Deutschland/B 2016 · 106 min. · FSK: ab 0 Regie: Wolfgang Groos Drehbuch: Jan Berger Kamera: Armin Golisano Darsteller: Arsseni Bultmann, Alexandra Maria Lara, Sam Riley, Friedrich Mücke, Jördis Triebel u.a. |
||
Tolle Chance leichtfertig verspielt |
Das tut richtig weh. Das tut auch weh ohne »Nostalghia« und es tut auch weh, wenn man den immer noch gut aufgelegten Klassiker der deutschen Kinderbuchliteratur, Boy Lornsens 1967 erschienenes »Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt« nicht gelesen hat. Aber von vorne. Das Buch ist toll und auch die vom WDR verantwortete Umsetzung des Buchs als Puppenspiel-Serie in den 1970ern hat ihren Reiz nicht verloren. Armin Maiwald, der auch heute noch den meisten aus der »Sendung mit der Maus« bekannt sein dürfte, war damals für Drehbuch und Regie verantwortlich. Und vielleicht dachte man sich ja, gut, Marionetten waren gestern, also lasst uns upgraden auf die Gegenwart. Richtige Schauspieler, Action und CGI, um die Idee des »Fliewätüüt« mal so richtig auszukosten. Und als Omen und gewissermaßen Symbol für diesen Schritt nehmen wir das neue Gesicht der »Sendung mit der Maus«, Ralph Caspers, gleich mit ins Fliewatüüt und los geht die Reise.
Aber leider geht so ziemlich gar nichts. Aus Buch und alter Serie bleibt nicht viel mehr als die Idee des Außenseiters Tobias Findteisen, der als 3.-Klässler schon erstaunliche Erfindungen aufzuweisen und auch die Idee für ein »Fliewätüüt« hat; ein Gefährt, dass sowohl fliegen (Flie), durchs Wasser fahren kann (Wa) und auch ein Auto (Tüüt) ist. Doch ab dann scheiden sich auch schon die Geister von Vergangenheit und Gegenwart und wir bleiben bei letzterer: Tobbi (Arsseni Bultmann) wird in der Schule gemobbed, schafft es aber mithilfe des außerirdischen Roboters Tobbi, der gerade mit seinen Eltern auf der Erde abgestürzt ist, das Fliewatüüt auch zu realisieren und sich damit nicht nur auf die Suche nach Tobbis Eltern zu begeben, sondern auch noch seinen eigenen Status zu reformieren. Aber stopp – wir haben schließlich Gegenwart: also gibt es auch noch den bösen Software-Konzern, der Tobbi und seine Eltern unbedingt ausschlachten will, um deren emotional-künstliche-Intelligenz in die neue Smartphone-Generation zu implementieren, damit – nun ja: wir endlich keine Freunde mehr brauchen.
Die Adaption und Erneuerung eines Klassikers ist an sich keine schlechte Idee – auch ein Märchenklassiker wie Hauffs »Kalif Storch« wäre durchaus in den neuen Kleidern von Migration und politischem Populismus denkbar – und die Ideen, die Regisseur Wolgang Groos und sein Drehbuchautor Jan Berger hier entwickeln sind an sich interessant und angemessen. Wären sie denn angemessen umgesetzt worden.
Doch Groos geht den Weg des scheinbar geringsten Widerstands; er entscheidet sich für die Variante der deutschen Action- und Klamottenkomödie, mit der er bereits durch die beiden ersten beiden Teile der Vampirschwestern beachtliche Erfahrungen und Erfolge sammeln konnte. Was für Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt bedeutet, dass auch der letzte soziale Realismus, den Lornsens Buch Kindern mutig zutraute, verdampft ist. Groos wählt eine für etliche deutsche Vorabendserien nur allzubeliebte norddeutsche Lego-Retortenkulisse, eine Kleinstadt, die so klischiert daherkommt, dass man sich schon nach der ersten Kamerafahrt nach Norbert Lechners ehrlich schmutzigem Halle aus Ente gut! Mädchen allein zu Haus sehnt. Und da nicht nur unsere Sprache unsere Realität formt, sondern auch die Orte, in denen wir leben, kann man sich den Rest der Geschichte fast schon denken. Das Spiel der Darsteller ist wie der Ort, in dem sie sich bewegen – unwirklich, bemüht, aufgesetzt; jeder Dialog gleicht der schlechtesten Schultheatervariante; selbst die ernsten, auch spannenden Momente werden schlichtweg verblödelt; über die Bemühungen, wenigstens die Gender-Stereotypen ein wenig zu hinterfragen, kann man nur müde lächeln – da macht es Ralph Caspars als Tobbis Vater fast nur noch schlimmer, in dem er seine Rolle aus der »Sendung mit der Maus« und »Wissen macht Ah!« dezidiert reproduziert.
Was bleibt, ist eigentlich nur Schmerz darüber, eine so tolle Chance so leichtfertig verspielt zu haben; doch gleichermaßen tröstlich und verzweifelt sei hinzugefügt: die Zielgruppe dürfte trotzdem ihren Spaß haben.