Pumuckl und das große Missverständnis

Deutschland 2025 · 98 min. · FSK: ab 0
Regie: Marcus H. Rosenmüller
Drehbuch: ,
Kamera: Stefan Biebl
Darsteller: Florian Brückner, Matthias Bundschuh, Robert Palfrader, Stella Goritzki, David Zimmerschied u.a.
Pumuckl
Ja mei...
(Foto: Constantin)

Wie der Leberkäs auf der Semmel

Marcus H. Rosenmüller setzt mit „Pumuckl und das große Missverständnis“ seinen gelungenen Neustart fort – und trifft erneut den seltenen Ton zwischen Nostalgie, Humor und Herzenswärme

Ich gebe es ungern zu: Ich war skeptisch. Schon beim ersten Relaunch, Neue Geschichten vom Pumuckl (2023), hatte ich gezwei­felt, ob es wirklich noch einen neuen Pumuckl braucht – noch ein Versuch, noch ein Aufguss, noch eine Welle aus digitalem Kobold­glitzer, die den alten Zauber einfach zudeckt. Und dann kam Neue Geschichten vom Pumuckl – Marcus H. Rosen­mül­lers warm­herzig-frivoler Neustart – und bewies, dass man auch einer Ikone mit Respekt begegnen und sie trotzdem neu zum Leben erwecken kann. Jetzt also die Fort­set­zung: Pumuckl und das große Miss­ver­s­tändnis. Und wieder das gleiche Staunen, das gleiche Lächeln, dieselbe Fest­stel­lung: Ja, das hier funk­tio­niert – so wie der Leberkäs auf der Semmel.

Rosen­müller erzählt diesmal keine große Geschichte, sondern viele kleine: Pumuckl (mit der Stimme von Maxi Schafroth) und Florian Eder (Florian Brückner), der Neffe des alten Schrei­ner­meis­ters, verbringen einen Sommer voller kleiner Kata­stro­phen, Zaube­reien und Miss­ver­s­tänd­nisse. Eine neugie­rige Schild­kröte wird zur philo­so­phi­schen Beglei­terin, Nachbar Burke (Matthias Bundschuh) feiert einen Geburtstag, zu dem keiner kommt, und über allem schwebt eine leise Melan­cholie, weil die Freund­schaft zwischen Kobold und Mensch ins Wanken gerät.

Das alles klingt unspek­ta­kulär – und ist gerade deshalb so schön. Rosen­müller begreift, dass das Herz des Pumuckl-Univer­sums nicht im Spektakel liegt, sondern im Zwischenton: im Dialog, im Augen­zwin­kern, in der stillen Tragik hinter der Komik. Wo andere Regis­seure den Kobold in den Zirkus oder in den Weltraum geschickt hätten, bleibt Rosen­müller auf dem Boden. Er erzählt von einem München, das es so kaum mehr gibt – und das trotzdem so vertraut wirkt, dass man fast das Holz riechen kann, das Meister Eder einst hobelte.

Dass Pumuckl und das große Miss­ver­s­tändnis auf einer alten Hörspiel­folge aus dem Jahr 1970 basiert, ist kein Zufall. Rosen­müller zieht hier eine Linie zurück zu Ellis Kaut und Franz Josef Gottlieb, zu einer Erzähl­weise, die noch Vertrauen in kindliche Neugier, in leise Magie, in Alltags­wunder hatte. Der Film entfaltet diese Haltung mit fast altmo­di­scher Ruhe – und gerade darin liegt seine Qualität. Er nimmt Kinder ernst, aber nicht schwer. Er zeigt Erwach­senen, dass Fantasie nicht naiv ist, sondern ein Akt der Freund­schaft.

