Resident Evil – Genesis

Resident Evil

D/GB/USA 2002 · 100 min. · FSK: ab 16
Regie: Paul W.S. Anderson
Drehbuch:
Kamera: David Johnson
Darsteller: Milla Jovovich, Michelle Rodriguez, Eric Mabius, James Purefoy u.a.
Milla Jovovich

Eine tote Frau in einem gefüllten Versuchs­bassin, ihr Treiben ist das typische Schweben einer Ertrun­kenen. Die Kamera insis­tiert auf ihre Figur, in Halb­to­taler mit ihr im Hinter­grund, in den Nahen und schließ­lich, als die Szene zu Ende ist und alle Prot­ago­nisten den Ort längst verlassen haben, eine Groß­auf­nahme ihres verquol­lenen Gesichtes. Natürlich wird sie gleich die Augen aufreißen und der Horror ist umso stärker, je länger man sich dessen bewusst war.

Wir befinden uns im Unter­grund einer futu­ris­ti­schen Reißbrett­stadt, laufen durch die Gänge des unter­ir­di­schen Versuchs­la­bors The Hive, in dem an diesem Tage so ziemlich alles schief gelaufen ist. Kata­stro­phen­alarm. Die herme­ti­sche Versie­ge­lung des gott­ver­las­senen Ortes und damit die Auslö­schung allem jetzt noch hier befind­li­chen Leben droht innerhalb einer Stunde. Es muss schnell gehen... Ein Virus wurde frei­ge­setzt, der totes Gewebe, tote Hunde, tote Menschen ins Zwischen­reich der fleisch­hun­gernden Zombies befördert und Leichen (die jetzt als willen­lose Jäger aufer­stehen und dümmlich durch die Gänge wanken) hat dieser Ort heute schon zu viele gesehen. Wir wissen das, weil unsere Heldin das weiß. Aufge­wacht ist Alice an diesem Tag unter der Dusche, die Prel­lungen an ihrem Körper deuten darauf hin, dass sie letzte Nacht wohl bewusstlos zusam­men­ge­bro­chen sein muss. Zunächst kann sie sich an nichts mehr erinnern. Einsam streift sie durch eine verlas­sene Villa, findet Indizien ihres Davors, ihrer Vergan­gen­heit. Ein Zettel auf dem steht, dass heute der Tag sei, an dem alle ihre Träume in Erfüllung gehen. Ein Ehering, ein Hoch­zeits­photo, sie zusammen mit einem fremden Mann. Der schwarze Fleck der Amnesie gibt dem Drehbuch Reichtum, Figuren werden bewertet, umge­wertet, fluk­tu­ieren zwischen den Polen von Gut und Böse. In flashes und back­flashes stückelt uns Resident Evil die Geschichte dieser Frau wieder zusammen. Alice ist ein Soldat, ihr nackter Körper scheint nicht in eine Uniform zu gehören und dennoch, sie arbeitet als Söldner für den Mulit­kon­zern Umbrella (und im »Subtext« ist der Film ein bisschen Globa­li­sie­rungs­gegner, viel­leicht weil das der Ziel­gruppe sympa­thisch ist / zu Gott kommt, wer den Aufstand gegen die Korrup­tion, das Geld, wagt). Mit einer Gruppe ihrer Einheit und einem Zivi­listen in Hand­schellen steckt Alice jetzt im Labor fest und die Aufgabe lautet, den Zentral­com­puter außer Gefecht zu setzen und dabei irgendwie am Leben zu bleiben. Der alte Kampf zwischen Mensch und Maschine. Aller­dings folgt Resident Evil nicht dem binären System wie Camerons erster Termi­nator oder Kubricks 2001: A Space Odyssey. Perso­na­li­siert wird der Rechner nicht durch muskel­be­packte Männer, sondern durch die Holo­gra­phie eines kleinen Mädchens. Es ist ein Geben und Nehmen, weil die Maschine selbst mit einer Idee von Huma­nismus ausge­stattet zu sein scheint.

