Brasilien 2013 · 118 min. Regie: Bruno Barreto Drehbuch: Matthew Chapman, Julie Sayres Kamera: Mauro Pinheiro Jr. Darsteller: Glória Pires, Miranda Otto, Tracy Middendorf, Marcello Airoldi, Lola Kirke u.a. |
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Holzschnittartige Lesbenliebe in Brasilien |
Die amerikanische Lyrikern Elizabeth Bishop (1911-1979) gilt als eine der wichtigsten Dichterinnen des 20. Jahrhunderts. Im Jahre 1956 erhielt sie für ihr Werk »North & South-A Cold Spring« den Pulitzer-Preis. Fünf Jahre zuvor litt die Dichterin jedoch an einer Schaffenskrise. Sie verließ New York und reiste auf der Suche nach Inspiration nach Rio de Janeiro. Bruno Barettis Biopic Die Poetin zeigt, dass Bishop dort nicht nur von der brasilianischen Energie und Lebensfreude fasziniert ist, sondern ebenso von der energischen Architektin Lota de Macedo Soares.
1951. Die US-Dichterin Elizabeth Bishop (Miranda Otto) leidet unter einer Schreibblockade, verschiedenen körperlichen Beschwerden und trinkt zu viel. Sie flüchtet aus dem kalten New York ins sonnige Rio de Janeiro, wo sie ihre Freundin Mary (Tracy Middendorf) besucht. Mary lebt gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin, der Architektin Lota de Macedo Soares (Glória Pirez), auf einem Landsitz außerhalb von Rio. Anfangs fühlt sich die schüchterne Dichterin von der resoluten Architektin eher abgestoßen. Lota wiederum interpretiert Elisabeths zurückhaltende Art als Arroganz.
Doch bald fühlen sich die so gegensätzlichen Frauen zueinander hingezogen. Es entsteht zwischen ihnen eine Beziehung, bei welcher Mary das Nachsehen hat. Jene möchte daraufhin in die USA zurückkehren. Aber die Kontrolle liebende Lota will ihre ehemalige Partnerin nicht freigeben. Um diese weiterhin an sich zu binden, erfüllt Lota Marys lang gehegten Wunsch, ein Kind zu adoptieren. So bleiben alle drei Frauen auf Lotas Anwesen wohnen, was nicht frei von Spannungen bleibt. Auch zwischen Elisabeth und Lota beginnt es zu kriseln. Beide Frauen haben mit zunehmenden beruflichen Erfolg weniger Zeit füreinander. Elizabeth avanciert zu einer in Rios feinen Kreisen gefeierten Dichterin, während Lota für die Stadt einen gewaltigen Park erbaut.
Der im Original Flores Raras (»seltene Blumen«) betitelte Film verfügt über gleich zwei interessante Protagonistinnen. Fast archetypisch stehen die beiden Frauen für klassische Gegensätze wie kühler Norden und temperamentvoller Süden, ätherische Lyrik und stark haptische Architektur, die zarte Blondine und die so energische Brünette. Hinzu kommt, dass diese beiden Frauen zu einer Zeit offen lesbisch leben, wo Homosexualität in Brasilien noch vom Staat verfolgt wurde. Auch ist die Dreiecksbeziehung mit Mary selbst für heutige Standards eine sehr ungewöhnliche und gewagte Konstruktion.
Die Erzählung bietet somit zahlreiche interessante Elemente. Nur versagt Regisseur Bruno Baretti dabei, aus dem reichhaltigen Ausgangsmaterial einen adäquaten Film zu formen. Sämtliche Protagonisten bleiben erstaunlich blass und stereotyp. Die von inneren Krisen geschüttelte Elizabeth Bishop (Miranda Otto) blickt lange Zeit nur mit dem immer gleichen verlorenen Gesichtsausdruck ins Leere, während Lota de Macedo Soares (Glória Pirez) sehr holzschnittartig als dominante Amazone präsentiert wird. Zwar finden im Verlaufe des Handlung zahlreiche innere Wandlungen und Umkehrungen statt. Doch selbst diese werden auf eine selten fade Art präsentiert, welche den Betrachter weitestgehend uninteressiert bleiben lässt.
Der Eindruck, eher ein kleines Fernsehspiel als eine auf internationalen Festivals gezeigte Kinoproduktion zu betrachten, wird durch die schwache visuelle Gestaltung zusätzlich verstärkt. Zwar erscheinen im Film durchaus prächtige Bilder und imposante Landschaftspanoramen. Nur ist dies ein kaum zu vermeidender Nebeneffekt, wenn man an einem der landschaftlich schönsten Orte der Welt dreht und die Handlung zudem in eine Zeit verlegt, in der bereits der Anblick eines Autos ein gewisses nostalgisches Aroma verströmt. Immer wenn sich die Kamera jedoch von dem bereits in sich Schönen und Prachtvollen zu unauffälligeren Objekten und Orten bewegt, zeichnen sich die Bilder durch eine unangenehme Sterilität aus, die jeden Anflug von Zauber wieder zunichte macht.
Somit leidet Die Poetin unter der Abwesenheit von filmischer Poesie. Das Biopic präsentiert zudem ein absolutes Postkarten-Brasilien – das erste Bild bei Elizabeths Ankunft im Land zeigt gleich den Zuckerhut im Hintergrund – dem jede wahre Magie abgeht. Der Brasilianer Bruno Baretti zeigt ein Brasilien wie aus einem Reiseführer, bei dem sich der Zuschauer bis zum Schluss auch wie ein Tourist fühlt, dem jeder tiefere Einblick ins Land versagt bleibt. Im direkten Vergleich mit Die Poetin offenbart sich dafür noch einmal umso klarer, wie gelungen Sergio Andrades kleiner Film A Floresta de Jonathas – Im dunklen Grün ist. In dem Film von Barettis Landsmann Andrade steckt mehr Magie im Pflücken einer einzigen Tropen-Frucht im Amazonas, als im gesamten drögen mehrere Jahrzehnte und zwei Kontinente umspannenden Geschehen in Die Poetin.