Perdita Durango

Mexiko/Spanien 1997 · 126 min. · FSK: ab 18
Regie: Alex de la Iglesia
Drehbuch: , ,
Kamera: Flavio Martinez Labiano
Darsteller: Rosie Perez, Javier Bardem, Harley Cross, Aimee Graham u.a.

Que sera, sera...

In Alex de las Iglesias genial-schick­sals­gläu­biger Höllen­fahrt bekommt jeder, was er verdient – oder doch nicht?

Ein schreck­li­cher Film. Und ein intel­li­genter,sehr origi­nelller, stre­cken­weise schöner Film. Das dritte Werk des Basken Alex de la Iglesia ist alles Mögliche,aber gewiß kein Main­stream. Zwar verfilmt Iglesia in dieser visuell aufre­genden Attacke auf »normales« Leben ein Buch von Barry Gifford. Der ist »Kult«, und hat mit Wild at Heart und dem Drehbuch zu Lost Highway schon für zwei der wich­tigsten Filme dieses Jahr­zehnts die Vorlage geliefert.

Perdita Durango begleitet die Höllen­fahrt eines wilden hispano-ameri­ka­ni­schen Gangs­ter­pär­chens: Die gewalt­tä­tige Ex-Prosti­tu­ierte Perdita Durango (Rosie Perez) und der cool-brutale Romeo Dolorosa (Javier Bardem als beein­dru­ckende Trash-»Latin Lover«), der an Voodoo glaubt, ziehen wie eine schwarze Nach­ah­mung von Bonnie und Clyde durch das mexi­ca­nisch-ameri­ka­ni­sche Grenzland. Verfolgt von der Polizei ist ihr Ziel Las Vegas, wo Romeo einen »Job« zu erledigen hat, unterwegs kidnappen sie zwei junge Mittel­stands-Kids. Manches scho­ckiert,aber wer Tarantino, Lynch, Peckinpah und Almodóvar mag, wird sehr auf seine Kosten kommen. Deren Stil­ele­mente werden virtuos verknüpft,trotzdem findet Iglesia zu einer eigen­s­tän­digen Form.

Wie wenige Filme in letzter Zeit ist dieser Road-Movie ein Beispiel aktu­ellster Pop-Kultur: der Film birst von Refe­renzen an Film- und Theo­rie­ge­schichte: Robert Aldrichs Western Vera Cruz etwa bildet die Flashback-Folie zur Rekon­struk­tion zeit­genö­si­schen Helden­tums in der Figur des von Burt Lancaster gespielten Outcasts Joe Erin, dessen Tod den Bezugs­punkt von Romeo bietet. Die Figur des Romeo selbst ist eine feine Dekon­struk­tion »Latin Lover«. Romeo ist seine Trash-Version, er übernimmt die Gesten des Vorbilds noch in dem Moment, in dem er seine junge Geisel verge­wal­tigt. Und Perdita ist die Anti – All-american-Woman, die weiß, wie man Applepie backt. »You're reminding me of Doris Day« sagt Romeo, und bringt damit Iglesias Film­sprache auf den Punkt: Im Zweifel ist das Gegenteil wahr, der Geist wandert um die Ecke.

Man wirft dem Film dies und das vor: ein Einwand lautet, er sei zu scho­ckie­rend und gewalt­tätig, und konse­quent wird er von den BRD-Zensur­behörden erst für Kinder ab 18 frei­ge­geben. Was nur formal richtig ist, faktisch kann man in anderen Filmen ganz andere Szenen sehen.
Andere finden ihn zu konven­tio­nell, weil er seine Story am Ende doch ganz gradlinig erzählt.
Natürlich ist er auch mega-un-PC, weil er rassis­ti­sche Stereo­typen verwendet, schwu­len­feind­lich wirkt, und zu unter­stellen scheint, daß die Opfer der Verge­wal­ti­gigung diese mögli­cher­weise noch genießen. Nun ist es viel­leicht mehr das Problem einiger Kritiker, wenn sie glauben, daß Iglesia tatsäch­lich alle diese Formen von Gewalt gutheißt, und außerdem Frauen, Schwarze und den Rest aller Benach­tei­ligten nicht mag.
Trotzdem setzt sich Iglesia solchen Vorwürfen aus, weil er seinen Figuren nicht mora­lin­sauer auf die Finger klopft, wie das -vor allem deutsche- Kritiker gern tun.

Das wüste, oft ästhe­ti­sie­rende Crossover der Stile und Genres, die plötz­liche Verän­de­rung der Atmo­s­phären macht ihn zu einem anspruchs­vollen Vergnügen. Man darf es aller­dings nicht zu ernst nehmen. Wer sich von der Amoral der Story provo­zieren läßt, der über sieht nicht nur den tief­schwarzen Humor dieses Films, sondern auch die versteckte Moral dieses filmi­schen Katho­li­zismus: Jeder bekommt, was er verdient.