Role Play

USA 2023 · 101 min. · FSK: ab 16
Regie: Thomas Vincent
Drehbuch: ,
Kamera: Maxime Alexandre
Darsteller: Kaley Cuoco, Bill Nighy, David Oyelowo, Connie Nielsen, Sonita Henry u.a.
Filmszene »Role Play«
Du bist wer du bist der du nicht bist...
(Foto: STUDIOCANAL)

Mehr Leben, mehr Gefühle

Thomas Vincents ironischer Thriller Role Play ist ein spannendes Gedankenspiel zum Thema Beziehungsauffrischung und Identitäts-Tohuwabohu

They sentenced me to 20 years of boredom
For trying to change the system from within
I’m coming now, I’m coming to reward them
First we take Manhattan, then we take Berlin

– Leonard Cohen, First We Take Manhattan

Es ist das klas­si­sche Breaking Bad bzw. The Americans-Setting der beiden großen Serien, die Familie, Bezie­hungs­wirk­lich­keit und gesell­schafts­po­li­ti­sche Identität hinter­fragt haben, wie kaum jemand zuvor und auch nicht danach. Bei Thomas Vincent und seinem Thriller Role Play fällt die Politik aller­dings ganz weg, doch was bleibt, ist immer noch ein sehens­wertes Gedan­ken­spiel, das sich kreativ aus dem reich­hal­tigen Gedanken-Pool dieser beiden Serien bedient, dabei aber auch Neues und dann und wann auch eine Über­ra­schung generiert.

Die Über­ra­schung liegt dann auch weniger in dem Doppel­leben, das Emma (Kaley Cuoco) führt. Für ihren Mann Dave (David Oyelowo) und die beiden halb­erwach­senen Kinder ist sie die erfolg­reiche Geschäfts­frau, die ständig auf Reisen ist und Vorträge hält, für ihre Kunden eine der besten Auftrags­kil­le­rinnen, die man sich leisten kann. Dieser wohl­ein­ge­spielte Alltag eines alles andere als mora­lin­sauren Alltags und eines fast schon perfekten Rollen­spiels gerät erst ins Wanken, als ausge­rechnet ihr vorsich­tiger und etwas spießiger Ehemann Dave Emma vorschlägt, es mal mit einem Rollen­spiel zu versuchen, um die stets über­be­schäf­tigte und etwas abwesende Emma wieder etwas an die Familie, vor allem aber, an ihn zu binden.

Wie über dieses Rollen­spiel – ein spie­le­risch insze­niertes »First date« in einem Hotel – das fein austa­rierte Doppel­leben und perfekt insze­nierte Rollen­spiel von Emma ins Wanken gerät, wird von Thomas Vincent mit Ironie und leicht dosiertem schwarzen Humor insze­niert und vor allem über das süffi­sante Spiel von Bill Nighy als Bob Kellerman über­zeu­gend umgesetzt. Nicht nur wird die selbst verord­nete »Paar­the­rapie« mit einer Überdosis »Wirk­lich­keit« demas­kiert, sondern gleich das ganze System ameri­ka­ni­scher Über­fa­mi­li­en­moral bissig hinter­fragt.

Die Zuspit­zung dieses »Rollen­zirkus« hebt sich Role Play aller­dings für den Orts­wechsel von New York nach Europa und Berlin auf – die fran­zö­si­sche Film­pro­duk­ti­ons­ge­sell­schaft Studio­canal und die deutsche Studio Babels­berg AG haben mitpro­du­ziert –, wo es dann nicht nur um Ehemann und Ehefrau, sondern auch um eine aufre­gende Neuin­sze­nie­rung des märchen­ge­schwän­gerten Bildes der bösen Stief­mutter und der unartigen Stief­tochter geht und der Film dann wirklich zu dem hapti­schen Thriller wird, der er ganz am Anfang zu sein scheint, sich aber über Ehe- und Berufs­ka­priolen Zeit lässt, um dieses Verspre­chen dann auch einzu­lösen.

Vincent gelingt dieser Übergang so spie­le­risch und selbst­iro­nisch, und eigent­lich so, wie es Leonard Cohen in seinem Song »First we Take Manhattan« macht, doch das wilde Spiel mit geschlechts­spe­zi­fi­schen Iden­ti­täten und tradierten Bezie­hungs­hier­ar­chien macht auch durch das hervor­ra­gend aufspie­lende Ensemble Spaß, das nicht nur zeigt, dass in jeder Beziehung mehr als eine Sehnsucht liegt, sondern vor allem, dass jeder Mensch mehr als ein Leben besitzt, er muss es sich halt nur erst einmal »frei­schießen«.