Postman

The Postman

USA 1997 · 177 min. · FSK: ab 12
Regie: Kevin Costner
Drehbuch: ,
Kamera: Stephen Windon
Darsteller: Kevin Costner, Will Patton, Olivia Williams, Larenz Tate u.a.

Erinnern Sie, geneigte LeserInnen, sich noch an unsere Kür der cine­as­ti­schen Jahres­best­leis­tungen 1997? Gell, hab' ich mir doch gleich gedacht. Und da hatte ich doch (beim Nachta­rock im Diskus­si­ons­forum) auch die Kategorie »Guilty Pleasures« – woraufhin mich Kollege Suchsland frug, was ich denn damit meinen tät.
Nun, damals mühte ich mich redlich, Herrn Suchsland das Konzept durch umständ­liche Beschrei­bung vers­tänd­lich zu machen, aber so recht die griffige Defi­ni­tion wollte mir die Eingebung partout vorent­halten. Nun denn – jetzt kommt The Postman in die Kinos, und da wurde ich erleuchtet: Ein Guilty Pleasure ist ein Film, bei dem man sich nicht traut zuzugeben, daß er einem gefallen hat.

Für alle, die’s noch nicht wissen: The Postman ist kein Hollywood-Remake von Il postino, sondern Kevin Costners filmi­scher Versuch, die ameri­ka­ni­sche Revo­lu­tion ein zweites Mal zu kämpfen – in Form eines dreis­tün­digen Pseudo-Westerns vor post(ich spar mir die Kalauer)apoka­lyp­ti­schem Dekor. Amerika liegt verwüstet darnieder, die wenigen Über­le­benden der Kata­strophe haben sich zu isolierten Klein­stadt­ge­mein­schaften zusam­men­ge­funden, das Land wird von der herum­zie­henden Armee der soge­nannten Holnisten terro­ri­siert. Auf der Flucht aus deren Gefan­gen­schaft findet ein namen­loser Wanderer (Kevin Costner) einen toten Post­be­amten und bemäch­tigt sich dessen Uniform – was ihm Gele­gen­heit gibt, sich als Vertreter der angeblich wieder­auf­er­stan­denen United States of America auszu­geben und sich so bei den Bewohnern eines Dorfes Unter­kunft und Essen zu erschlei­chen. Aber siehe da: der Glaube an die Wieder­ge­burt der Nation entfacht neue Hoffnung, und bevor man dreimal »Boston Tea Party« sagen kann, ist ein richtiger patrio­ti­scher Frei­heits­kampf im Gange. Wie schön.

Nun werden (insbe­son­dere ameri­ka­ni­sche) Filme, sobald sie patrio­tisch werden, meist auch reichlich uner­träg­lich – und The Postman macht da keine Ausnahme (obwohl er sich immerhin meist redlich um ironische Brechung bemüht). Wenn ein Greis in Biker-Kluft über sein Tattoo sagt »A girl with eyes as big as saucers gave me that in a little town called Saigon«, dann geht das einfach so nicht in Ordnung; und auch wenn Costner beim finalen mano a mano-Showdown mit den Worten »I believe in the United States of America« zum entschei­denden Schlag ausholt, funk­tio­niert The Postman eher als Vomi­to­rium denn als Film.
Ideo­lo­gisch gibt’s mithin mehr als genug Steine des Anstosses – und ästhe­tisch beweist sich Mr. Costner mal wieder als Regisseur, der zwar durchaus Kraft und Ideen hat, aber über diese leider kaum kritische Kontrolle.

Gründe genug also, den Film schlecht zu finden (sieht man mal ganz davon ab, daß es schon längst nicht mehr »in« ist, Kevin Costner etwas Positives abzu­ge­winnen). Gründe auch, die man schwer­lich entkräften kann – weshalb man auch zunächst nur verschämt einge­stehen mag, daß man an The Postman dennoch nicht wenig Gefallen gefunden hat.
Aber ich geb’s hiermit öffent­lich zu: ich finde der Film hat was. Klar – seine Qualitäten sind für große Teile des Publikums bestimmt nicht unbedingt als solche erkennbar (obwohl es ganz objektiv eine Leistung ist, eine Laufzeit von drei Stunden durch­ge­hend unter­haltsam und kurz­weilig zu gestalten). Aber immer wieder gelingen (passieren?) Costners Werk herrlich absurde Momente, die reinstes, phan­tas­tischtes Kino sind.
Allabend­liche Vorstel­lungen von The Sound of Music in einem zum Gefängnis umfunk­tio­nierten Stein­bruch; Tom Petty als Bürger­meister; Debatten über Sper­maqua­lität beim ersten Date; ein Löwe im Regen, blinde Fernseher in verödeten Tank­stellen und ein Lager­feuer in einem verlas­senen Postauto; Costners Shake­spear­auf­füh­rungen mit einem Maultier als Partner (und Costner bei der Zahn­pflege dieses Gefährten); ein Ort namens Elvis: es sind diese skurrilen Details, verrückten Ideen und surrealen Bilder, derent­halben ich The Postman letzlich doch ein klein­wenig in mein Herz geschlossen habe.

Nein, ein guter Film ist The Postman nicht, und ich würde ihn sicher­lich nicht jedermann und -frau empfehlen. Aber wer die vorge­faßten Nega­tiv­ur­teile mal für drei Stunden vor der Kinotür lassen kann; wer bereit ist, über die offen­sicht­li­chen Schwächen und Unsäg­lich­keiten des Films einfach hinweg­zu­sehen; und wem wunderbar surreale Augen­blicke mehr zählen können als ein schlüßiger Gesamt­ein­druck kann sicher Dümmeres tun, als sich das Spektakel im nächst­ge­le­genen Licht­spiel­haus zu Gemüte zu führen. Denn ein richtig schönes Guilty Pleasure – das ist The Postman auf jeden Fall.