Deutschland 2003 · 84 min. · FSK: ab 0 Regie: Werner Herzog Drehbuch: Werner Herzog Kamera: Peter Zeitlinger Darsteller: Dalai Lama, Lama Lhundup Woeser |
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Der Dalai Lama beim Zeremonieren |
»Ich weiss jetzt, wie groß die Welt ist – ich habe sie mit meinem eigenen Körper ausgemessen«, sagt Llhundup Woeser. Der Lama hat 4000 Kilometer zurückgelegt, indem er sich auf den Boden ausgestreckt und wieder aufgerichtet hat: ein Reise von mehreren Jahren. Auf seiner Stirn prangt eine dicke Schwiele, seine Hände sind von Überbeinen gezeichnet. Wie eine halbe Million Menschen ist auch er nach Bodh Gaya gekommen, um einem wichtigem buddhistischen Ritus beizuwohnen, der Kalachakra Initiation. Mehrere Tage zeichnen Mönche in wechselnden Schichten ein vergängliches Bild aus farbigem Sand. Das Mandala zeigt eine Vision vom Rad der Zeit. Das Dorf ist bei dieser mystischen Zeremonie von besonderer Bedeutung, hier fand Prinz Siddharta, so will es die Legende, unter einem Baum sitzend, Erleuchtung.
Lhundups Lächeln ist milde, den Rummel um seine Person perlt an ihm ab. Dass Meditation glücklich macht, ist seit kurzem auch wissenschaftlich belegt. Forscher der University of Wisconsin haben per Hirnscan festgestellt, dass bei Buddhisten ein bestimmter Bereich im Gehirn fast ununterbrochen aktiv ist, der für positive Emotionen und Selbst-Kontrolle sorgt. Studienleiter Paul Ekman: »Offensichtlich können Elemente der buddhistischen Religionsausübung den Zustand von Glück bewirken, den wir alle suchen.«
Doch Praktiken innerer Versenkung durch einförmige Litanei gibt es in vielen Religionen: Wo sich Buddhisten sich tausendfach niederwerfen oder Mantras murmeln, beten Christen unentwegt den Rosenkranz. Derzeit sind abendländische Riten bei westlichen Heilssuchendenwenig allerdings populär: Sie wechseln in Scharen zu exotischeren religiösen Gefilden über. Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama betrachtet dies mit Sorge: der Buddhismus kennt keinen Missionarseifer. Das Studium fremder Religionen zwecks besseren Verständnisses hält seine Heiligkeit für begrüßenswert, doch dabei sollte jeder Mensch seiner eigenen Kultur, seiner eigenen Religion verhaftet beleiben.
Wohin der Clash der Kulturen führt, zeigt folgende Film-Sequenz: Neben den farbenprächtigen Bildern aus dem fernen Indien hat das Filmteam auch einer Kalachakra-Initiation in der uncharmanten Stadthalle von Graz gedreht. Eine seltene Gelegenheit, denn der geistige Führer der Tibeter lässt sich nur selten darauf ein, derart wichtige Riten außerhalb Asiens durchzuführen. »Dalai Lama, Dalai Lama« blökt dann sogleich auch eine Frau aus der wartenden Menge. Aufdringlich schwenkt sie ein Bündel Fotos, die für seine Heiligkeit bestimmt sind.
Auch Werner Herzog ist kein Freund von Religionstourismus. Er filmt aus selbstgewählter Distanz, mit unbestechlicher Schärfe. Doch statt die Bilder und die Menschen vor der Kamera für sich selbst sprechen zu lassen, spielt Herzog einmal mehr die allwissende Stimme aus dem Off: Eine lästige Dauerberieselung die die eigenen Gedanken des Betrachters zu Tode quatscht. »Selbst wenn man ein Dummkopf wäre und nicht weiß, was man zu machen hat, könnte man es nicht ganz falsch machen«, sagt Werner Herzog und verbeugt sich damit vor dem, was er vorfand – und trifft doch mit dieser Aussage ganz unabsichtlich die Quintessenz des Films.