Resident Evil ist ein durch und durch ameri­ka­ni­scher Film. Auch wenn er von Bernd Eichinger produ­ziert und in den verlas­senen U-Bahn­schächten Berlins gedreht wurde. Die Themen verweisen ein ums andere Mal über den Ozean. Der Moment der bibli­schen Apoka­lypse, wenn die Toten sich aus ihren Gräbern erheben, die Rekon­struk­tion des indi­vi­du­ellen Gedächt­nisses, die Analyse der Mikro­skopie der Gruppe, die Bezie­hungen zwischen den Elementen des Ensembles. Wo ein Führer gefunden werden muss, einer der Soldaten sich opfern muss, um die anderen zu retten, einer der Verräter ist. Eine Folge von Tren­nungen und Wieder­ver­ei­ni­gungen zwischen den Charak­teren, als Spur des Melodrams.

Alice selbst ist Paradigma des ameri­ka­ni­schen Helden, erst durch die Konfron­ta­tion mit dem Milieu kann sie zu sich selbst, ihre Bestim­mung finden. Gespielt wird sie von Milla Jovovich und ihre Rolle gleicht der in Luc Bessons The Fifth Element. Langsam lernt sie mit der Unschuld eines Kindes ihre Fähig­keiten zu nutzen, ihre Umgebung zu verstehen. Aber irgendwie bleibt sie immer fern, fremd und geheim­nis­voll. Viel­leicht wegen ihrer Schönheit, ihrem Körper, der sie durch die fiktio­nalen Welten trägt. Der traurige Blick ins Leere (wie ein verlo­rener Hund, was nicht zynisch gemeint ist / das dezent geschminkte Gesicht in leichter Aufsicht, der Kopf zur Seite geneigt, der Mund steht ein Stück weit offen), ihre kryp­ti­schen Worte, ihre seltsam archaisch anmu­tenden Wert­vor­stel­lungen, die sich mit der bunten und schil­lernden Maskerade der L´Oreal-Hoch­glanz­pla­kate kaum zusammen denken lassen. Sie trägt durch ihre Gegenwart immer Merkmale der Frau­en­fi­guren Dryers (und in seinem Erbe derer von Lars von Trier) mit in den Film. Die Heilige, die Unschuld, die Gläubige, nicht nur in The Messenger / Jeanne d’Arc. Eine Hure ohne Freier, die eine groteske Liebe mit einem verklärten Spinner eingeht, wie in Wim Wenders The Million Dollar Hotel. Und gerade in den Momenten, wenn sie nicht präzise sein muss, ein Geschöpf aus einer anderen Welt oder einer anderen Zeit sein darf, scheint sie am besten. In der konkreten Situation, dem genauen Gefühl (als sie am Ende den letzten und liebsten ihrer Kameraden verliert und verzwei­felt die Hände gegen eine Glas­scheibe schlägt) gleitet das Spiel ab in stili­sierte, theatrale Stumm­film­gesten.

Resident Evil ist die Film­ver­sion der gleich­na­migen Video­spiel­reihe, und viel konnte man bei der Adaption nicht falsch machen. Regisseur Paul W. S. Anderson streut gele­gent­lich eine Prise (Selbst-) Ironie ein, um dem eindi­men­sio­nalen Pathos seiner Vorlage zu entgehen. Die Drama­turgie der Video­spiele und des Kinos werden am Ende doch verschieden rezipiert. Anfang des 21. Jahr­hun­derts kann die Leinwand auf den ironi­schen Bruch, den Kommentar einfach nicht mehr verzichten, zumal im Horror­film. Hart sind die Burschen trotzdem und die weib­li­chen Figuren stehen dem in nichts nach. Anderson oszil­liert, manchmal kommt er aus der Richtung John Carpen­ters, der mit Ghosts of Mars bewiesen hat, dass ihm die Neue­rungen und Entwick­lungen im Genre der letzten zwanzig Jahren nichts anhaben konnten. Gewalt wir durchaus ernst und manchmal zu ernst genommen.

Die inter­ak­tive Einsam­keit durch­spielter Nächte, das rastlose Streifen und vergeb­liche Laufen durch die Stille und Ereig­nis­lo­sig­keit der animierten Räume kann der Film natürlich nicht abbilden, weil es den Regeln des Mediums entge­gen­steht. Auch die Dichte, die Schwärze, die Unheim­lich­keit der Atmo­s­phäre geht ein Stück weit verloren, wie die Größe und Schuss­ge­walt (und damit die Faszi­na­tion) der Waffen. Schwar­ze­negger gab in Inter­views zu Colla­teral Damage zu Protokoll, dass früher allein die Schlag­kraft der Waffen die Qualität eines Filmes bestimmte, heute müsse man auch noch eine Geschichte erzählen. Schön ist es, wenn beides stimmt.