Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones

A Walk Among the Tombstones

USA 2014 · 115 min. · FSK: ab 16
Regie: Scott Frank
Drehbuch:
Kamera: Mihai Malaimare jr.
Darsteller: Liam Neeson, Dan Stevens, Boyd Holbrook, Brian "Astro" Bradley, Ólafur Darri Ólafsson u.a.
Gepäck für die letzte Reise

Die Last der Vergangenheit

Seit einigen Jahren ist Liam Neeson der Mann fürs Grobe. Spät berufen zum stoischen Action­star. Wohl vor allem dank des von Luc Besson erdachten Rache­thril­lers 96 Hours. Einem schnör­kel­losen Schieß- und Prügel­film, der unver­blümt alte Charles-Bronson-Fantasien aufleben lässt und derart erfolg­reich war, dass Anfang 2015 bereits die zweite Fort­set­zung ins Kino kommt. Bevor der nord­iri­sche Hollywood-Mime aller­dings als kompro­miss­loser Ex-CIA-Agent Bryan Mills auf die Leinwand zurück­kehrt, ist er erst einmal in einer deutlich gemäßig­teren Rolle zu sehen. Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombs­tones, eine Adaption des gleich­na­migen Krimi­nal­ro­mans von Lawrence Block, zeigt Neeson als grüble­ri­schen Priva­ter­mittler, der nicht nur mit einer grausamen Mordserie zu kämpfen hat, sondern auch mit den Schatten seiner unrühm­li­chen Vergan­gen­heit.

Matthew Scudder ist ein einsamer Wolf, der unver­kennbar in der Tradition klas­si­scher Detek­tiv­fi­guren steht. Jener Anti­helden, die in der ameri­ka­ni­schen Hard­boiled-Literatur geboren wurden. Und etwas später den Film noir prägen sollten. Wie so viele private eyes – die Namen Philip Marlowe und Sam Spade tauchen mehrmals auf – ist Scudder vom Leben gezeichnet, macht aber dennoch weiter. Seine Alko­hol­sucht hat der Ex-Cop in den Griff bekommen, seit er im Jahr 1991 bei einer Schießerei in ange­trun­kenem Zustand verse­hent­lich ein kleines Mädchen getötet und anschließend den Dienst quittiert hat. Seinem Seelen­frieden jedoch jagt er unauf­hör­lich nach.

Neeson verkör­pert diesen gebro­chenen Einz­el­kämpfer mit der richtigen Mischung aus Entschlos­sen­heit, Melan­cholie und Würde. Lässt die verlet­z­liche Seite des ehema­ligen Poli­zisten glaubhaft aufscheinen. Ebenso wie seinen Sinn für Gerech­tig­keit. Denn unge­achtet aller Schwächen trägt Scudder das Herz am rechten Fleck und hat seinen mora­li­schen Kompass nicht verloren. Das wird nur zu deutlich, als der ohne Lizenz arbei­tende Priva­ter­mittler acht Jahre nach seinem fatalen Fehl­schuss von einem wohl­ha­benden Drogen­händler (Dan Stevens) gebeten wird, die Männer zu finden, die seine Frau entführt und trotz Zahlung eines Lösegelds bestia­lisch ermordet haben. Da der Dealer sich an ihnen rächen will, zögert Scudder lange, bis er den heiklen Auftrag annimmt, der ihn schließ­lich auf die Spur eines gestörten Seri­en­killer-Duos führt.

Der Plot an sich, so viel sei hier verraten, ist selten raffi­niert. Düster, sexuell aufge­laden, aber vor allem bestimmt von altbe­kannten Genre-Mustern, die Regisseur und Dreh­buch­autor Scott Frank (Die Regeln der Gewalt) bisweilen etwas unge­schickt kombi­niert. Hier und da will sich die anvi­sierte Spannung nicht ganz entfalten. Und leider bedient der Film allzu bereit­willig die im Thriller-Kino noch immer vorherr­schende Margi­na­li­sie­rung weib­li­cher Figuren. Als hilflose Opfer sollen sie Mitleid erzeugen, bleiben ansonsten aber blass und austauschbar. Etwas holprig wirkt schließ­lich auch das breit ausge­tre­tene Finale, in dem Frank die Gewalt­schraube merklich anzieht und Scudders Suche nach Erlösung geradezu exzessiv in religiöse Dimen­sionen rückt. Weniger wäre an dieser Stelle sicher mehr gewesen.

Ein Gang ins Kino kann sich dennoch lohnen. Zum einen, weil die Darbie­tung des markanten Haupt­dar­stel­lers erstaun­lich diffe­ren­ziert ausfällt. Und zum anderen, weil der Regisseur gemeinsam mit Kame­ra­mann Mihai Malaimare Jr. die recht konven­tio­nelle Geschichte in herrlich stim­mungs­volle Bilder taucht, die bloß ein begren­ztes Farb­spek­trum umfassen. Das New York, das in Ruhet in Frieden zu sehen ist, hat nur wenig mit der verheißungs­vollen Weltstadt gemein, als die das Kino den Big Apple ständig insz­e­niert. Hand­lungs­orte sind hier vor allem anonyme Straßen­züge, herun­ter­ge­kommen Ecken, ranzige Wohn­häuser und ein morbider, alter Friedhof. Unwirt­liche Räume also, die die Kälte der Geschichte treffend spiegeln und die Isolation der Haupt­figur einmal mehr betonen.

Franks Best­seller-Adaption ist beileibe nicht der ganz große Wurf, bietet aber trotzdem eine angenehme Abwechs­lung zu Neesons wieder­keh­renden Rambo-Auftritten, die im Vergleich dann doch merklich stumpf­sin­niger geraten.