Sargnagel – Der Film

Stefanie Sargnagel: 30 Sekunden schneller als die Nazis

Die Internationalen Hofer Filmtage sind das Festival der Neuentdeckungen. Und das zum 55. Mal! Zu den aktuellen Entdeckungen gehört Sargnagel – Der Film

Stefanie Sarg­na­gels Bonmots sind saulei­wand, sollten aber nicht in allzu großen Portionen genossen werden. Dauer­witzig kann anstren­gend werden. Sabine Hiebler und Gerhard Ertl, die Macher*innen des Films Sargnagel – Der Film wissen das. Sie haben die geist­rei­chen Sätze wohl­do­siert einge­setzt und eine Geschichte über das Geschich­ten­er­zählen gebaut.

Wie schwierig es ist, gute Texte in Szenen zu setzen, hatte schon Sherry Hormann im Jahr 2012 mit ihrer Verfil­mung von Paul Watz­la­wicks mega­l­ei­wandem Sachbuch Anleitung zum Unglück­lich­sein erfahren müssen.

Wie kann nun eine (schein-)fiktive Geschichte über das fucking Genie aus Wien mit der roten Basken­mütze erzählt werden? Es muss ja nicht schon wieder so was Arges sein, wie wenn wer wen in einen Keller sperrt, sagt der Regisseur des Films im Film. Dann fasst er den kreativen Entschluss, sich eine eigene Sargnagel zu bauen und zu phan­ta­sieren. So wird mehr und weniger munter, aber meist mit viel Alkohol zwischen den Erzäh­le­benen hin- und herge­wankt. Hilde Dalik ist in einer Doppel­rolle dabei. Sie spielt die Schau­spie­lerin, die endlich den Öster­rei­chi­schen Filmpreis gewinnen will, und sie spielt die Boazn-Genossin, die gern Schau­spie­lerin geworden wäre. Marga­rethe Tiesel und Christoph Krutzler spielen die Eltern in den fami­liären Mocku­men­tary-Szenen. Alexander Jagsch spielt die Hop On-/Hop Hoff-Beziehung Herrmann, der dann doch bei ihr bleiben wird, weil sie am Ende des Films reich und berühmt geworden sein wird. Böhmi Böhmer­mann als Sargnagel-Claqueur wirkt merk­würdig rein­ge­schnitten und passt so gar nicht ins morbide Gesamt­re­fu­gium.

Der Film hat Längen. Am besten sind die Szenen, in denen die Sargnagel selbst dabei ist. Wir dürfen die verschmutzte Nomadin in ihrer Rumpel­woh­nung beob­achten. Einige Szenen und ein paar Karrie­resprünge später lässt sie attrak­tive, muskulöse Putz­sklaven das exklusive Chaos aufräumen. Sehr witzig ist die Szene mit blonder Schau­spie­lerin, Regisseur und Produ­zenten, für die die Kulisse des pikanten Ibiza-Videos nach­ge­baut wurde.

»Ich fick' Eure Opas!«, schreit Stefanie Sargnagel frechen Buben auf der Straße zu. Es geht um dumme Sprüche von Männern, um rotzig-stolzen Femi­nismus, um Rap, um Sex, um Nazis, um Sex mit Nazis, um Mens­trua­tion während und nach der Pille, um die femi­nis­ti­sche Burschen­schaft Hysteria und ums Prokras­ti­nieren. Im richtigen Leben hatte der Rowohlt Verlag 2015 ihr Buch »Fitness«, 2017 die »Status­mel­dungen« und im Jahr 2020 »Dicht« veröf­fent­licht.

Mein Lieb­lings­dialog aus dem Film: Stefanies Freund Herrmann sagt anläss­lich des sarg­na­gel­schen Alkohol- und Medi­ka­men­ten­kon­sums via Inter­net­te­le­fonie: »Wenn du an einer Überdosis stirbst, komm' ich an dein Grab und wichs' drauf.« Darauf sie: „Das ist lieb.“

Mögen die Hofer Filmtage und auch Jan Böhmer­mann dem Film nützen! Sargnagel – Der Film hat noch keinen deutschen Verleih.

Felicitas Hübner

Die 55. Inter­na­tio­nalen Hofer Filmtage finden vom 26.-31. Oktober 2021 statt.

• Kurzbeschreibung und Kinoprogramm München