Florian Brückner spielt den neuen Eder – einen sympa­thi­schen, leicht über­for­derten Hand­werker zwischen Tradition und Gegenwart – mit einer Natür­lich­keit, die selten geworden ist im deutschen Fami­li­en­kino. Seine Mischung aus gran­telndem Onkel, melan­cho­li­schem Träumer und stoischem Begleiter verankert den Film in einer erdigen Mensch­lich­keit, die man sonst nur noch bei alten bayri­schen Charak­ter­dar­stel­lern findet. Und Pumuckl, gespro­chen von Maxi­mi­lian Schafroth, bleibt – digital animiert, aber über­ra­schend organisch – der anar­chi­sche, quirlige, gren­zenlos kindliche Geist, den Hans Clarin einst unsterb­lich machte.

Dass der Humor diesmal etwas lauter, körper­li­cher, gele­gent­lich slap­stick­hafter ist, passt erstaun­lich gut. Wo das Over­ac­ting in vielen deutschen Kinder­filmen peinlich wirkt, fügt es sich hier ein in die baye­ri­sche Dadde­lig­keit, die Rosen­müller perfekt trifft. Man lacht, weil es echt wirkt. Weil man spürt, dass hier nicht um den Gag, sondern um die Zuneigung gespielt wird. Der Film ist überdreht, aber nie hyste­risch – so wie ein Kinder­ge­burtstag, bei dem selbst die Erwach­senen mitspielen dürfen.

Auch formal bleibt Rosen­müller seiner Linie treu: Die Kamera fängt München und das Umland mit warmem Licht ein, irgendwo zwischen Nostalgie und Gegenwart, Sommer­fe­ri­en­ge­fühl und Vorabend­serie. Aber es ist gerade diese kontrol­lierte Einfach­heit, die wirkt. Keine aufdring­liche Moral, keine hyper­ak­tive Montage, kein CGI-Overkill – statt­dessen Handwerk, Timing, Schau­spiel.

Die Neben­fi­guren sind auch dieses Mal wieder stark: Anja Knauer als Vicky, Stella Goritzki als Tessa und Matthias Bundschuh als Burke bringen Charme und Situa­ti­ons­komik, ohne ins Theatrale zu kippen. Besonders berührend: die kleine Episode um den einsamen Nachbarn, der Jahr für Jahr vergeb­lich auf Gäste wartet. Sie ist so schlicht wie präzise insze­niert – und trifft, mitten in der Kinder­komödie, plötzlich auf jene stille Trau­rig­keit, die immer schon Teil von Pumuckl war.

Pumuckl ist ein Fami­li­en­film, einer von der Sorte, die man heute kaum mehr wagt, weil sie an der Ehrlich­keit gemessen werden, nicht an der Laut­stärke. Und ja, man kann ihm vorwerfen, dass er es sich zu einfach macht, dass er lieber in der Vergan­gen­heit schwelgt, als sie zu hinter­fragen. Aber genau das mach viel­leicht den Zauber aus: Er zeigt, dass Nostalgie kein Rück­schritt ist, wenn sie mit Herz erzählt wird. Dass Erin­ne­rung, Humor und Mensch­lich­keit zusam­men­gehören.

Wenn am Ende Pumuckl und Florian einander fast verlieren – und dann doch wieder­finden –, spürt man, dass Rosen­müller verstanden hat, worum es bei Ellis Kaut immer ging: um Freund­schaft, die aus Miss­ver­s­tänd­nissen wächst. Um Zuneigung, die den Alltag überlebt. Um das kindliche Staunen, das selbst in einer Welt der Smart­phones und Algo­rithmen noch Platz hat.

Pumuckl und das große Miss­ver­s­tändnis ist kein großer Film. Aber ein ehrlicher. Ein Film, der nichts beweisen will und gerade dadurch etwas schafft, was viele mit Millio­nen­bud­gets nicht erreichen: Nähe.

Und so verlässt man das Kino mit diesem ganz beson­deren Gefühl – einem, das irgendwo zwischen Wehmut, Lachen und Sommer auf dem Balkon liegt. Ein Gefühl, das riecht wie Holzleim, schmeckt wie Leber­käs­semmel und klingt wie ein Kobold, der wieder da ist, als wäre er nie weg gewesen.