USA 1997 · 97 min. · FSK: ab 12 Regie: Steve Oedekerk Drehbuch: Steve Oedekerk Kamera: Donald E. Thorin Darsteller: Tim Robbins, Martin Lawrence, John C. McGinley, Giancarlo Esposito u.a. |
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Carpe Diem. Es könnte dein letzter sein. Nun läßt das Leben im Military-Industrial-Complex wenig Raum für lateinische Sentenzen und so schlägt das Stündlein zumeist völlig überraschend.
Nick Beame (Tim Robbins) hat alles: die richtige Hautfarbe, das richtige Geschlecht. Das muß belohnt werden, und so haben die Götter dem Geschäftsmann die entsprechenden Statussymbole Frau und Finanzkraft mitgegeben. So weit so gut.
Nicks Vorgesetzter allerdings steht höher in der Hackordnung. Das Büro ist größer, die Möbel kunstvoll arrangiert um eine Fruchtbarkeitsstatue mit überdimensionalem Fortpflanzungsorgan. Da in der phallozentrischen Weltordnung jede Ableitung so linear verläuft wie das namensgebende Organ, hat Robbins Chef noch mehr Geld und noch mehr Erfolg als unser Held und darf zur Belohnung dessen Ehegattin vögeln.
Der Betrogene bespringt flux sein Automobil und gibt Gas was das Zeug hält. Der Verfügungsgewalt über den weiblichen Körper einmal verlustig gegangen, kann auch der Überfall des schwarzen T. Paul nicht mehr erschüttern. Der Täter wird kurzerhand zum Opfer gemacht, in den Wagen gezerrt, und schon steuert Robbins den chromblitzenden Phallusersatz in eine dicht befahrene Kreuzung. Eine Explosion von weißem Licht. Offensives Fahrverhalten ist fast so schön wie der Beischlaf. Beides kann dieser Tage tödlich enden. Carpe Diem.
Daß im Interim zwischen Sein und Geschichte das Leben vor dem inneren Auge Revue passiert, haben wir nie so recht glauben wollen. Stattdessen produzieren Nicks Gehirnwindungen kurz vor dem Exitus Bilder seines Lebens – nicht wie es war, sondern wie es hätte sein sollen. Alles wird gut.
Robbins fantasiert sich auf einen Highway ins Nirgendwo. Hier lernt er den Überlebenskampf. Sein Beifahrer erweist sich als geeigneter Lehrmeister. Denn bedenke: der schwarze Mann an sich kommt aus dem Ghetto und lebt dort nach dem Gesetz des Dschungels. Außerdem ist der schwarze Mann an sich körperlich besser bestückt, will sagen potenter, will sagen T. Paul weiß, wie man mit Weibern umspringt, die den Ehemann hintergehen. Ein bißchen prügeln darf sich Robbins auch. Das ist wichtig, denn der Schreibtischtäter muß wieder zum Jäger und Sammler werden.
Dergestalt präpariert nimmt unser Held mit der blühenden Fantasie die Kastration des Nebenbuhlers in Angriff. Der Tresor des Chefs wird ausgeräumt, die Statue entmannt. Und siehe da: die Gattin ist doch nicht fremdgegangen, alles war ein Mißverständnis. Der Chef bekommt sein Geld zurück. Die Statue freilich ist nicht operabel und da die Überwachungskamera die Amputation gefilmt hat, muß der arme Mann den Kastrationsakt mit eigenen Augen sehen. Das tut weh.
Jetzt ist alles gut. Unser Held hat seine Männlichkeit wieder und der schwarze Mann an sich erweist sich als nicht ganz so potent. Zuhause nämlich wartet seine Mama auf ihn. Die verteilt Ohrfeigen, wenn Sohnemann nicht brav war. Das kennen wir auch, denn bedenke: der Schwarze an sich ist possierlich, wenn er nicht bedrohlich ist. Jetzt kann Robbins zum »Massa« werden und seinem Freund einen Job verschaffen. Schwarze an sich sind ja meistens arbeitslos und überhaupt benachteiligt.
Nothing to Lose ist die dumme Potenzfantasie eines weißen Mannes. Ob Nick Beame wohl andere Bilder gesehen hätte im Moment des Sterbens? Das interessiert den Film nicht, das interessiert den Regisseur nicht. Mich hätte es interessiert, aber wen interessiert das schon?