Frankreich 2012 · 90 min. · FSK: ab 6 Regie: Pierre Pinaud Drehbuch: Pierre Pinaud Kamera: Guillaume Deffontaines Darsteller: Karin Viard, Nicolas Duvauchelle, Nadia Barentin, Patrick Fierry, Catherine Hosmalin u.a. |
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Zwischen ihm und ihr liegen mehr als nur das Blümchenmuster |
Mélina, Radiomoderatorin und die »bekannteste« Stimme Frankreichs gibt Abend für Abend einfühlsame Tipps für alle Lebenslagen. Ihre überwiegend weibliche Hörerschaft vergöttert sie. Als Übermutter der Nation schafft sie es, Punktlandungen in Sachen Lebensberatung Anderer abzuliefern, dabei ist sie selbst denkbar wenig im Leben verankert – sie leidet darunter, ihre leibliche Mutter nicht zu kennen und begibt sich mit all ihrer Energie und Hartnäckigkeit auf deren Suche. Auf diesem Weg begegnet sie auch einem Verehrer, der schnell ein Teil ihrer Suche wird. Aus diesen drei Handlungssträngen setzt sich die etwas unbeholfen wirkende Tragikomödie von Pierre Pinaud zusammen.
Über eine Agentur, die sie mit Nachforschungen beauftragt hat, erhält Mélina einen entscheidenden Hinweis auf den Verbleib ihrer Mutter. Zaghaft, aber bestimmt, nähert sie sich ihrem Ziel – ihre leibliche Mutter kennenzulernen und zu verstehen, wieso sie als Tochter verstoßen wurde. Ihrer vermeintlichen Familie kann sie sich zum ersten Mal bei einer Feier annähern und diese aus nächster Nähe – ohne sich zu offenbaren – inspizieren. Die sozialen Unterschiede könnten größer nicht sein: Sie, die penibel gutgekleidete und verschlossene Frau, Aushängeschild biederer Bourgeoisie und ihre quasi-Familie aus einem Schmuddel-Milieu, laut, ungebändigt und mit unverkennbarem Hang zu Alkohol und vulgären Kraftausdrücken.
Mélina ist hochgradig neurotisch, lebt gänzlich abgeschottet von ihrer Umwelt und pocht auf unbedingte Anonymität – auf ihren Wunsch hin sogar im Arbeitsvertrag zugesichert. Jeden Tag geht sie allein nach Hause, im Arm die voll beladene Altfrauentasche, aus der ihre Fanpost quillt. Bevor sie wichtige Briefe öffnet, rückt sie jeden Gegenstand auf ihrem Schreibtisch millimetergenau an den ihm zugedachten Ort. Jeglicher Kontakt zu ihrer Umwelt wird gemieden – Anonymität ist ihr Programm. Trotz dieser tief empfundenen Menschenscheu oder gerade deswegen sucht sie wie besessen nach ihrer Mutter und möchte endlich die Wahrheit von ihr erfahren – wieso sie als Kind zurückgelassen wurde.
Dem Film mangelt es keinesfalls an komischen Momenten: Ihre Hartnäckigkeit lässt sie sämtliche Grenzen überschreiten – sie geht sogar so weit, von ihrer Mutter ein Eingeständnis zu erpressen, als diese an der Sauerstoffmaschine hängt und Mélina damit droht, den Stöpsel zu ziehen. Die völlig absurde Situation, der unvermittelte Wutausbruch der ansonsten so kontrollierten, unterkühlten Frau, der verzweifelte, unverständliche Blick der Mutter entbehrt dabei nicht einer tieferen Komik. Ihr notorisches Alleinseinwollen, ihr bedingungsloser Rückzug vor der Menschheit bringt konsequenterweise allerlei Verwicklungen mit sich, wo auch immer sie auf der Suche nach Vorwänden für unfreiwillige Komik sorgt. Sehenswert auch der Moment, wo sie in ihrem Abschottungswahn aus dem Schrank, in den sie sich regelmäßig verkriecht, mit ihrer Putzfrau spricht. Die augenfälligen Milieuunterschiede als weitere Quelle der Filmkomik: Ganz selbstverständlich zückt Mélina ihr Taschentuch, um das schmuddelige Sofa ihrer neu gewonnenen Familie zu reinigen, bevor sie sich setzt.
Zweifelsohne eine interessanter Plot, eine Geschichte mit allerlei Potential, doch durchaus dürftig in der Umsetzung. Sag, dass du mich liebst möchte vieles sein: Die einfühlsame Darstellung einer Figur mit einem tiefsitzenden inneren und unbewältigten Konflikt. Dabei versucht sich der Film am Psychologisieren der Hauptfigur, was in einer aufgesetzten und völlig unauthentischen Darstellung mündet – viel zu überzeichnet, viel zu sehr Kunstgestalt, als dass die Figur Anreiz zur Identifikation schafft und man ihr eine Entwicklung abnimmt. Andererseits will der Film rühren, doch setzt er dabei ausschließlich auf Klischees und bleibt viel zu platt. Auch die Geschichte einer Anruferin, die auf die frühe Kindheit Mélinas anspielt, vermutlich eben ihre Frühgeschichte wiedergibt, wird derart undifferenziert ausgestaltet, dass auch diese Geschichte wie eine weitere, zusätzliche Episode wirkt. Völlig unmotiviert auch die Liebesgeschichte, kaum für den Zuschauer nachvollziehbar. Schließlich will der Film auch noch unterhalten, was er zugegebenermaßen an der ein oder anderen Stelle auch tut. Wenn etwas gelungen ist, dann sicherlich die ihm innewohnende Komik, wenngleich vermutlich am Reißbrett mit Malen nach Zahlen konstruiert. Schließlich will er auch noch belehren, dem Zuschauer eine kleine Moral an die Hand geben: Offensichtlich geläutert fordert Mélina eine Hörerin auf, sich nach draußen zu wenden, auf andere Menschen zuzugehen. Vor dem Hintergrund der restlichen Gestaltung des Films kann auch dies nur befremdlich wirken.
Ein schlichter Film, der auch darstellerisch nicht punkten kann. Eine Geschichte, ausstaffiert und aufgebaut auf Klischees, die unauthentisch und überzogen wirken. Nicht einmal die Behauptung, dass sie die bekannteste Stimme Frankreichs ist, wurde glaubhaft transportiert. Dieser Film ist weder Fisch noch Fleisch – eine nicht gelungene Mischung aus Klaumauk, einer versuchten Ernsthaftigkeit des Hauptthemas und einer vermeintlichen Schlussaussage im Sinne einer Läuterung, die man der Hauptfigur nicht abnimmt.