Frankreich 2012 · 112 min. · FSK: ab 0 Regie: Gilles Bourdos Drehbuch: Gilles Bourdos, Jérôme Tonnerre Kamera: Mark Li Ping Bing Darsteller: Michel Bouquet, Christa Theret, Vincent Rottiers, Thomas Doret, Michèle Gleizer u.a. |
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Vater und Sohn Renoir |
Der Maler Pierre-Auguste Renoir verbrachte auf seinem Anwesen Les Collettes in Südfrankreich seine letzten Jahre. Schwer gezeichnet von einer Arthritis, mit verkrüppelten Händen und an den Rollstuhl gefesselt. Nachdem seine Frau an den Folgen einer Diabetes verstorben war, konnte ihn kaum etwas trösten.
Hier setzt der Film von Gilles Bourdos ein: Der 1. Weltkrieg ist in vollem Gange, sein zweiter Sohn Jean Renoir liegt verletzt in einem Lazarett, da taucht eine junge Frau, ein Mädchen eigentlich noch, im idyllischen Les Collettes auf. Im Film gibt sie vor, von Auguste Renoirs Frau geschickt worden zu sein und erscheint ihm wie ein letzter Gruß der Verstorbenen. Eine neue Muse, die schön, bauernschlau und voller Ehrgeiz ist.
Wie viel in dem Film von Gilles Bourdos wahr und wieviel dramaturgisch zurecht gestutzt wurde, sollte einen nicht kümmern. Es ist kein historisches Lehrstück über einen großen Maler und seinen jungen Sohn, der Kinogeschichte schrieb.
Der Film gleicht mehr einem Gemälde, indem unterschiedlichste Details szenisch das Porträt eines Künstlers zeigen. Die Kamera von Mark Ping Bin Lee zeichnet ein Bild der Zeit, in der Auguste Renoir umgeben von seinen Hausmädchen und seinem jüngsten Sohn Coco einen eigenen kleinen Hofstaat für sich hatte. Motive seiner späten Werke ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film.
Das blutjunge Modell Andrée inspiriert den alten Maler neu und verdreht dem jungen Jean Renoir, der auf Genesungsurlaub aus dem Krieg heimkehrt, den Kopf. Tatsächlich heiratete Jean Renoir die junge Andrée Madeleine Heuschling später und drehte mit ihr seine ersten Filme. Ihr Künstlername war Catherine Hessling.
In Episoden wird der Maler Auguste Renoir beschrieben, der sich nicht als Künstler, vielmehr als Handwerker sah. Sein ungeheures körperliches Leiden unter der Arthritis wirkt genauso bodenständig und fatalistisch, wie seine gelassene und doch sehr genaue Art, sich einem neuen Werk mit Pinsel und Farbe zu nähern.
Vor allem aber wird Auguste Renoir als großer Menschenfreund dargestellt, der auf die Frage des Modells, ob es sich bewegen darf, antwortet: Wenn sich bei mir ein Modell nicht bewegen dürfte, dann hätte ich auch Äpfel malen können. Jeder Ausspruch Renoirs in dem Film ist zitierfähig, jede Szene trägt für sich. Als Gegenpol erscheint der junge Jean Renoir wie unfertig im komfortablen Schatten seines Vaters.
Gilles Bourdos arbeitet mit Lücken. Der Film ist voller Andeutungen, deren Bedeutung sich der Zuschauer selbst wird erschließen müssen. Wer denn jetzt genau diese geheimnisvolle Gabrielle ist, die zum Schluß in der Gestalt von Romane Bohringer auftaucht, warum der jüngste Sohn so abgebrüht widerspenstig erscheint und welche Beziehung der junge Jean zu seinem Vater hatte…? Im Film erscheint dieses Beziehung distanziert und von Ehrfurcht geprägt.
Dabei hatte Jean Renoir später über seinen Vater ein umfangreiches Buch geschrieben und viele seiner Erinnerungen zog er aus den Gesprächen, die er mit seinem Vater in Les Collettes führte. Das wird im Film nicht deutlich. Und man fragt sich, wie kann ein Film über zwei so herausragende französische Künstler – der Vater als Maler, der Sohn als Filmregisseur – ihren Motivationen und Inspirationen so wenig auf den Grund gehen?
Was man immer spürt: Gilles Bourdos Renoir ist ein atmosphärisches sinnliches Werk geworden, das sich um die Psychologie der Figuren und historische Tatsachen wenig schert. Und das leider vor allem dann schwächelt, wenn mal etwas mehr Tempo in den Erzählfluss kommt. Ein Film, dem man die Mühe anmerkt, aus dem Atmosphärischem zum Konkreten und schließlich auch zum Schluss bzw. Schlusspunkt zu kommen. Mit der Magie des Augenblicks kommt der Film viel besser klar, als mit jeder dramatischen Struktur, die im Film nach vorne strebt. Fazit ist, bei aller Mäkelei, dass Renoir eine unterhaltsame Zeitreise in eine längst vergangene Welt ist und unter diesem Aspekt auch der filmische Zwilling von Renoirs Malerei.