Frankreich/L/B 2019 · 99 min. · FSK: ab 16 Regie: Christian Volckman Drehbuch: Christian Volckman, Eric Forestier Kamera: Reynald Capurro Darsteller: Olga Kurylenko, Kevin Janssens, Joshua Wilson, Francis Chapman, Jean-Louis Sbille u.a. |
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Festhalten, bevor es nach drinnen geht | ||
(Foto: Weltkino) |
Raus aus der Großstadt und ab in die Provinz – dieser Traum so mancher Menschen, der heute manchmal auch deswegen Realität wird, weil man einfach in der Großstadt seine Miete nicht mehr bezahlen kann, dieser also schon gebrochene Traum wandelt sich im französischen Horrorfilm The Room zum völligen Alptraum im Leben der beiden Hauptfiguren.
Kate und Matt finden ihr Traumhaus abseits der Metropole. Ein schönes altes, ein bisschen heruntergekommenes und zugewachsenes Haus mit riesigem Garten, so wie es sich in Amerika auch normale Familien leisten können, wenn es nur weit genug weg von der Großstadt liegt.
Wir sehen zunächst »Szenen einer Ehe« im Thriller-Gewand. Ein Mehltau der Unzufriedenheit liegt von Beginn an über dieser Beziehung. Man bekommt bald noch tieferen Einblick in ein Verhältnis, das sowieso schon ein bisschen angekränkelt ist: Sie haben kein Kind, nach zwei Fehlgeburten, und Kate, gespielt von Olga Kurylenko, die von allen auch jetzt noch »Ex James-Bond-Girl« genannt wird, obwohl sie in Terrence Malicks »To the Wonder« immerhin schon mal an der Filmkunst kratzte, möchte es kein drittes Mal versuchen. Zugleich verstehen sie sich auch gut: zwei schöne Menschen, die meistens ihren Spaß haben.
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Erstmal wird im Film das schöne neue Haus noch schöner gemacht und renoviert. Doch dabei entdecken die beiden hinter einer Wand einen verborgenen Raum: Fensterlos, durch eine schwere Tür gesichert und von der Außenwelt abgeschlossen. Dieser Raum, der dem Film den Titel gibt, entpuppt sich bald als ein magischer Ort. Er erfüllt Wünsche.
Es ist nicht klar, warum das so ist, es ist einfach so gesetzt: Das alte Märchenmotiv der unendlichen Wunscherfüllung, des Tischlein-deck-Dich: So wünscht Matt, ein wohl eher erfolgloser Künstler sich – Klischeealarm Nummer 1 – einen echten Van Gogh und dann auch noch andere Meisterwerke der Europäischen Malerei.
So wünscht sie sich diverse Luxusgegenstände, Champagner, Kaviar, bis beides zu den Ohren rauskommt, das volle Programm – und Klischeealarm
Nummer 2.
Gerade zu Beginn der Geschichte ist diese Wunscherfüllung auch ein bisschen eine Bebilderung des amerikanischen Unbewussten in seiner vulgärsten Form: Pornophantasien. Kate läuft – Klischeealarm Nummer 3 – in sünd-teurer Unterwäsche wie im Lingerie-Fetisch-Clip durch die Wohnung, er trägt dazu dann das knallrote Livree eines Hotel-Pagen. Rollenspielchen – Klischeealarm Nummer 4.
Dazu dann Dekadenz: Man verwahrlost, putzt nicht mehr, schüttet sich Champagner übers Gesicht, etc. Man trinkt schon morgens den teuersten Fusel, isst im Überfluss, muss nichts mehr aufräumen. In diesen Beginn, den Moment, in dem plötzlich alles möglich ist, kann sich wohl jeder auch irgendwie hineinversetzen, und sich fragen: Was würde ich mir wünschen?
Dann allerdings wünscht sich Kate – und nun wird es schon eher deppert – fast aus einer Laune heraus auch etwas anderes, was sie sonst nicht kriegen kann: Nämlich ein Kind. Da wird die Wunschmaschine im Nu zu einer bösen.
Und durch diesen von Anfang an perversen Wunsch wird der Film zu einem psychologischen Experiment. Er wird zum Horror.
Denn das künstliche Kind macht klarerweise etwas mit den Eltern: Die Mutter möchte unbedingt das Kind, der Vater wiederum kann es nicht annehmen, – auch hier buchstabiert der Film psychoanalytische Motive eher auf Proseminar-Niveau aus: Die Ablehnung des Sohnes durch einen Vater, der den Sohn ja auch nicht selbst gar gezeugt hat. Die unbefleckte Empfängnis der Mutter. Josef und Maria also. Aber der kleine Bub, das Kind dazwischen, das keine biologischen Eltern und keine
Erinnerung hat, ist kein Jesus, sondern eher eine Art Damian aus »Das Omen« und irgendwie auch ein richtiger Mensch, der bald einen satten Ödipus-Komplex entwickelt.
Und so geht das Ganze zunehmend gefährlich seinen Weg.
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Regisseur Christian Volckman steht für jenen Teil des französischen Kinos, der vom Wunsch getragen ist, amerikanischer als die Amerikaner zu sein. Vor vierzehn Jahren hat Volckman bereits einen ersten Spielfilm gedreht: »Renaissance« war ein ansehnlicher, wenn auch etwas leerer Animationsfilm, in sehr eigenwilligen Schwarz-Weiß-Stil, der sich sowohl von den Vorbildern in den USA und in Japan unterschied.
Sein neuer Film spielt in Amerika, ist aber auch inhaltlich wieder
weniger interessant, als formal. Trotzdem trifft es die Floskel »Style over Substance« nicht ganz. Nur ist die Substanz hier mehr die eines Märchens: Mehr bei »Das Kalte Herz« als »Stalker«.
The Room ist Horrorkino – ein Fallbeispiel aus dem klassischen Genre des »Haunted Hoese«, des verfluchten Hauses. Aber aus den Konventionen macht dieser Film immerhin etwas Gutes.
Seine Ästhetik verzichtet auf stumpfe Horrorelemente.
Dies ist zugleich sehr visuelles Kino über das Motiv der Gier und der komplette Wunscherfüllung: »Be careful what you wish for.« Vorsicht mit dem was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen.
Ein Film der uns also ein wenig nachdenken lässt über die Überflussgesellschaft, sogar über den Lockdown, denn so viel darf man auch verraten: Die Wünsche können die beiden Hauptfiguren zwar im Haus materialisieren. Diese Wünsche können aber das Haus nicht verlassen. Das allermeiste spielt sich also in diesem Haunted House ab. Das Heim als Horror-Ort – ein Schelm, der dabei nur ans Kino denkt.
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The Room ist seit diesem Wochenende im VoD-Stream bei »Weltkino« zu sehen.