Open Hearts

Elsker dig for evigt

Dänemark 2002 · 113 min. · FSK: ab 12
Regie: Susanne Bier
Drehbuch:
Kamera: Morten Søborg
Darsteller: Sonja Richter, Nikolaj Lie Kaas, Mads Mikkelsen, Paprika Steen u.a.
Das alltägliche Glück?

Die Dramatik des Alltäglichen

In einer Sekunde kann sich ein Leben entscheiden. Das mag für sich genommen eine fade Erkenntnis sein, doch wenn sie einem so vorge­führt wird wie hier, geht sie nahe, lässt sie einen das eigene Leben neu über­denken.

Diesmal ist es ein kurzes Versäumnis, das zu einem Unfall führt. Das Glück eines jungen Paares, das eben noch verliebt seine Zukunft plante, zerschmet­tert blitz­schnell auf der Kühler­haube eines Autos. Denn jetzt liegt der junge Mann vom Kopf ab unheilbar gelähmt im Kran­ken­haus. Verzwei­felt verstößt er die Freundin, und die – in einem Hollywood-Film wäre dies tabu – verliebt sich nach kurzer Zeit neu, ausge­rechnet in den verhei­ra­teten Arzt, der sie in den ersten Stunden nach dem Unglück so rührend betreute – was durch schlechtes Gewissen motiviert war, denn seine Frau fuhr den Unglücks­wagen.

Ein melo­dra­ma­ti­scher Plot, der sich liest wie für ein schwaches Fern­seh­spiel an den Haaren herbei­ge­zogen. Doch in den Händen der dänischen Regis­seurin Susanne Bier wird daraus großes Drama, dezent und klug in Szene gesetzt, konse­quent ohne alle Längen erzählt, dabei voller Sensi­bi­lität für Situa­tionen und Charak­tere, unprä­ten­tiösem Alltags­rea­lismus, mit unauf­dring­li­chem, bitter­süßem Humor. Wie sonst nur in fran­zö­si­schen Filmen halten sich die Beiläu­fig­keit der Norma­lität und zwin­gender Ernst die Waage.

Auch Open Hearts ist ein Film, der nach den Regeln von Lars von Triers Dogma-Manifest von 1995 entstand. Doch die tech­ni­schen Zwänge dieser Selbst­be­schrän­kung, des Filmens ohne künst­li­ches Licht und »unnatür­liche« Umge­bungs­geräu­sche, die Arbeit mit der flexiblen Hand­ka­mera, prägen nur den Look. Open Hearts wäre aber auch mit ganz konven­tio­nellen Mitteln ein unkon­ven­tio­neller, span­nender, in vielem über­durch­schnitt­li­cher Film geworden, dem man viele Zuschauer wünscht. Denn es ist das genaue Hinsehen auf scheinbar Bekanntes und Banales, der Blick für die Dramatik des Alltäg­li­chen, nicht die Wackel­ka­mera, die diesen humanen Film über die Implosion einer äußerlich glück­li­chen Familie, über das Nicht-mehr-Funk­tio­nieren des gewohnten Alltags in seiner Heimat zu einem der erfolg­reichsten aller Zeiten gemacht hat. Weil er Substanz hat, ist Open Hearts ein Kunstwerk geworden, in dem sich viele wieder­finden können. Was ließe sich über einen Film Besseres sagen?