USA 2006 · 105 min. · FSK: ab 0 Regie: Robert Altman Drehbuch: Garrison Keillor Kamera: Edward Lachman Darsteller: Meryl Streep, Lily Tomlin, Woody Harrelson, Tommy Lee Jones, Garrison Keillor u.a. |
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Fast schon scheinheilig |
Die Beschäftigung mit dem Spätwerk von Regisseuren zeigt einem eindrucksvoll, wie unberechenbar und »unlogisch« die Entstehung großer Kunst ist.
Man sollte meinen, dass »Kopfarbeiter« wie Filmemacher im Lauf der Jahre immer erfahrener, klüger, ideenreicher kurzum, immer besser werden.
Tatsächlich aber ist das Bild, das filmische Spätwerke hinterlassen, höchst uneinheitlich und bedeutende Filme bleiben dabei erstaunlicherweise die Ausnahme (z.B. die Regiearbeiten von Clint Eastwood in den letzten Jahren).
Zum Glück ähnlich selten wie die ganz guten sind die ganz schlechten Filme in den späten Schaffensjahren großer Filmemacher (der ehemals so brillante Ridley Scott scheint leider auf diesem unheilvollen Weg zu sein).
Die meisten filmischen Vermächtnisse jedoch bewegen sich qualitativ im soliden Mittelfeld, weit entfernt von den Meisterwerken ihrer Macher und oft umschrieben mit Adjektiven wie eigenwillig, altbekannt bzw. -bewährt, nachdenklich oder enigmatisch.
Warum Regisseure nicht im vorgeschrittenen Alter ihre besten Filme abliefern, bleibt undurchsichtig. Wenig hilfreich ist es, den Vergleich mit anderen Kunstarten zu zieht, da man dort (z.B. in der Musik) sehr häufig große Leistungen im letzten Lebensabschnitt findet.
A Prairie Home Companion (in Deutschland unter dem sonderbaren Titel Robert Altman’s Last Radio Show aktuell in den Kinos), der letzte Film des 2006 verstorbenen Robert Altman, ist ein sehr typischer Vertreter der Gattung 'letzte Filme' und wiederholt dabei das, was typisch für den Stil von Altman war, ohne jedoch das zu erreichen, was einige seiner Filme so herausragend gemacht hat.
Handlungsgrundlage in A Prairie Home Companion ist die letzte Vorstellung einer Live-Radio-Revue im amerikanischen Mittleren Westen. Ein vermeintlich überflüssiges, veraltetes Genre geht zu Ende, Wehmut mischt sich unter das übliche Chaos hinter der Bühne, die Musik klingt so ehrlich und bodenständig wie die Produkte für die geworben wird, Witz und Aberwitz lauern allenthalben, Nostalgie und Erinnerungen hängen in der Luft wie aufgewirbelter Staub. In der Loge wartet der gnadenlose Investor, der dem ganzen Treiben ein kalkuliert kühles Ende bereiten will, eine blonde Frau ist möglicherweise ein (Schutz- oder Todes-?)Engel, ein Sänger singt sein allerletztes Lied, doch die Show geht weiter, wenn auch nur bis zum Ende des Abends oder doch vielleicht auch darüber hinaus.
Unverkennbar ist Altmans Handschrift. Da ist das für ihn typische große Ensemble aus tollen Schauspielern und Darstellern, das sich perfekt zusammenfügt und hervorragend ausbalanciert ist. Ausgestattet sind die Schauspieler wieder mit überschäumender Spielfreude und geistreich funkelnden Dialogen, die in einem steten Redefluss über einen hereinstürzen.
Und einmal mehr zeigt sich Altman als großer Ethnograph Amerikas, der zur Beschreibung von Lokalkolorit keine Aufnahmen von Landschaften oder Gebäuden braucht, sondern dazu nur die Bewohner einer Region benötigt.
Schließlich ist da auch wieder Altmans generelle Begeisterung für die Kunst, speziell für die Musik und für die Menschen die sie machen und den Betrieb, der dahinter steckt.
Gewohnt ruhig und präzise inszeniert, entsteht so ein sehr schöner, stellenweise sehr witziger, auf alle Fälle sehr musikalischer Film, dem auch seine arg offensichtliche Beschäftigung mit Abschied, Tod und Transzendenz nicht schadet.
Ein toller Film somit, bei dem man intelligent und vielschichtig bestens unerhalten wird, den man deshalb ohne Einschränkungen empfehlen kann.
Nicht verschweigen sollte man aber, dass es sich trotz allem um kein Meisterwerk handelt. Das klingt jetzt vielleicht nach ewig unzufriedener Beckmesserei, nach gut ist nicht gut genug und immer nur das Beste wollen. Was macht überhaupt ein Meisterwerk aus und hat Robert Altman im Lauf seiner Karriere nicht genügend davon
abgeliefert?
Schon alles richtig und vermutlich plagt einen hier nur einmal mehr der Fluch einer (unrealistisch) gesteigerten Erwartungshaltung. Aber von einem Mann, der so vieles gesehen hat, der künstlerisch so viel richtig gemacht hat, der aber auch genügend Fehler begangen hat um daraus zu lernen, der mit dem Rücken zur Wand steht und nichts mehr beweisen muss, der weder auf seine Karriere noch auf Konventionen Rücksicht zu nehmen braucht, von dem erhofft man sich beinahe zwangsläufig ein
großes Werk, dass einem 30jährige Jungregisseure einfach schuldig bleiben müssen.
Im Musikalischen standen vor kurzem etwa die großartigen letzten Platten von Johnny Cash für diese erfüllte Hoffnung.
Das Oeuvre eines Regisseurs gleicht nun einmal bis zu einem gewissen Grad dem Aufbau eines Films. Ein »nur« passabler Schluss alleine macht einen ausgezeichneten Film kaum schlechter. Ein hervorragender Schluss jedoch betont die vorhergegangenen Qualitäten und überstrahlt mögliche Schwächen.
Singulär als Film betrachtet ist A Prairie Home Companion deshalb ein wunderschönes Werk. Als adäquater Abschluss eines außergewöhnlichen Filmschaffens ist er dagegen eine Spur zu leichtgewichtig.