchwarzeSchafe
Dann und wann auch atmosphärische Dichte und schauspielerische Präsenz...
(Foto: Port-au-Prince / Central Film)

Spießig und ohne Frechheit, also ein Bild unserer Zeit

Verloren zwischen Ambition und Attitüde: #SchwarzeSchafe von Oliver Riehs ist ein Film für alle und keinen

Man möchte es wirklich so gerne gut finden. Jeden­falls vor dem Film.

Den Film sehe ich bei seiner Premiere im Wett­be­werb des Filmfest München. Neben mir sitzt ein Freund; nach fünf Minuten sagt er: »ich verstehe kein Wort« – und er meint akustisch, nicht intel­lek­tuell. Nach acht Minuten sagt er es mir noch mal. Ich habe wahr­schein­lich auch nicht alles hundert­pro­zentig verstanden; das liegt teilweise an der viel­leicht noch nicht ganz geglückten Tonmi­schung – am ambi­tio­nierten Arri-Kino-Sound­system kann es eigent­lich nicht liegen –, es liegt aber glaube ich auch an dem, was ich da auf der Leinwand sehe. Links neben mir sitzt eine brandneue Bekannt­schaft, Katharina, promo­vierte Ärztin, die sich auch als Haupt­dar­stel­lerin in einer Soap entpuppt. Mit ihr konnte ich gute Witze machen, vor dem Film und auch danach, über unsere zwei Gene­ra­tionen und darüber, für welche dieser beiden denn wohl der Film gemacht ist. Viel­leicht auch für keine von beiden. Ein Film für alle und keinen.

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Vor fast 20 Jahren kam Schwarze Schafe in die Kinos – damals ein schrill-origi­nelles Porträt Berliner Subkultur. Jetzt nach 20 Jahren wagt sich Regisseur Oliver Riehs an ein Update, das kein Remake ist und auch keine Fort­set­zung: #Schwar­zeSchafe – aber trägt das alte Erfolgs­re­zept noch?

Das ist die Frage.

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Ein arabi­scher Drogen­clan aus Berlin Neukölln möchte klima­neu­tral werden – das ist erstmal ein richtig guter Plot.

Ich möchte ihn wirklich gerne gut finden. Das Kino könnte so einen Film gut brauchen. In einer Zeit, in der sich deutsche Inde­pen­dent-Produk­tionen zunehmend von konven­tio­nellen Erzähl­mus­tern lösen, scheint dieser Film zunächst wie ein will­kom­menes, urban-vers­törtes Gegen­s­tück zum weich­ge­spülten Main­stream­kino.

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Doch was eine viel­ver­spre­chende Moment­auf­nahme einer zerris­senen Gene­ra­tion sein könnte, oder die Satire auf eine gestörte Metropole, die geschei­terte Haupt­stadt Berlin, verliert sich leider schnell in einem Netz von Anachro­nismen aus dem Neunziger-Jahre-Komö­di­en­kino, bemühtem Humor und Zynismus, formalen Spie­le­reien und einer allzu grellen gesell­schafts­kri­ti­schen Pose. Trotz aufrich­tiger Ambi­tionen und einem bemer­kens­wert enga­gierten Ensemble bleibt der Film darum hinter seinem Potenzial zurück.

Regisseur Oliver Riehs setzt in #Schwar­zeSchafe auf episo­disches Erzählen. In einer Handvoll lose verbun­dener Episoden, die sich um Scheitern mancherlei Art drehen und arche­ty­pi­sche »schwarze Schafe« der Gesell­schaft porträ­tieren sollen: arabische Drogen­dealer, desil­lu­sio­nierte Start-up-Gründer, Akti­visten und frus­trierte Haus­frauen, alle irgendwo zwischen Wut, Witz und Welt­flucht, erzählt #Schwar­zeSchafe von angeb­li­chen »Außen­sei­tern«, Klein­kri­mi­nellen und Losern in der Berliner Großstadt. Der Film nimmt seine Figuren nicht wirklich ernst, was man auch einer Komödie vorwerfen kann, aber nicht immer muss, wenn sie denn in der Lage wäre, auch über sich selbst zu lachen – und genau darin liegt eine der größten Schwächen des Films.

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Der Witz tritt nach unten. Er ist oft nur bemüht und pseudo-gewagt, vor allem aber dominiert der alte spießige deutsche Schen­kel­klopf-Humor, der auf Rand­gruppen herab­schaut: Witzig soll es zum Beispiel sein, dass ein Hetero-Callboy zum Analsex mit einem schwulen Kollegen gezwungen wird, dass eine Krabbe sich an den Hoden eines Mannes fest­zwickt, dass eine Frau gender­fluide Kinder­puppen herstellt – und überhaupt diese dauernden puber­tären Hihihi-Sexwitze, oder die Idee, dass zwei Frauen, die eine Kredit­karte klauen, also endlich mal Geld haben, natürlich nichts Besseres zu tun haben, als Callboys zu mieten, aber dann – wir sind im deutschen Kino – darf es natürlich nicht zum Sex mit denen kommen, dann das wäre ja erstens Ausbeu­tung, also nicht pc, zweitens Bezie­hungs­be­trug, also – ohgot­to­gott – hedo­nis­tisch und anti­pu­ri­ta­ni­sche Moral.

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Was dem Film an erzäh­le­ri­scher Stringenz fehlt, macht er immerhin in einigen Momenten durch atmo­sphäri­sche Dichte und schau­spie­le­ri­sche Präsenz wett. Besonders hervor­zu­heben ist das Ensemble, das den Film über Wasser hält. Neben Jella Haase, Jule Böwe, Yasin El Harrouk und Frederik Lau.
Auch produk­ti­ons­tech­nisch muss man #Schwar­zeSchafe loben: Sound­de­sign und Musik schaffen eine dichte Klang­ku­lisse. Die Montage ist pointiert, wenn auch mitunter zu hektisch, und das Produk­ti­ons­de­sign überzeugt mit greller Comedy-Über­zeich­nung.

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Fazit: #Schwar­zeSchafe ist ein Film, der mehr will, als er halten kann. Zwischen Expe­ri­men­tier­freude, post­mo­derner Pose und enga­gierter Themen­set­zung verliert er den Fokus. Wer bereit ist, sich auf das episo­dische Konzept einzu­lassen und die inhalt­li­chen Defizite in Kauf zu nehmen, wird mit ein paar starken Einzel­szenen, aufrich­tigem Spiel und einer nicht ganz unin­ter­es­santen Ausein­an­der­set­zung mit der Frag­men­tiert­heit urbaner Iden­ti­täten über Wasser gehalten.

Ein lustiger Film ist dies aber nicht: Spießig und ohne Frechheit, bietet er vielmehr ein exaktes Bild unserer Zeit.

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Am Schluss hat der Freund die Dialoge besser verstanden, Katharina und ich wussten aber immer noch nicht, für wen der Film gedacht war.