Paris kann warten

Paris Can Wait

USA 2016 · 93 min. · FSK: ab 0
Regie: Eleanor Coppola
Drehbuch:
Kamera: Crystel Fournier
Darsteller: Diane Lane, Arnaud Viard, Alec Baldwin, Elise Tielrooy, Elodie Navarre u.a.
Charmant, aber nicht weiter tiefgründig

Wer ist denn schon glücklich?

Desin­ter­esse und gewisse Abnut­zungs­er­schei­nungen einer lang­jäh­rigen Beziehung kommt in den besten Familien vor. So auch bei dem Film­pro­du­zenten Michael und seiner Frau Anne, ein Paar in mittleren Jahren, gespielt von Alec Baldwin, der nicht nur als Fern­seh­par­odie des Proll­prä­si­denten Trump eine wunder­bare Komik entfaltet und von Diane Lane, die man in Europa viel zu wenig auf der Leinwand sieht.

Anne und Michael besuchen das Kinomekka des Cannes-Festivals, danach hatten sie eigent­lich ein paar Tage zu zweit in Paris geplant, aber wieder einmal kommen wichtige Geschäfte dazwi­schen, und Michael muss nach Budapest. Ungarn Haupt­stadt hat offenbar auch in Hollywood keinen guten Ruf. Denn Anne will nicht mit nach Budapest fliegen, sondern direkt nach Paris.
Da macht ihr Jacques (Arnaud Viard), ein Geschäfts­freund von Michael, das nette Angebot, sie nach Paris mitzu­nehmen. Passen­der­weise hat er einen schmucken Cabrio und genau das, was der Gatte Michael nicht hat, nämlich jede Menge Zeit. So wird aus der kurzen Fahrt ein zweitägiger Road-Trip. Jacques entspricht tatsäch­lich allen bekannten Klischees des Fran­zö­si­schen und legt sich kräftig ins Zeug, um Anne die Schön­heiten seines Landes näher zu bringen. Zu den Entde­ckungen gehört aller­dings nicht nur touris­ti­sche Verg­nü­gungen wie römische Hinter­las­sen­schaften und idyl­li­sche Dörfer in der Provence, nicht nur die unver­gleich­liche fran­zö­si­sche Kultur, wie Filme, Malerei und immer wieder ungemein köst­li­ches Essen – »Foodporn« nennt das die KennerIn – sondern auch der persön­liche Charme der Reise­be­gleiter.

Der erste Spielfilm der 81-jährigen Eleanor Coppola, der Frau des berühmten Francis Ford Coppola und Mutter von Sofia Coppola ist eine leichte Komödie mit bitter­süßen Unter­tönen. »Paris kann warten« feiert die fran­zö­si­sche Lebensart und bietet eine tatsäch­lich bezau­bernde Reise durch die Post­kar­ten­idyllen eines immer sonnigen Frank­reichs, zugleich aber auch den Trip durch das Leben einer Frau, das durchaus nicht immer nur idyllisch ist. Man kann dabei vermuten, dass die Geschichte über eine Frau, die große räumliche wie psychi­sche Umwege nehmen muss, auch auto­bio­gra­phisch inspi­riert ist.

Vor allem aber zele­briert der Film eine Wunsch­fan­tasie, das, was sich jeder irgend­wann erträumt: Eine Auszeit aus dem eigenen Leben, der Urlaub in einem ganz anderen Dasein, das auch in einem steckt. Wie könnte es sein, wenn man jetzt einfach hier­bliebe? Wenn man durch­brennen würde mit einem anderen attrak­tiven Menschen? Wie würde man selbst sich verändern? Wäre die neue Liebe ein Jung­brunnen, der einen zum Besseren verändern würde? Oder ein schreck­li­cher Irrtum, eine Kata­strophe? Da erlaubt sich der Film ganz unver­mit­telt direkte, geradezu naive Fragen: »Sind Sie glücklich?« – »Wir führen eine gute Ehe.« – »Das hab ich nicht gefragt. Sind Sie glücklich?« (Dialog­auszug)
Glücklich? Wer ist denn schon glücklich? So werden wir Zeugen einer bitter­süßen Midlife-Crisis – in der jede Seelen­qual aller­dings dadurch hervor­ra­gend abge­pols­tert wird, dass das Geld in diesem Leben offenbar gar keine Rolle spielt. Wenn schon Depres­sion, dann bitte in den Betten eines Luxus­ho­tels.

Man muss diesen Film nicht nach­sich­tiger als andere Kinowerke betrachten, nur weil er von einer Coppola kommt. Man sollte ihn aber auch nicht mit stren­geren Maßstäben messen.

So kann man bilan­zieren: Paris kann warten ist sehr char­mantes, nicht weiter tief­grün­diges, aber auch keines­wegs seichtes Sommer­kino, ein Leinwand-Urlaub in 92 Minuten, ein Film, der nicht nur allen Frank­reich­fans gefallen wird, und nicht nur jenen Ehefrauen, die es verdient haben, dass ihre Ehemänner irgend­wann aufwachen.